Tröten, Brüllen, Quieken, Zwitschern: Wie Tiere kommunizieren
Mäuse-Männchen wissen, wie sie Mäuse-Weibchen beeindrucken. Zwecks Brautwerbung setzen die paarungsbereiten Nager zu erstaunlich rhythmischen Melodien an. Braunmäuseriche liefern einander sogar Singduelle; dabei darf der Rivale sein Liedchen stets fertig trällern. Für das menschliche Ohr sind die tierischen Song Contests freilich nicht zu hören, sie spielen sich im Ultraschallbereich ab.
„Der technische Fortschritt hilft uns, Laute aufzunehmen, zu speichern und zu analysieren. Es gibt auch Geräte, die den Schall visuell darstellen und die Quelle sichtbar machen“, sagt Angela Stöger. Die renommierte Bioakustikerin aus Wien hat eben ihr Buch „Von singenden Mäusen und quietschenden Elefanten“ (Verlag Brandstätter, 24 Euro) auf den Markt gebracht und beschreibt auf 208 Seiten – entsprechend dem Untertitel und mit Hörbeispielen via QR-Code untermauert – „Wie Tiere kommunizieren und was wir lernen, wenn wir ihnen zuhören“.
Geduld
„Im Tierreich wird mit ausgeklügelten Mechanismen und sehr divers kommuniziert. Die Kreativität der Natur kennt keine Grenzen“, weiß Privatdozentin Stöger nicht nur aus unermüdlichem Theoriestudium, sondern auch aus zahlreichen Erfahrungen, die sie geduldig zwischen Botswana, Südkorea und Wien gesammelt hat. Verständigung ist eine komplexe Angelegenheit. Allein das Produzieren von Lauten verlangt eine ausgefeilte Anatomie.
Unterschiedlichste Ausdrucksweise
So teilen sich Feldgrillen mit den Schrillleisten an den Flügeln mit, Knochenfische mit Muskeln an der Schwimmblase. Elefanten benutzen, wie die Expertin jüngst belegen konnte, nicht nur Stimmbänder zum Tröten. Ob im Zoo, im Waisenhaus oder in freier Wildbahn – die Dickhäuter verwenden die Muskeln des Rüssels bzw. des Mauls, um wie Meerschweinchen zu quietschen oder mit niedriger Frequenz weit spürbar zu vibrieren. Der Erfindergeist der Großsäuger beim Erzeugen von Tönen ist einzigartig, jeder Riese hat seine Methode.
Kein Reflex, sondern der Situation entsprechend
„Kommunikation setzt Intelligenz und Bewusstsein voraus“, sagt Stöger, die an der Uni Wien das vor ihr gegründete Mammal Communication Lab leitet. Dabei vokalisieren Tiere nicht reflexartig. Viel mehr passen sie sich mit Grips der Situation an. Geparden-Babys rufen nur nach der Mutter, wenn sie damit nicht auch hungrige Löwen auf sich aufmerksam machen. Panda-Bären, die blind und nahezu nackt zur Welt kommen, nutzen die Kraft ihrer Stimme nur so lange, bis sie der Hilflosigkeit entwachsen sind; später werden sie einzig rund um die Paarung laut. Giraffen sind noch schweigsamer, sie summen kaum, und wenn, in der Nacht. Stöger will die neue Erkenntnis aus dem Tiergarten Schönbrunn bald näher in Afrika untersuchen. Primaten dagegen haben Spaß am Kombinieren von Lauten. Seehunde imitieren die menschliche Sprache, weil sie dazu im Stande sind; eine extrem seltene Gabe im Reich der Wild-, Haus- und Nutztiere.
„Die Gesprächsthemen sind äußerst vielfältig. Es geht um Kontakt, sexuelle Annäherung, das Kundtun von Bedürfnissen, um Informationen über Futterplätze oder Feinde“, zählt Stöger auf. Dabei fehlt es nicht an Tiefe. Erdmännchen etwa senden mit ihren Warnsignalen gleich mehrere Details mit. Schließlich müssen die Artgenossen wissen, ob ein Greifvogel im Anflug ist oder eine Schlange naht und wie weit der Fressfeind entfernt ist. Der Afrikanische Trauerdrongo – Vögel sind prinzipiell sprachbegabt – macht Warnrufe von bis zu 51 Arten nach und vertreibt damit seine Opfer, um sich über deren Beute herzumachen.
Gruppenleben macht gesprächig
Soziale Lebewesen, insbesondere Mütter sind übrigens – unabhängig von der Spezies – besonders gesprächig. Nicht nur zwischen jungen und alten Nasenbären, die in Gruppen von bis zu zwanzig Exemplaren leben, gibt es jede Menge zu besprechen.
Verständnis
„Die Evolution von Sprache und Musik ist eine der größten Wissenschaftsfragen unserer Zeit“, sagt Angela Stöger, die vor ihrer Forschungstätigkeit erfolgreiche Synchronschwimmerin war. Mit ihrer Arbeit will die sie nicht zuletzt zum Artenschutz beitragen. Tierhalter und Forscher wissen längst, dass Tiere Gefühle haben. In der Politik müsse sich das noch etablieren. „Tiere sind uns Menschen ähnlicher, als wir glauben. Wir müssen nur leise sein und hinhören.“
Disziplin: Das aufstrebende Forschungsfeld beschäftigt sich mit der Entstehung von Lauten, den Hör-Organen und der Bedeutung akustischer Signale. Die Erkenntnisse aus dem Tierreich lassen auch Rückschlüsse auf die Evolution menschlicher Sprache zu.
Technik: Die Erforschung der Tierstimmen und Gesprächsinhalte ist auf hochsensible Mikrofone, Rekorder, Kameras, Speichermedien, Rechner und Analyseprogramme angewiesen. Wissenschafter wie Angela Stöger beobachten, lesen sich ein, entwickeln ein Gespür für die Spezies, hören sich ein, hören zu und interpretieren die Daten
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