Der Neurotransmitter spielt bei vielen neurochemischen Prozessen im Gehirn eine wichtige Rolle. So dient Dopamin etwa der Kommunikation der Nervenzellen untereinander. "Am bekanntesten ist der Botenstoff für seine Rolle bei der Motivationssteigerung", erklärt Christian Pifl, Dopaminforscher vom Zentrum für Hirnforschung der MedUni Wien. "Dopamin ist der Hauptakteur des Belohnungssystems und steht mit dem Konsum von Suchtmitteln in Zusammenhang."
Lange Zeit galt als wissenschaftlich gesichert, dass sich ein Belohnungsgefühl einstellt, wenn der Dopaminspiegel steigt. Ein positives Gefühl wird ausgelöst, das dann mit einem lustbringenden Reiz in Verbindung gebracht wird und anregt, den Reiz zu wiederholen. "Neuere Befunde legen nahe, dass sich der Dopaminspiegel erst dann erhöht, wenn ein unerwarteter Trigger auftritt. Bei eingeschliffenen Reizen tut sich eher wenig. Hier scheint Dopaminfasten anzusetzen", sagt Pifl.
Im Interview mit der BBC erklärt Cameron Sepah, Psychiater, Professor an der University of California und Erfinder des Dopaminfastens, die Wissenschaft hinter den Reizferien: Das Konzept gründe auf Verfahren der Sucht- und Verhaltenstherapie. Obwohl Dopamin mit Glücksgefühlen assoziiert werde, fördere es in Wahrheit Sucht und Stress. "Angesichts der ständigen Arbeitsbelastung sind Menschen anfällig für Suchtverhalten, um negative Emotionen zu unterdrücken", sagt Sepah, der auch Patienten im Silicon Valley behandelt.
Beim Dopaminfasten gehe es darum, die Zeit, die mit problematischen Verhaltensweisen verbracht wird, zu minimieren. Das Belohnungssystem werde quasi neu kalibriert; Reize danach intensiver wahrgenommen – mit positiven Effekten auf die Stimmung, Konzentration, Produktivität und allgemeine Gesundheit.
"Wenn kein Gleichgewicht zwischen Aktivitäts- und Ruhephasen herrscht, kann das permanente Überangebot an Reizen sich beeinträchtigend auf die Gesundheit auswirken", bestätigt Sandra Ötsch, Klinische Psychologin und Psychotherapeutin vom Zentrum für angewandte Psychotraumatologie. "Chronische Erschöpfung sowie Burn-out können die Folge sein."
Aber kann man das Gehirn durch Reizentzug tatsächlich sanieren? "Mir wäre nicht bekannt, dass eine Reizdeprivation zu einer Abnahme des Dopaminspiegels führt", sagt Ötsch. Das bestätigt auch Pifl: "Dass Reize, nachdem man sich diesen über einen längeren Zeitraum entzogen hat, einen stärkeren Effekt haben, scheint plausibel. Inwieweit Dopamin hier eine Rolle spielt, müsste anhand von Studien belegt werden."
Für Menschen, die unter chronischem Stress leiden, kann Dopaminfasten sogar gefährlich sein: "Komplette sensorische Deprivation kann erwiesenermaßen Halluzinationen und Psychosen auslösen", mahnt Ötsch.
Leerläufe zulassen, in sich gehen, Ausgleich finden: Dopaminfasten erinnert nicht nur stark an Achtsamkeit, die boomende Entspannungspraxis der vergangenen Jahre. Es ähnelt auch Aufenthalten im Schweigekloster oder einer "Digital Detox" im Yoga-Retreat. "Grundsätzlich denke ich, dass es Sinn machen kann, auf Reize wie Handy, Social Media oder Gespräche bewusst zu verzichten, um Distanz zum Alltag zu gewinnen und den Geist zu beruhigen. Aufmerksamkeit nach innen zu richten hat neben einer bewusstseinserweiternden eine erholsame Wirkung", erklärt Ötsch. "Allerdings halte ich regelmäßige Reizreduktion, wie sie etwa bei herkömmlichem Achtsamkeitstraining gefördert wird, für zielführender und psychisch wertvoller als kompletten Reizverzicht."
Ohne die Bereitschaft, hinter eigene problematische Verhaltensweisen zu blicken, bleibt vom Dopaminfasten also wohl nicht mehr, als eine sinnentleerte Turbo-Taktik zur vermeintlichen Selbstoptimierung.
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