Was es bedeutet, wenn die Kinder nicht nur Deutsch zu Hause sprechen, weiß Agata Mehes-Paluszek aus eigener Erfahrung: „Ich bin Polin, mein Mann Ungar. Wenn man mich fragt, welche Muttersprache meine Kinder haben, wird es schwierig“, erzählt sie bei ihrem Vortrag in der Volksschule Greiseneckergasse in Wien-Brigittenau.
Wie ihren Kindern geht es vielen in dem Bezirk. Um die Eltern mit dem österreichischen Schulsystem vertraut zu machen und um die Zusammenarbeit mit der Schule zu fördern, wurde das Projekt Sesam ins Leben gerufen, das sich insbesondere an Eltern von Erstklässlern richtet (siehe Infobox unten).
Geleitet wird es von Heike Summerer: „Wir wissen aus Studien, dass der Lernerfolg der Kinder auch davon abhängt, wie gut die Eltern eingebunden sind“, begründet sie das Engagement. Angeboten werden Infoveranstaltungen und Cafés, bei denen man plaudern kann.
Thema Lesenlernen
Heute ist also das Thema Lesenlernen dran und die Frage, wie Eltern ihre Kinder dabei unterstützen können. Keine könnte für das Thema geeigneter sein als Agata Mehes-Paluszek, lesepädagogische Leiterin bei den Wiener Bibliotheken. Gekommen sind knapp zwanzig Personen, zumeist Mütter – nur zwei Männer haben sich unter die Zuhörer gemischt.
Die Bibliothekarin erzählt, wie einfach es ist, an Bücher zu kommen und dass es in fast jedem Bezirk eine Bibliothek gibt – darunter sogar eine Kinderbücherei der Weltsprachen, in deren Regalen Werke in mehr als 50 Sprachen stehen. Da finden auch Eltern etwas, die kaum Deutsch sprechen.
Wie eine Blume
Warum es so wichtig ist, mit Kindern zu sprechen oder mit ihnen Bilder anzuschauen, erklärt Agata Mehes-Paluszek so: „Wenn man mit Kindern spricht, blühen sie auf wie eine Blume.“ Bücher hätten aber noch weitere Vorteile: „Gerade Sachbücher erweitern den Wortschatz. Und Geschichten können helfen, Ängste abzubauen, etwa, wenn ein Geschwisterchen kommt.“
Nicht alle Eltern können dem Vortrag folgen. Eine syrische Mutter, die erst mit dem Deutschlernen begonnen hat, fotografiert z. B. alle Informationen und liest sie sich zu Hause durch.
Andere Mütter, wie etwa Azime, sprechen schon sehr gut Deutsch. Sie will, dass Tochter Hayrunnisa, 6, eine gute Schülerin wird. Was sie vom heutigen Vortrag mitgenommen hat? „Wenn man Geschichten vorliest, soll man immer offene Fragen stellen, damit das Kind ausführlicher erzählen kann.“
Im Austausch
Am Ende des Workshops stehen dann noch viele Mütter vor dem Schultor zum Plaudern. Eine türkische Mutter beklagt sich, dass ihr Sohn in die Deutschförderklasse muss: „Er fühlt sich dadurch so herabgesetzt, dass er nicht mehr in die Schule will. Ich muss ihn regelrecht zwingen.“ Und sie fragt: „Warum gehen nicht mehr österreichische Kinder in diese Schule? Dann würde er sich beim Deutschlernen sicher leichter tun.“
Dass sich die Mütter gegenseitig das Herz ausschütten, ist eine Idee des Projekts: „Sie sollen sich untereinander kennenlernen und ihre Kinder Freundschaften aufbauen“, hofft Summerer. Und nicht zuletzt soll die Schule mit positiven Erlebnissen verbunden sein.
Übergang in die Schule
Sesam ist ein Projekt der Diakonie und unterstützt Eltern beim Übertritt von Schulanfängern vom Kindergarten in die Volksschule.
Fortbildung
Neben Cafés, die zum Plaudern einladen, gibt es Elternworkshops zu Themen wie „sinnvolle Freizeitbeschäftigung“ oder „Lesenlernen“, sowie Lehrerfortbildungen.
12 Schulen in vier Grätzeln
Neben der Brigittenau gibt es Sesam-Projekte noch in drei weiteren Bezirken – demnächst soll es auf drei weitere Bildungsgrätzel ausgeweitet werden.
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