KURIER-Lernhaus: Zehn Jahre auf der Seite der Schwächsten

KURIER-Lernhaus: Zehn Jahre auf der Seite der Schwächsten
Fast 1000 Kinder und Jugendliche wurden bisher von Rotkreuz-Pädagogen betreut. Sie brauchen weiter unsere Hilfe.

Das Leuchten in ihren Augen! Hätte es noch einen letzten Beweis für die Schönheit dieser Welt benötigt, dann ist es wohl das Lächeln von Dilara.

Die Zehnjährige freut sich jedes Mal aufs Neue, wenn sie das KURIER-Lernhaus im Stadtzentrum von Mödling betritt. Heute liest sie dort mit der pensionierten Sozialpädagogin und ehrenamtlichen Rotkreuz-Mitarbeiterin Brigitta Kravagna die Kurzgeschichte „Was macht der Kater, wenn ich schlafe“. Kann dann ihre Hausaufgaben erfolgreich abschließen. Und darf am Ende ihres zweistündigen Lernhaus-Besuchs mit den anderen Kindern spielen.

KURIER-Lernhaus: Zehn Jahre auf der Seite der Schwächsten

Dilara liest mit Brigitta Kravagna

Auf einem guten Weg

Seit zehn Jahren ermöglicht es das Medienhaus KURIER in enger Kooperation mit dem Roten Kreuz, dass Kinder wie Dilara so wie andere Kinder in ihrem Alter lachen können. Vor mittlerweile zehn Jahren wurde nicht ganz zufällig im ärmsten Gemeindebezirk von Wien, in Rudolfsheim-Fünfhaus, in der Nähe des Schwendermarkts, das erste KURIER-Lernhaus eröffnet. Seither gingen weitere sechs Häuser in Niederösterreich und zwei in Tirol in Betrieb. Insgesamt wurden dort bisher fast 1000 Kinder betreut – alle mit messbar gutem Erfolg.

Auch Dilara ist bereits auf einem guten Weg. Sie konnte ihr Leben aufgrund grober gesundheitlicher Komplikationen im Zuge ihrer Geburt nicht unbeschwert beginnen. Nach einem mehrmonatigen Aufenthalt im Krankenhaus entwickelte sie sich von Anfang an langsamer als andere Kinder, auch in der Schule. Doch kämpft sie sich jetzt, wie ihre Mutter Nurgül Hasyavuz bestätigt, Schritt für Schritt in das Leben hinein.

Ganz wesentlich sei dabei die Rückendeckung durch die Lernhaus-Pädagogen, betont die Mutter von Dilara. „Ich kann mich noch erinnern, was meine älteren Kinder in einem Nachhilfeinstitut gelernt haben. Dort wurde nur Stoff gelernt. Das ist nicht zu vergleichen mit hier.“

Jede Frage eine Antwort

Dilara selbst sagt es so: „Hier fällt es mir leichter, eine Frage zu stellen.“ Ihre Betreuer nehmen sich immer Zeit, um ihre Zweifel bestmöglich aus dem Weg zu räumen. „Noch nie wurde ich im Lernhaus ausgelacht“, erzählt die Schülerin.

Im Gegenteil. Mit jeder Antwort wächst ihr anfangs nur zart ausgeprägtes Selbstwertgefühl. Dies bestätigt auch die pädagogische Leiterin im Lernhaus Mödling, die beim örtlichen Roten Kreuz fix angestellte Volksschullehrerin Jacqueline Brödl.

Dilaras Mutter freut sich mit ihr über die Fortschritte: „Sie kommt jetzt wieder mit einem Lächeln nach Hause.“ In den Monaten, in denen auch die Lernhäuser in den Lockdown mussten, war das nicht immer so: „Da war Lernen immer nur blöd.“

KURIER-Lernhaus: Zehn Jahre auf der Seite der Schwächsten

Nurgül Hasyavuz freut sich mit Tochter Dilara

Die Rolle einer Mutter ist eben eine andere als die einer Lehrerin, fügt Frau Hasyavuz hinzu. „Ich kann zwar addieren und multiplizieren. Doch das einem Kind beizubringen ist halt doch etwas anderes.“

Immerhin konnten und können Eltern jederzeit die Pädagoginnen im Lernhaus anrufen. Dilaras Mutter ist froh darüber: „Die geben mir tolle Tipps, wenn ich nicht mehr weiter weiß, etwa wenn meine Tochter partout nicht malen möchte.“ Nicht nur deshalb fühlt sie sich entlastet: „Anfangs war ich ja skeptisch. Aber jetzt sehe ich, dass Dilara fröhlich nach Hause kommt und zu mir sagt: ,Mama, ich weiß, dass nicht jeder dieses Glück hat, ins Lernhaus gehen zu dürfen.’“

Im alten Trauungssaal

Mödling ist das jüngste Haus in der neunteiligen Reihe der KURIER-Lernhäuser. Es öffnete im Herbst 2019 im Veranstaltungssaal des Raiffeisen-Forums im Zentrum. Andere Lernhäuser wurden in öffentlichen Schulen eingerichtet, eines in einer Schulwartswohnung, eines im ehemaligen Trauungssaal der Gemeinde. Das erste Lernhaus, jenes in Wien, ist wiederum als Gassenlokal im Privathaus einer großzügigen Vermieterin angesiedelt.

Auch wenn viel Arbeit in den Lernhäusern von freiwilligen Helfern übernommen wird, die Kosten für die Arbeit mit sozial benachteiligten Kindern sind enorm. Sie werden zu 100 Prozent durch Spenden finanziert. Und die sind jeden Euro wert.

Denn mit jedem Kind, das hier lachen, leben, Deutsch und Mathematik lernt, freut sich nicht nur eine Familie – auch die Steuerzahler dürfen jubeln: Sie ersparen sich 1,8 Mio. Euro. So viel zahlt die Allgemeinheit im Schnitt für einen Menschen, der die Schule abbrechen muss, ergab eine Studie der EU-Kommission. Betroffene sind oft arbeitslos oder prekär beschäftigt.

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Sarah macht das Lernen mit Jacqueline Brödl (re.) Spaß

„Reichlich belohnt“

Von diesem Schicksal wird auch Dilaras beste Freundin, die zwölfjährige Sarah, mit einiger Gewissheit verschont bleiben. Sie sagt nach dem Wiederholen der Klimazonen für den Geografie-Unterricht: „Hier macht mir das Lernen viel Spaß.“ Das gelte sogar „bis zu einem gewissen Grad“ für die Hausaufgabe in dem von ihr nicht besonders geliebten Fach Englisch.

Vor dem ersten Besuch im Lernhaus, sagt Sarah offen, sei sie sehr aufgeregt gewesen. Doch das habe sich schnell gelegt. Verschmitzt fügt sie hinzu: „Als ich bemerkt habe, dass alle Betreuerinnen kleiner sind als ich.“

Brigitta Kravagna lächelt. Die Sozialpädagogin im Ruhestand freut sich über die Lebensfreude, die die Kinder im Laufe der Zeit ausstrahlen. Für sie ist ihr Ehrenamt im Lernhaus keine Bürde, sondern ein Geben und Nehmen: „Wer Kindern gut zuhören kann, wird von ihnen mehr als reichlich belohnt.“

Spendenkonto
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IBAN: AT71 3100 0000 0099 9995
Ihre Spende ist steuerlich absetzbar

200 Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 15 Jahren werden jedes Jahr in KURIER-Lernhäusern betreut.

Neun Standorte
Mittlerweile bietet das Bildungsprojekt an neun Standorten in Wien, Niederösterreich und Tirol kostenlose Lernhilfe und Nachmittagsbetreuung an. Betrieben werden die KURIER-Lernhäuser vom Projektpartner Österreichisches Rotes Kreuz.  Während der Lockdowns arbeiteten die Lernhäuser vor allem über digitale Kanäle mit den Kindern. Derzeit stellen sie Schritt für Schritt wieder auf Präsenzbetrieb um – mit wenig anwesenden Personen, ausreichend Abstand und den nötigen Hygienemaßnahmen.

 

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