Karlheinz Böhms legendäre Wette, die sein Leben radikal veränderte
In der Sendung „Wetten, dass...“ vor 40 Jahren begann das humanitäre Engagement des damaligen Schauspielers in Äthiopien. Sein erster Mitarbeiter erinnert sich.
Es war der 16. Mai 1981, bei der erst dritten „Wetten, dass...“-Sendung, die damals im Wiener ORF-Zentrum über die Bühne ging: Der österreichische Schauspieler Karlheinz Böhm wettete, dass nicht einmal jeder dritte Zuschauer eine Mark oder sieben Schilling (heute rund 50 Cent) für die Not leidenden Menschen in der Sahelzone spenden würde. Der Kaiser-Franz-Joseph-Darsteller gewann diese Wette, die sein Leben verändern sollte.
Mit den umgerechnet rund 613.500 Euro, die immerhin zusammengekommen waren, gründete er noch im selben Jahr die Hilfsorganisation „Menschen für Menschen“ (MfM). Für diese hängte er seinen bisherigen Job an den Nagel und für diese setzte sich Böhm bis zu seinem Tod (2014) mit jeder Faser ein. Äthiopien wurde zu seiner zweiten Heimat, und MfM ist dort nach wie vor hoch angesehen, in der Hauptstadt Addis Abeba gibt es sogar einen „Karlsplatz“.
„Hat mich beeindruckt“
Einer der ersten Mitarbeiter von Karlheinz Böhm war Berhanu Negussie. „Ich war damals als Sozialarbeiter auf einer Lepra-Station beschäftigt“, sagt der heute 65-Jährige im KURIER-Telefonat, „und Karl suchte einen Übersetzer. Das war der Beginn einer Zusammenarbeit, die fast 40 Jahre dauern sollte.“
Von dem weißen Schauspieler hatte der Sohn eines Bauern zuvor noch nichts gehört. „Doch ich war von Anfang an fasziniert von ihm. Wenn einer seinen lukrativen Job aufgibt, um sich ganz der Hilfe für meine Landsleute zu verschreiben – das hat mich beeindruckt. Karl wurde mein Mentor, mein Lehrer, mein Freund. Ich habe so viel von ihm gelernt.“
Vor allem Böhms tiefer Respekt den Menschen gegenüber habe ihn geprägt, sagt Berhanu: „Er trat allen gleich vorbehaltlos gegenüber – egal, ob es der Premierminister war oder eine einfache Bäuerin.“ Dabei habe der MfM-Gründer, der später eine Äthiopierin heiratete, stets ausführlich zugehört, die örtlichen Traditionen, Kulturen und Religionen geachtet und niemals irgendwelche Konzepte von außen aufgesetzt. Zusammenarbeit auf Augenhöhe sei sein Motto gewesen.
Kampf gegen Kinderehe
Nur in zwei Punkten sei der Österreicher kompromisslos gewesen: „Wenn es um Armut ging – und die gab es gerade damals überall im Land –, hatte er null Toleranz“, erinnert sich der langjährige Weggefährte. „Und der Kampf gegen Gewalt gegen Frauen, gegen Kinderehen und vor allem gegen weibliche Genitalverstümmelung war für ihn ebenso prioritär.“ Gerade was Letzteres betrifft, sei Karlheinz Böhm der Erste gewesen, der „den Mut“ hatte, dieses Tabuthema anzusprechen – mit Erfolg: Seit 2004 ist in Äthiopien die Beschneidung von Mädchen und Frauen, zumindest offiziell, verboten, ein Verbrechen.
Zwischen dem ehemaligen Schauspieler aus Europa und dem Sozialarbeiter aus Afrika entwickelte sich rasch eine enge Symbiose, die vom gegenseitigen Lernen geprägt war. „Karl lud mich dann auch nach Österreich ein, das war 1983, ich verließ erstmals meine Heimat“, sagt Berhanu. Er sei überwältigt gewesen, alles sei „so sauber gewesen“ – und dann noch der Stephansdom und Schönbrunn. Und im Rahmen der Bregenzer Festspiele durfte der damals 28-Jährige im August einen der allerletzten Auftritte von Karlheinz Böhm mitverfolgen: Er gab den „Schwierigen“ in Hugo von Hofmannsthals gleichnamigem Lustspiel in drei Akten.
Gründung
Noch 1981, am 13. 11., gründete Karlheinz Böhm die Hilfsorganisation und reiste nach Äthiopien.
Hilfe
Mehr als 5,5 Millionen Menschen in einem Gebiet von fast 60.000 (gut zwei Drittel der Fläche Österreichs) profitieren von der Hilfe.
Spenden
Rund 570 Millionen Euro an Spendengeldern wurden seit der Gründung in Deutschland, Österreich und der Schweiz gesammelt.
Spendenkonto
IBAN: AT28 3200 0000 0022 2000
Zurück in Äthiopien stürzte sich Berhanu wieder in die Arbeit für MfM. Er wurde bald Projekt-Manager, und 2002 wurde ihm die Verantwortung für alle Initiativen der mittlerweile stark angewachsenen Organisation in Äthiopien übertragen. Diese Funktion füllte er bis zum Vorjahr aus, ehe er sich in den Ruhestand begab, besser gesagt in den Unruhestand. Denn das Schicksal des 110-Millionen-Einwohnerlandes (als Karlheinz Böhm erstmals dort landete, lag die Bevölkerungszahl bei 36 Millionen) ist dem umtriebigen Pensionisten weiter eine Herzensangelegenheit. „Ich hoffe, dass es nicht nochmals 40 Jahre lang dauert, bis wir aus der Armut herauskommen“, sagt er.
Optimistisch
Derzeit freilich pumpt die Regierung unter Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed Millionen Dollar in den Waffengang gegen die aufständische Volksgruppe der Tigriner in der Provinz Tigray. Sogar von Kriegsverbrechen ist die Rede.
Berhanu weiß um die ethnischen Spannungen in seiner Heimat nur zu gut Bescheid. Zum aktuellen Konflikt will er sich nicht äußern, er zeigt sich aber optimistisch, dass „wir zu einem friedlichen Miteinander“ kommen werden. „Wir müssen den Blick nach vorne richten, auch das habe ich von Karl gelernt.“
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