„Hat Eva Adam mit einem süßen Bob in Versuchung entführt? Hat die schöne Helena mit einem Kurzhaarschnitt die Griechen bewogen, in Troja einen Krieg anzuzetteln? Ich glaube nicht. „Es ist immer die lange Mähne, die reizt“, meint die Autorin Ellen T. White. Interessanterweise dachten die frühen Christen, dass die Locken einer Frau Teil ihrer Genitalien seien und den männlichen Samen aufsaugen könnten. Üppiges Kopfkleid symbolisiert Jugend, Kraft, Stärke, überhaupt wenn sie stark und voluminös wirken. Gekonnt in Szene gesetzt, können sie sogar „sprechen“, behaupten Flirtexperten: Haare werden hinter die Ohren gestrichen (was mit dem Kurzhaarschnitt wegfällt) oder als Mähne zurückgeworfen.
Sprache der Haare
Man fummelt an Locken rum, dreht an Haarsträhnen: „Hey, ich bin interessiert!“. Eine Flirtbereitschaftsgeste genauso wie das „Zurückschütteln“ der Haare – wodurch ein Stück Haut preisgegeben wird. Wie bedeutungsschwanger, da geht was: „Das Wegschieben eines Ponys wird als Wegräumen einer Barriere interpretiert“, so Anka Schmid und Bernd Müllender im Buch „Haarig!“. Es heißt auch, dass das „Durch-die-Haare-Fahren“ ein Ersatz-Streicheln sei. Sogar Männer lassen ihr Haupthaar sprechen: Vielleicht nicht wissenschaftlich belegt, aber schon mal gesehen, was manche Herren tun, wenn sie um eine Frau herumgockeln? Sie fummeln an ihren Haaren herum, streichen sie zurück, kratzen sich. Und selbst „Männer mit Glatze streichen schon mal mit der flachen Hand über die nicht vorhandene Frisur. Auch das vermutlich mit sexualisierender Komponente“, so Schmid und Müllender.
Haare können Teil des Akts werden, in welcher Form auch immer. „Langes, lockeres Haar wurde mit Zügellosigkeit, Sexualität, geistiger Freiheit, friedlicher Rebellion und Kreativität assoziiert; kurzes straffes Haar mit Disziplin, Selbstbeherrschung, Tüchtigkeit, Anpassungsfähigkeit und Selbstbewusstsein“, schrieb der Verhaltensforscher Desmond Morris. Eine Steilvorlage für Rollenspiele. Beim Sex dem anderen mit den Haaren über die Haut zu streichen, bis es nicht mehr auszuhalten ist – gar nicht so übel. Und so ein bissel aus der Soft-S/M-Ecke kommt der Tipp, ihn mit einem straff gebundenen Pferdeschwanz dezent zu „bestrafen“.
Manche mögen mehr: „Trichophilie“ heißt das, wenn Haare im Mittelpunkt erotischer Fantasien stehen und man darauf fixiert ist. Die „Verehrung von Haaren aller Art, Beschaffenheit und Farbe“ gilt als Fetisch. Der kann, in besonders ausgeprägter Form, heikel werden, wie ein Fall aus Kalifornien zeigt: Im Jahr 2002 wurde ein Mann verhaftet, weil er zehn Frauen mit der Schere die Haare vom Kopf geschnitten hatte. Er landete für acht Jahre im Gefängnis. Jetzt kommen Verehrer ausgeprägter Haar-Prachten zumindest in den Sozialen Medien auf ihre Kosten: Das Instagram-Konto „longhair_obsession“ – hat immerhin 73.000 Abonnenten. Zum Haareraufen.
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