Gehirnduell

Bis kommenden Dienstag duellieren sich in Seoul Mensch und Maschine.
Eine Million Dollar als Prämie im Kampf Mensch gegen Maschine. MICHAEL HOROWITZ über Googles Geschäft der Zukunft – mit künstlicher Intelligenz, die die Welt verändern wird.

Das Match Mensch gegen Maschine. Um eine Million Dollar Preisgeld. Ein Wettkampf, wie es ihn zuvor kaum gegeben hat: Ein Großmeister des asiatischen Strategiespiels Go kämpft gegen ein Computerprogramm, dessen Software für eine neue, revolutionäre Phase in der Evolution der künstlichen Intelligenz (KI) sorgt. An diesem Wochenende und am kommenden Dienstag duellieren sich in Seoul der beste Go-Spieler seiner Generation, Lee Sedol, 33, und eine Software, die durch sogenanntes tiefes Lernen seine unglaubliche Spielstärke erreicht. Im Google DeepMind-Channel werden die Partien, die für das Match Mensch gegen Maschine richtungsweisend sein werden, auf YouTube übertragen.

Das Schlachtfeld ist ein Brett mit 19 x 19 Spielfeldern. Gegen Lee Sedol tritt im Go-Wettkampf der Programmierer Aja Huang an: Doch er ist nur der Handlanger des Computerprogramms, das ihm vorgibt, wie er die Steine platzieren soll. Das uralte chinesische Brettspiel Go, das weltweit von rund 50 Millionen Menschen gespielt wird, gilt immer noch – anders als Schach – als eines der letzten Bollwerke des menschlichen Geistes. Dieser soll jetzt beschämt werden.

Es ist nicht das erste Duell Mensch gegen Maschine: Bereits im Mai 1997 besiegte der IBM-Computer Deep Blue den Schachweltmeister Garri Kasparow – ein Duell, bei dem der Superrechner nur viele Züge im Voraus berechnen und anhand vorgegebener Regeln auswerten konnte. Doch das Match des weltweit besten Go-Spielers Lee Sedol gegen AlphaGo, ein Computerprogramm, das längst Großmeisterniveau erreicht hat und schon fast wie ein Mensch spielt, sprengt alle Dimensionen. Und ist mit dem Schachduell vor knapp 20 Jahren nicht zu vergleichen. AlphaGo spielte vor dem jetzigen Duell viele Millionen Partien gegen Varianten seiner selbst, um festzustellen, welche Strategien am erfolgreichsten sind.

Erinnerungen an Dr. B. aus Stefan Zweigs Schachnovelle werden wach: Als einzigen Weg aus der geistigen Leere, als Überlebenschance in der Isolationshaft, lässt Dr. B. seine beiden Gehirnhälften Partien gegeneinander spielen. AlphaGo ist Zweigs Schachgenie weit voraus. Während eines Jahres schafft ein Schachspieler maximal ein- bis zweitausend Partien – der Computer braucht dafür nur Sekunden. Ohne jemals – wie der Mensch – müde zu werden.

Googles DeepMind-Superhirn, der britische Neurowissenschaftler Demis Hassabis, kann auf eine einzigartige Karriere zurückblicken. Bereits als Kind programmierte er Computerspiele, mit 13 war er einer der weltbesten Schachspieler seines Alters. Vor sechs Jahren gründete der Sohn von Einwanderern aus Zypern und Singapur sein Unternehmen DeepMind, in dem er das lernfähige Spieleprogramm AlphaGo entwickelte. Zunächst fütterte er die Software mit 30 Millionen Zügen aus einer Go-Datenbank. Daraus leitete das Programm automatisch Gewinnregeln ab, denen jeder Zug folgen muss. Gab es mehrere alternative Züge, entschied die künstliche Intelligenz, wie man zum Sieg kommt – inspiriert vom Lernverhalten des menschlichen Gehirns. Der entscheidende Vorteil im Duell gegen den Menschen ist, dass das Programm Tag und Nacht Millionen, gar Milliarden Partien spielen kann, auch gegen sich selbst.

Vor zwei Jahren verkaufte Demis Hassabis DeepMind für mehrere Hundert Millionen Dollar an Google. Der Suchmaschinenkonzern wittert das große Geschäft für die Zukunft. Denn die Schemen, mit denen die Software schon jetzt arbeitet, könnten in einigen Jahren die Welt verändern: Vordergründig geht es beim aktuellen Kampf in Südkorea um eine Million Dollar Preisgeld. Doch es geht um viel mehr: Um den Beweis, was künstliche Intelligenz leisten kann. Es geht um die für viele beängstigende Vision, dass Maschinen schlauer als Menschen sein werden. Und diese Computer mit künstlicher Intelligenz zum Beispiel in die Hände von Militärs gelangen könnten. Hassabis ist sich der Befürchtungen bewusst: Die wichtigste Bedingung vor dem Verkauf an Google war, dass sein Computerprogramm nie von Militärs oder Nachrichtendiensten verwendet werden darf …

michael.horowitz@kurier.at

Kommentare