Faszination Salzkammergut: Abkühlung mit Starfaktor und Stil
Wenn das der Kaiser gewusst hätte! Unserer – und auch der von China. Bei der Konditorei Zauner bestellen Asiaten die Melange fast schon auf Deutsch. Und in Hallstatt fehlt nicht viel, dass man den Saibling mit Stäbchen isst. Willkommen im seenreichsten Gebiet Österreichs. Sayonara im Salzkammergut!
Im Herzen Österreichs
Während wir noch denken, wir müssen uns was von der Welt anschauen, kommt die Welt zu uns. Und das ist wörtlich zu nehmen. Bad Aussee im Herzen des steirischen Salzkammerguts bildet den geografischen Mittelpunkt Österreichs. Beim Narzissenfest vor zwei Wochen fielen Exoten als Zaungäste kaum auf. Ein bisschen weiter oben, in Hallstatt, machen sie das schon eher.
10.000 Touristen am Tag
Seit das pittoreske Örtchen in atemraubender Hanglage im Jahr 1997 von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt wurde, verstehen die Einwohner die Welt nicht mehr. „Wir sind nur 800“, schüttelt die Dame an der Kassa im Museum den Kopf, „und in der Hauptsaison werden bis zu 10.000 Touristen durchgeschleust.“
Gut für die Souvenirhändler. Sie können Gästen aus Korea und China großzügig eine Dose „Bad Ischler Kristallsalz“ als Delikatesse anbieten, während wir Einheimischen blauäugig dem vermeintlich wesentlich würzigeren Himalaya-Salz hinterherhecheln.
Heimat unter der Lupe
Was wir daraus lernen: Wir sollten unsere Heimat genauer unter die Lupe nehmen. Viel genauer. Es hat nämlich schon seinen Grund, warum es anderen hier gar so gut gefällt. Besonders im Salzkammergut. Und das schon seit Langem. „Rom war noch nicht gebaut, als Hallstatt bereits Weltgeltung als Handelspartner hatte“, weiß etwa Literat Alfred Komarek.
Als Aufsichtsratvorsitzender der Salinen AG kann Hannes Androsch, der „Salzbaron“ aus Floridsdorf, das nur unterstreichen. „Gemessen an der 7000-jährigen Geschichte des Salzabbaues sind 40 Jahre nur ein Wimpernschlag“, verkündete der frühere Finanzminister jüngst beim runden, kleinen Jubiläum der Saline an ihrem jetzigen Standort in Ebensee, Wie auch immer, man reißt jedenfalls ein Aug’ auf, wenn man vor Ort ein paar Histörchen aufschnappt, die das Salz in der Geschichte des Salzkammerguts ausmachen. Jenes vom Erzherzog Johann etwa, der sich ausgerechnet in Bad Aussee in die Postmeisterstochter verschaut hat.
Am Grundlsee verliebt
Oder der Finanzjongleur Camillo Castiglioni. Er hat sich am Grundlsee in eine direkt am Wasser liegende Villa verliebt, trotzdem aber wenig später sein ganzes Kapital vergeigt. Oder Nobelhotelier Charles Ritz. Der passionierte Fliegenfischer pflegte seine Leidenschaft an den Ufern der Traun zu stillen, des Hauptflusses des Salzkammerguts, das er einmal als „Juwel Mitteleuropas“ bezeichnet hat.
Bevor die ersten Automobile durch die Voralpen tuckerten, waren es die Pferdeeisenbahn und die Dampflokomotive, die den vormals abgelegenen Teil Österreichs zugänglich machten. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Salzkammergut zum sommerlichen Sehnsuchtsgebiet für den Adel, dessen Gefolge und andere Privilegierte. Schenkt man Zeitzeugen Glauben, lebte Kaiser Franz Josef in und um Bad Ischl erst richtig auf.
In den vielen Jahrzehnten, die er hier verbrachte, sprach sich das herum. Alsbald diente die gesamte Region als Inspirationsquelle für Dichter, Denker und sonstige Künstler. Lebenskünstler sowieso. Ein wenig Namedropping gefällig?
Von Brahms bis Popper
Vom Schriftsteller Friedrich Torberg bis zum Komponisten Johannes Brahms, vom Nervenarzt Sigmund Freud bis zum Sozialphilosophen Karl Popper – sie alle suchten in Österreichs „zehntem Bundesland“ Ruhe und Erholung. Einige von ihnen waren echte Wiederholungstäter. Gustav Klimt zum Beispiel.
In der Malerkutte am Badesteg
Zwischen 1900 und 1916 verbrachte der prominenteste Vertreter des Wiener Jugendstils jeden Sommer am größten See Österreichs, dem Attersee. Und das nicht etwa zum Nichtstun.
Der Mann hinter dem weltbekannten „Kuss“, der am Attersee zwischen Wiesen und Badesteg in einer Malerkutte hin- und herhuschte, fertigte dort 45 seiner insgesamt 50 Landschaftsbilder an. Bei uns galten sie lange Zeit als nicht gar so bedeutsam. Am internationalen Kunstmarkt hingegen waren Gemälde wie „Waldabhang in Unterach am Attersee“ oder der „Bauerngarten“ in den vergangenen Jahren gefragt wie nie.
Der veredelte Garten wurde vor zwei Jahren bei Sotheby’s in London um eine Rekordsumme versteigert. Für mehr als 50 Millionen Euro ging diese seither teuerste Attersee-Landschaft von Gustav Klimt an einen vermutlich russischen Käufer.
Eine Auktion wie diese zeigt das Salzkammergut und seine vielen grün- bis türkisblauen Seen natürlich von seiner besten Seite. Weltweit.
Die Villa der Fürstentochter
Man sieht das an der Herkunft seiner Besucher. Wobei Russen ja kein Neuland für das Salzkammergut sind. In Traunkirchen am Traunsee etwa kennt man seit Mitte des 19. Jahrhunderts die so genannte „Russenvilla“.
Ringstraßenarchitekt Theophil Hansen hat sie geplant – nicht für eine Oligarchen-, sondern eine Fürstentochter: Sophie Pantschoulidzeff.
Zahlreiche Promis gingen hier ein und aus, unter anderem der nachmalige Kaiser von Mexiko, Erzherzog Maximilian, der Pianist Anton Rubinstein sowie die Dichter Rainer Maria Rilke und Adalbert Stifter. Heute befindet sich das Haus in Privatbesitz.
Macht nichts. In der Villa Paulick in Seewalchen steht der Spurensuche nichts entgegen. Einst waren Gustav Klimt und sein Lebensmensch Emilie Flöge zu Gast, heute versucht das Gustav-Klimt-Zentrum dem alten Salzkammergut-Geist hier wieder etwas Leben einzuhauchen – unter anderem mit Lesungen von Karl Markovics Mitte Juli.
Kaiserwetter am See
Es gibt jedenfalls genügend Gründe, um zur Sommerfrische ins Salzkammergut zu reisen. Einer davon ist, dass sich - wie Ernst Kammerer vom Tourismusverband Ausseerland so trefflich formuliert - "das Gefühl gelungener Erholung nicht mehr über Entfernung definiert." Wer sich beeilt, schafft’s also noch bis morgen zum Saiblingsfest. Wenn dann noch Kaiserwetter herrscht, steht einem perfekten Ferientag nichts im Weg. Und einem Ausflug auf dem restaurierten Motorfahrgastschiff „Rudolf“ aus dem Jahr 1903.
Sebastian, Matrose der vormaligen „Fürstin Kinsky“, lächelt vielsagend, als wir an Bord gehen: „Früher war das ganz wenigen vorbehalten. Und jetzt können wir uns hier alle wie die Kaiser fühlen.“
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