Die Tücken bei der Schulanmeldung
Mit ihrem ersten Termin in der Direktion fängt derzeit für rund 85.000 Kinder die Schulkarriere an. Alle Eltern haben dafür einen Brief mit Anweisungen erhalten. Eine erste Hürde, kritisiert Mutter Petra P.: „Die Infos waren verwirrend und ich musste ihn mehrfach durchlesen. Aber immerhin gibt es ihn in mehreren Sprachen.“
Am Land haben Familien weniger Auswahl, aber in Wien sorgt die Schulbewerbung für Kopfzerbrechen bei den Eltern, beobachtet Schul-Profiler Gerhard, der Familien bei der Wahl der passenden Schule unterstützt: „Hier gibt es große Unterschiede zwischen den Schulen, und Eltern haben Angst, dass sie eine falsche Entscheidung treffen. Aber die perfekte Schule gibt es nicht. Man muss sich überlegen, was einem wichtig ist und was zum Kind passt.“
KURIER Family - Schulprofiler Gerhard Patzner Volksschule
Bei manchen Schulen in Wien melden sich viel mehr Bewerber, als es Plätze gibt, weiß er. „Wir haben eine Wunschschule, aber eine andere wäre näher bei unserer Wohnung. Und eine befreundete Familie hat eine einzige Schule im Bezirk, wo sie ihr Kind gerne hinschicken würden. Alles andere wäre problematisch für sie“, erzählt Mutter Petra. Doch anmelden kann man sich nur in einer Schule. Besonders Schulen mit Ganztagsbetreuung sind begehrt, aber rar.
Ausschlaggebend für die Zuteilung sind die Nähe zum Wohnort und Geschwisterkinder, nicht das Abschneiden beim Erstgespräch, betont Patzner. „Je länger Sie nichts hören, desto besser. Die Absagen von der Bildungsdirektion kommen zuerst – mit der Information über einen neuen Schulplatz.“ Bis Mai kann es dauern, dass man die Bestätigung in der Wunschschule bekommt, eine schier endlose Wartezeit.
Aber der Zug ist auch nicht abgefahren, wenn es nicht die Schule der ersten Wahl wird. Patzak: „Geben sie der anderen Schule eine Chance und reden Sie mit den Pädagogen. Und wenn es gar nicht passt, wenden Sie sich an die Bildungsdirektion, der Kontakt ist im Informationsbrief angegeben. Jeder will ja das Beste für Ihr Kind.“ Das hat auch Petra in ihrem Freundeskreis erlebt: „Letztlich hat jeder seine Wunschschule bekommen.“
Was ändert sich?
Für Unsicherheit bei Eltern sorgte jetzt das Gerücht, dass sich das Entscheidungsprozedere bei der Vergabe des Schulplatzes ändert. „Stimmt nicht“, widerspricht Matthias Meissner von der Wiener Bildungsdirektion, „die Einscheidung, in welcher Schule ein Kind den Platz bekommt, hat nie ein Direktor alleine getroffen, das geschieht immer mit der Bildungsdirektion. Das einzig Neue ist, dass ein Teil der Schulen mit der Schulreife-App beginnt, mit der die Kinder auf ihre Schulreife getestet werden. In Wien sind das 10 bis 15 Prozent der Schulen, erst ab nächstem Jahr ist es für alle vorgesehen“ (Lesen Sie mehr dazu hier unten).
Bei der Einschreibung geht es darum, die „Schulfähigkeit“ der schulpflichtigen Kinder festzustellen. Bisher wurden die Erstklässler je nach Bundesland sehr unterschiedlich als nicht schulreif beurteilt: Im vergangenen Jahr war es ein einziges Kind im Burgenland, aber 20 Prozent in Vorarlberg und 24 Prozent in Salzburg. Da geht es um Faktoren wie Feinmotorik, sprachliche Ausdrucksfähigkeit oder zahlenbezogenes Verständnis. Niemand erwartet von einem Kind, dass es schon rechnen kann, so Patzner: „Das Kind bekommt ein paar Stifte und dann werden welche hinzugefügt. Ist das weniger oder mehr?“
Je nach Schule unterschiedlich werden die Kinder in einer Kleingruppe beobachtet oder im Einzelgespräch mit einer Lehrerin, weiß Patzner. Das kann für Eltern eine Herausforderung sein, weiß er aus eigener Erfahrung: „Mein Sohn sollte vier Bilder eine Geschichte in die Reihenfolge bringen und dann erzählen. Er fand es lustig, eine ganz schräge Reihenfolge und Geschichte zu konstruieren. Ich bin schon ganz nervös geworden, aber die Pädagogen haben damit natürlich Erfahrung.“
Auch eine andere Mutter erlebte das als Stressmoment: „Mein Sohn ist sonst ein Quatschkopf, aber beim Gespräch mit dem Direktor hat er kaum ein Wort herausgebracht.“
Patzner betont, dass die Eltern im Vorfeld nicht zu viel Druck erzeugen sollten: „Sagen Sie Ihrem Kind, dass die Schule es gerne kennenlernen möchte und sehen will, was es schon alles kann.“ Er betont, dass es beim Einschreibungstag nicht nur um die Kinder geht: „Die Schule will auch die Eltern kennenlernen.“ Das hat auch Petra P. beim Tag der Offenen Tür in ihrer Wunschschule so empfunden: „Die Direktorin hat gesagt: Bringen Sie alle notwendigen Unterlagen mit. Das schaffen nicht alle Eltern – und damit hinterlassen sie keinen guten Eindruck.“
Neue App zum Schulreife-Test ist noch umstritten
Nach längeren Vorbereitungen wurden die Kriterien für die Schulreife österreichweit vereinheitlicht und in einer Test-App zusammengefasst, die bereits für Kritik sorgte: Die Kleine Zeitung berichtete über Fünfjährige, die bei dem Test am Tablet zu weinen begannen. Heuer wird das Screening, das die Unis Wien und Graz entwickelten, an einigen Pilotschulen umgesetzt, ab dem nächsten Schuljahr soll es flächendeckend eingesetzt werden.
Aufgebaut ist die App rund um die Koboldin „Poldi“ als Computerspiel im Zauberland, in dem die Kinder Aufgaben rund um Sprachlaute, Mengenverständnis und Schreibbewegungen lösen und dafür Schlüssel sammeln. Nach 20 Minuten gibt das System eine Empfehlung ab, ob das Kind vermutlich dem Unterricht ohne zusätzliche Unterstützung folgen kann. „Die Letztentscheidung, ob das Kind aufgrund seines Sozialverhaltens schulreif ist, treffen die Pädagogen“, wurde im Ministerium betont.
Entwicklungspsychologin Karin Landerl von der Uni Graz verteidigte den Test: „Das Screening vermittelt nicht, was ein Kind können muss. Wir wollen herausfinden, wer dem Unterricht in der ersten Klasse folgen kann, und was es dazu braucht, wenn das nicht der Fall ist.“ Außerdem werde der Test noch angepasst.
Schulpflicht und -reife
Als schulpflichtig gelten alle Kinder, die bis zum 31. August 2020 ihren 6. Geburtstag feiern.
Aus dieser Gruppe werden die nicht schulreifen Kinder herausgefiltert, denen die „schulischen Vorläuferfähigkeiten“ fehlen und die dem Unterricht vermutlich nicht folgen können. Sie werden in einer Vorschulklasse oder ersten Klasse nach einem eigenen Lehrplan unterrichtet.
Wer sich in einer anderen Sprache als Deutsch gut ausdrücken kann, kommt in die erste Schulstufe mit Deutschklasse.
Kinder, die zwischen 1. September 2020 und 31. März 2021 sechs werden, können um eine frühere Einschulung ansuchen („Dispens-Kinder“).
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