Was steht auf dem Stundenplan der Zukunft?
Seit Jahren wird in Österreich über die tägliche Turnstunde diskutiert. Alle Experten sind sich einig, dass sie gebraucht wird, aber nichts geschieht. Jetzt zeigen Italien und Großbritannien vor, wie man Zukunftsthemen auf den Stundenplan setzt. Auch wenn in Österreich die alten Lehrpläne endlich durchforstet werden, stehen die Stundenaufteilungen nicht zur Debatte.
Ein Fehler, findet Franz Rauch, Professor für Schulentwicklung in Klagenfurt. Er möchte die Fächerdiskussion größer denken: "Wenn man Lernfelder wie Sprachen, Naturwissenschaften oder Kunst definiert, schafft man mehr Flexibilität. Das war eine Überlegung bei der Neuen Mittelschule und so wird es im anglo-amerikanischen Raum gemacht."
Ständig werden Themen für den Stundenplan vorgeschlagen, um gesellschaftliche Probleme zu lösen: Ethik, Ernährung, Benehmen, Konsumentenschutz.
Doch man müsse das System verändern, so Rauch: "Sonst leuchtet ein Leuchtturm-Projekt und dahinter ist es dunkel." Umwelt sei seit Langem als Querschnittsthema vorgesehen, aber bisher wenig behandelt worden.
Philosoph Bernhard Köhle macht Workshops in Klassen. Ihm fehlt der Gedankenaustausch in der Schule: "Die Wirtschaft meldet, dass sie dringend sozial kompetente Menschen braucht".
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Der KURIER hat sich sieben Projekte angesehen:
Achtsamkeit
Großbritannien will mit einem neuen Fach der steigenden Anzahl an Kindern mit Stresssymptomen wie Schlafproblemen und Depressionen vorbeugen. 370 Schulen nehmen an dem größten Mentalgesundheitsprojekt der Welt teil und lehren die Kinder Entspannungsübungen, Reflexion und Emotionsmanagement. Für Projektleiterin Jessica Deighton ist klar: "Es soll Schülern nicht nur kurzfristig ein gutes Gefühl geben, sondern sie besser für das Leben ausrüsten.“
In Deutschland hat die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ein Lehrer-Handbuch für die fünfte bis neunte Schulstufe mit Übungen rund um Achtsamkeit und respektvollen Umgang erstellt. Mehr als 15 Experten bieten den Lehrern darin so praxisnahe Tipps, dass man Stress und Mobbing im Ansatz verhindern könnte – würden die Themen in jeder Klasse umgesetzt werden.
Glück
Die Volksschule in Zwölfaxing (NÖ) hat das Schulfach "Glück" auf den Stundenplan gesetzt. Alle zwei Wochen kommt eine Trainerin in die dritten und vierten Klassen und übt es mit den Kindern. Auch sonst geht die Schule neue Wege: So stellt sie in ihrer "Bläserklasse" das gemeinsame Musikmachen mit Flöte, Saxofon & Co. in den Vordergrund. Selbst überrascht war die Schule vom großen Interesse an den unverbindlichen Übungen "Chorgesang" und "Kreatives Gestalten".
Selbstverantwortung
Kaiserin Maria Theresia wollte durch die Schulpflicht gute Soldaten erziehen. Doch spätestens seit der Reformpädagogin Maria Montessori um 1910 weiß man, dass Lernen besser funktioniert, wenn man Schülern keine Befehle, sondern Verantwortung gibt. Das probiert jetzt etwa die HTL 1 in der Linzer Goethestraße: Dort holen sich die Schüler in den Hauptfächern ihre Lernaufträge und erarbeiten sie selbstständig. Viel angenehmer, findet Schülerin Johanna Halbartschlager: "Mir gefällt am ,Lernbüro’, dass wir nach unserem Lerntyp und in unserem eigenen Tempo lernen. Und dass wir mit Freunden zusammen den Stoff ausarbeiten können."
Umwelt
Als erstes Land weltweit führt jetzt der italienische Bildungsminister das Fach "Klimawandel" ein. Eine Stunde pro Woche werden sich Kinder aller Altersgruppen mit dem Thema beschäftigen. Da könnten sie sich jetzt Gedanken über die Überschwemmungskatastrophe in Venedig machen, aber es geht erst ab kommendem Jahr los. Aufgefallen war der Minister aus der Protestbewegung "5 Sterne" bereits, als er den Schüler erlaubte, zu den Freitags-Klimaprotesten statt in die Schule zu gehen. In Österreich ist das Thema Umwelt seit langem ein "Unterrichtsprinzip", das in verschiedene Fächer einfließen sollte.
Zukunft
Die neue Quinoa-Mittelschule im Berliner Problembezirk Wedding lässt mit einem ungewöhnlichen Schulfach aufhorchen: Zukunft. Dort machen sich die Kinder vor allem aus sozial schwachen Familien Gedanken, wie es für sie später weitergehen soll, und bekommen dafür persönliche Unterstützung. So machen sie etwa ein Berufspraktikum, das hier vor- und nachbereitet wird. Für weitere vier Jahre nach dem Abschluss bekommen sie einen Mentor zur Seite gestellt. Damit es mit der Zukunft später besser klappt.
Coding
Passend zur Zukunft haben Großbritannien, Finnland, Belgien, Frankreich und natürlich Japan das Thema "Computer" schon bei den Kleinen auf den Stundenplan gesetzt. Derzeit wird im Ministerium an einem Schulfach "Digitale Bildung" gearbeitet, mehrere hundert Schulen nehmen an der Pilotphase teil. Verpflichtend wird es noch einige Zeit nicht sein: Die Umsetzung der Maßnahmen in den Schulen wird bis 2023 angestrebt. Initiativen wie das DaVinciLab bemühen sich bereits, in Projekten das Interesse an Computerthemen zu schaffen. Viele Schulen preschen vor: Etwa die NMS Rust bietet das Schulfach "Robotik" an.
Kreativität
Werbeprofi Dennis Lück (Agentur Jung von Matt) setzt sich in der Schweiz für mehr Kreativität in der Bildung ein und denkt visionär. 6.000 Lehrern erzählte er von seiner Idee der Super-Fächer, in die alle Lehrinhalte einfließen sollten: Kreativität, Inspiration, Zusammenhänge, Logik, Kollaboration und Kommunikation. Am Ende schlug er ihnen ein Manifest mit 15 Positionen vor, eine klingt utopischer als die andere (hier finden Sie alle 15 Thesen). Etwa: "Unsere Kinder sollen die Zusammenhänge der Welt verstehen können."
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