Joghurt aus Holzkohle
Holz und gutes Essen – zwei große Leidenschaften begleiten den gebürtigen Wiener sein Leben lang: Zuerst absolvierte Cisar-Erlach die Matura mit Tischler-Lehre, dann studierte er Waldökologie an der Boku und schließlich schrieb er sich an der Slow Food-Uni im Piemont ein.
Als er für seine Abschlussarbeit zum Thema Whiskey und Eichenfässer forschte, fiel ihm auf, wie wenig man über den Geschmack und Duft von Holz in Studien und Fachliteratur fand. Und wieso immer Eiche, wie würden sich andere Holzarten auf Whiskey auswirken? Oder warum Buche, um Fleisch zu räuchern? Für seine Recherchen bewegte sich der Austro-Kanadier nicht nur über zahlreiche Landesgrenzen hinweg – er versuchte auch, alle Spezialitäten selbst nachzukochen: „Eines der spannendsten Produkte, die ich entdeckt habe, ist ein kenianisches Joghurt aus Asche. Es entstand durch ein Leben mit Extremen – in Kenia herrschen extreme Trockenheit, aber auch extreme Regenzeiten. Obwohl das Land eine starke Hirtenkultur kennt, gab es dort nie eine Käsekultur. Dennoch fanden die Hirten eine Methode, Milch haltbar zu machen.“ Mithilfe von Asche aus dem Holz des Cromwo-Baums (Plattbeerenstrauch), entsteht ein grau-blaues Joghurt, das bis zu sechs Monate trotz Hitze frisch bleibt. Wonach es schmeckt? „Wie griechisches Joghurt, nicht so säuerlich.“
Der junge Schriftsteller schildert in seinem soeben auf Deutsch erschienenen Buch „Der Geschmack von Holz“, wie er in seiner Küche versucht, das Aschejoghurt selbst herzustellen. Es sind seine Experimente mit Spreewald-Gurken, Holzofen-Pizza oder sein Biss in Rinden, sein Scheitern und seine Entdeckungen, die das Buch so lesenswert machen.
Superfood
Wie er sich erklären kann, warum wir so wenig über die Wirkung von Holz auf Lebensmittel wissen? „Das Wissen ist teilweise verloren gegangen oder ersetzt worden. Holz hatte früher die gleichen Funktionen wie heute Plastik: Alles ist darin transportiert worden – angefangen von Nägeln bis zu eingelegtem Hering. Letztlich war auch die Steinzeit eine Holzzeit. Vor allem Rezepte aus Krisenzeiten wie das Hungerbrot, das mit Sägespänen gestreckt wurde, dokumentieren altes Wissen.“ Wie der Autor festhält, wird das Wissen oft versteckt eingesetzt: So wird kalorienarme Zellulose – ein Abfallprodukt in der Papierherstellung – von der Lebensmittelindustrie für mehr Volumen und längere Haltbarkeit von Lebensmitteln eingesetzt.
Wie man sich den Alltag von Cisar-Erlach vorstellen darf? „Ich frage mich ständig bei Spaziergängen durch den Wald, wie dieses Blatt oder jene Rinde schmeckt. Gerade heuer, wo viele Österreicher zu Hause bleiben, bietet sich ein Spaziergang durch den Wienerwald mit offenen Augen an.“ Und dann heißt es, probieren.
An Rinden muss man aber nicht nagen: „Es reicht, wenn man die weiche Schicht darunter kostet, das sogenannte Kambium. Ein Superfood, das große Mengen Kohlenhydrate, Vitamine, Ballaststoffe und Mineralien enthält.“ Die Tradition, Kambium als Nahrungsmittel zu verwenden, wurde von indigenen Völkern in Kanada für die Zubereitung von Kuchen oder den indigenen Samen in Skandinavien praktiziert. Letztere nahmen dieses wegen seines hohen Vitamin-C-Gehalts als Schutz vor Skorbut zu sich.
Was alle Baumarten eint, ist eine leichte Bitterkeit im Geschmack, die an Rhabarber, Manuka-Honig, grünen Salat oder grüne Kartoffeln erinnert. Ciser-Erlachs Empfehlung? Frisches Birken-Kambium in der Pfanne kurz anbraten: Dadurch schmeckt es nicht mehr nach Salat, sondern süß und nach Stärke – eine Alternative zu Chips.
Kommentare