Dieser Mann ist Herr über Österreichs Apfelsorten
Dass es in der Bevölkerung eine große Sehnsucht gibt, den alten Apfelbaum im Garten bestimmen zu lassen, beweisen gut besuchte Obstausstellungen. Aber wer kann heutzutage noch Apfelsorten und ihre wichtigsten Eigenschaften richtig benennen? Damit dieses Wissen angesichts von Bedrohungen wie Überalterung der Bäume und Klimawandel nicht verloren geht, hat Pomologe Siegfried Bernkopf ein Nachschlagewerk für Laien (300 Obstsorten, Trauner Verlag) geschrieben.
KURIER: Frühere Generationen erinnern sich gerne an die Klaräpfel: Welche Apfelsorte ist die Sorte Ihrer Kindheit?
Siegfried Bernkopf: Ich bin nach dem Krieg in einem obersteirischen Dorf aufgewachsen. Das Klima war dort für Tafelobst zu rau. Ich durfte als Kind meinen Vater begleiten, wenn er jeden Herbst zu einer Obstbäuerin südlich von Graz fuhr. Wir ernteten dort die Sorten Maschanzker und Schafnase und lagerten die Äpfel im Erdkeller bis in das späte Frühjahr hinein.
Sie beschreiben 300 Obstsorten, davon 138 Apfelsorten: Wie stark unterscheiden sich Sorten innerhalb der Bundesländer?
Boden und Klima haben einen wesentlichen Einfluss auf Reifezeit und Geschmack. Apfelbäume werden auf Unterlagen unterschiedlicher Wüchsigkeit veredelt. Die Vielfalt der verwendeten Unterlagen ist maßgeblich beteiligt an der Ausprägung der Sortencharakteristika. Wenn sich also Sorten auf Standorten unterschiedlich verhalten, kommen viele Gründe dafür in Betracht. Ich habe im Laufe von fast 40 Jahren sicher Hunderte Fruchtmuster aus mehreren Bundesländern der weit verbreiteten Apfelsorte „Kronprinz Rudolf“ gekostet und stellte fest, dass die Muster aus dem oststeirischen Raum das sortenspezifisch ausgeprägteste Aroma aufwiesen. Diese Sorte ist ja um 1860 in Gleisdorf entstanden. Es gibt aber Sorten, die in einer bestimmten Region besonders gut gedeihen, wobei deren eigentliche Herkunft eher keine Rolle spielt.
Wie viele Sorten erkennen Sie nur am Geschmack?
Von den Apfelsorten nicht mehr als etwa zehn. Mein Geschmacksempfinden ist nur von durchschnittlicher Qualität. Bei einer Sortenbestimmung bedarf es aller Sinne.
Sie schreiben, dass das goldene Zeitalter der Pomologie im 19. Jahrhundert war: Für wen eignet es sich heute?
Die im Buch angesprochene „klassische“ Züchtung – Aussäen möglichst vieler Samen und Selektion der hochgezogenen Sämlinge – habe ich schon mehrfach praktiziert. Es ist ein Lotteriespiel, ob geschmacklich gute Tafelobstsorten dabei entstehen. Beim Steinobst wie bei Marillen und Pfirsiche sind die Chancen größer. Ich würde mir eher wünschen, dass Besitzer eines Haus- oder Streuobstgartens Bäume seltener und gefährdeter Sorten auspflanzen und auf bestehende Bäume weitere Sorten veredeln, wobei auf die Vielfalt von Sortensammlungen zurückgegriffen werden könnte.
Stimmen Herkunftsangaben im Namen mit der tatsächlichen Herkunft überein?
Was die Herkunftsfrage betrifft, so müssen uns wir Pomologen auf die Literatur verlassen, die nicht immer fehlerfrei ist. Es kann sein, dass in Deutschland um 1830 auf einem uralten Apfelbaum eine unbekannte Apfelsorte aufgefunden wurde und anschließend von einem deutschen Pomologen beschrieben worden ist. Der Auffindungsort gilt dann oft auch als Herkunftsort. Dies trifft auch auf die Sorte „Schöner von Boskoop“ zu. Tatsächlich könnte eine solche Sorte schon 100 Jahre früher unter einem anderen Namen in Frankreich existiert haben. Bei Tausenden Apfelsorten in Europa ist eine hundertprozentige Sicherheit bei Herkunftsangaben nicht möglich.
Sie kommen aus Oberösterreich, gerade in den letzten Jahren wird viel getan, um Streuobstwiesen zu erhalten. Wie geht es Österreichs Streuobstbäumen?
Relativ schlecht. Überalterung und schlechter Pflegezustand der Bäume, Klimawandel, Krankheiten, zu wenige Neupflanzungen und vieles mehr fällt mir hier ein.
Stichwort Klimawandel: Haben Sie einen Apfelsorten-Tipp für einen Hitze-geplagten Garten im Osten?
Wie widerstandsfähig ein Obstbaum gegenüber Hitze ist, hat mit Ausnahme von Sonnenbrand auf den Früchten mit der Sorte an sich wenig zu tun, sondern mit der Unterlage, auf der eine Sorte veredelt wurde. Schwachwüchsige Unterlagen haben ein stärker reduziertes Wurzelsystem, das weniger Wasser aus dem Boden aufnehmen kann. In trockenen Regionen sollten nur Bäume auf starkwüchsigen Unterlagen ausgepflanzt werden.
Besonders bekannt sich Sorten wie Granny Smith oder Golden Delicious: Sie schreiben, dass ausgerechnet im Plantagenobstbau auf krankheitsanfällige Sorten gesetzt wird. Warum ist das?
Im Plantagenobstbau ist die hohe Produktivität wichtig, die bei den genannten Sorten in hohem Maße gegeben ist. Dabei wird die höhere Krankheitsanfälligkeit in Kauf genommen, weil ja die Bäume ohnedies 20 Mal und öfter gespritzt werden.
Buch-Tipp: Siegfried Bernkopf, 300 Obstsorten, Trauner Verlag, 34,90 Euro
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