Entdeckungsreise durch das echte Neapel
Wer mit Amedeo Colella durch Neapel spaziert, bekommt schnell das Gefühl, die Stadt sei das Zentrum der Welt und Wiege der wenn schon nicht westlichen Kultur, so doch zumindest Esskultur. Colella, der sich selbst „der König von Neapel“ nennt, veranstaltet kulinarisch-historische Spaziergänge und liebt seine Heimat heiß. Das Schönste, Beste, Tollste der Welt gibt es hier, vom Kaffee über Eis, Pizza, Pasta bis hin zu Theater oder Architektur.
Altstadt im Schachbrettmuster
Gern erzählt er, dass die französische Küche eigentlich aus Neapel und seinem Königshof stammt, oder dass das Schachbrettmuster der Altstadt bereits von den alten Griechen im ersten Jahrtausend vor Christus angelegt wurde – es diente als Vorbild für viele weitere Städte und ist bis heute in seinen Grundzügen erhalten geblieben.
Er schwärmt vom prächtigen Teatro di San Carlo, dem ältesten noch aktiven Opernhaus der Welt, oder der paradisischen Küste, an der schon Julius Cäsar seine Sommerferien verbrachte. Kurz: Neapel, ist Amedeo überzeugt, ist die tollste Stadt der Welt. Das mag ein wenig übertrieben sein – wer aber ein bisschen Zeit hier verbringt, merkt schnell: So ganz unrecht hat er nicht.
... unter Neapel die größten Katakomben Europas liegen? Manche von ihnen stammen aus frühchristlicher Zeit, dem 3. und 4. Jahrhundert.
... die Altstadt Neapels die dichtestbesiedelte Gegend Europas ist? Wer durch die engen Gassen spaziert, muss oft aufpassen, mit seinen Schultern nicht an den Häusern zu streifen.
... Neapel zwar „Neue Stadt“ (Griechisch Nea Polis) heißt, aber zu den ältesten noch immer besiedelten Städten der Welt gehört. Bereits im Neolithikum (der Jungsteinzeit) lebten hier Menschen.
Die Stadt atmet den Zauber und die Magie eines Ortes, der schon seit vielen Jahrtausenden von Menschen bewohnt und gestaltet wird. Weil sie nie zerstört wurde, sind all diese Zeiten bis heute sichtbar: Auf griechischen Fundamenten stehen mittelalterliche Mauern mit gotischen Fenstern, die scheinbar nahtlos in eine barocke Fasade übergehen, über frühchristlichen Katakomben türmen sich romanische Kirchenfronten, und irgendwo hat jemand noch eine römische Säule eingemauert. Das alles sieht oft aus, als ob die Stadt nicht gebaut, sondern gewachsen, gewuchert, wäre, wie ein uralter Baum.
Viele der prächtigen Bauten von einst mögen in die Jahre gekommen sein – auf den Straßen und Plätzen zwischen ihnen aber brodelt nach wie vor das Leben. An jeder Ecke bieten kleine Händler ihre Waren an: Vor den Gemüsegeschäften türmen sich stachelige Artischocken, dralle Paradeiser und grüne Friarielli-Blätter, eine lokale Art wilden Brokkolis, vor den Fischshops stehen Bottiche voll Meerwasser randvoll mit Muscheln, und große Bretter, auf denen die Verkäufer mannslange Schwertfische in dicke Steaks zerteilen.
Die Salumerias, die Greißler, sind leicht an den wagenradgroßen Mortadellas oder den Parmesanblöcken zu erkennen, die wie Mühlsteine im Eingang stehen. Überall spazieren, lachen, plaudern Menschen. Um sie herum flitzen Motorräder wie ein Schwarm Wespen, und über ihren Köpfen flattert die Wäsche im Meereswind.
... Gute Schuhe: Die öffentlichen Verkehrsmittel in Neapel funktionieren eher nicht so toll. Dafür macht es umso mehr Spaß, sich in den kleinen Gassen zu verlieren
... Schöne Schuhe: Abends, wenn es Zeit für den obligaten „Passagiata“ wird, den abendlichen Spaziergang, verwandeln sich Neapels Straßen in einen Cat Walk, die Neapolitaner prominieren wie eine Herde Pfaue. Wer da mitmachen will, braucht was Ordentliches zum Anziehen.
... Amedeo Colellas Bestseller „Mangi a Napoli“: In seinen Buch listet der selbsternannte „König von Neapel“ 108 Dinge auf, die man in der Stadt essen muss. Der perfekte Reisebegleiter für alle, die zumindest Speisekartenitalienisch sprechen.
Wem die Altstadt zu wild ist, der kann auf den Vomero fliehen, den gutbürgerlichen Hügel in der Mitte der Stadt, durch das Nobelviertel Chiaia mit seinen gepflegte kleinen Gassen flanieren, wo sich schicken Boutiquen und Cocktailbars drängen, oder nach Posillipo fahren, wo das alte Geld wohnt. An der steilen Küste stehen erstaunliche Villen mit riesigen Parks und spektakulärem Blick aufs Meer, nach Capri, und auf den manchmal schneebedeckten Gipfel des Vesuv.
Im Verborgenen
Neapels schönste Seiten liegen allerdings oft im Verborgenen. In unscheinbaren Wohnhäusern verstecken sich mitunter spektakuläre barocke Stiegenhäuser, hinter harmlosen Kirchenfassaden grandiose, perfekt erhaltene Renaissance-Malereien.
Das Archäologische Museum sieht von außen nach wenig aus, beherbergt aber die ziemlich sicher weltweit tollste Sammlung antiker Kunst. Selbst die Kapelle San Severo, Heimat des „Verschleierten Christus“, einer der berühmtesten Marmor-Statuen der Welt, ist in den verwirrenden kleinen Straßen der Altstadt kaum zu finden und sieht zunächst aus wie ein x-beliebiges Haus – wären da nicht die Schlangen an Touristen, die zur Hauptsaison auf Einlass warten.
Auch kulinarisch ist Understatement angesagt. Das beste Essen wird oft in kleinen, unscheinbaren Beisln serviert, die eine Gemütlichkeit und Vertrautheit verströmen, wie nur Jahrzehntelanges Nicht-Renovieren es einem Ort verpassen, und die man nicht planen, sondern sich nur erarbeiten kann. Es sind in Würde gealterte Spelunken, die mit jedem Gast, jeder Abnützung schöner werden.
Pures Leben
Dicht gedrängt sitzen die Gäste hier an den Tischen und schlemmen frittierte Meeresfrüchte und geschmorten Oktopus, gebratene Würste, gegrilltes Gemüse oder lokale Spezialitäten wie Pasta mit Bohnen oder Kartoffeln, Endiviensuppe, und Bacalao, gesalzener Kabeljau, mit Paradeisern, Kapern und Oliven. Dazu trinken sie Wein, kurz davor frisch aus Fässern oder großen Tanks gezapft. Das alles kostet selten mehr als fünfzehn Euro pro Person. In den Tripperias, den Innereienlokalen, werden Spagetthi mit Kutteln oder gekochter Kalbskopf mit Zitrone und Meersalz aufgetischt.
Zwischen den viel zu vielen Essern bahnen sich die Kellner mühsam ihren Weg, laut die Namen der gerade fertigen Speisen schreiend, und hin und wieder kommen ein paar Straßenmusikanten vorbei. Das macht das Essen vielleicht nicht bequemer, aber zu einem großen, sehr stimmungsvollen Spaß. Wer so richtig neapolitanisch unter Neapolitanern schlemmen möchte, sollte das am besten zu Mittag tun – abends gehen die Einheimischen oft nur auf eine schnelle Pizza vor dem Fußballabend.
Nicht einfach nur Pizza Apropos Pizza. Die ist unbestreitbar ein essenzieller Bestandteil neapolitanischer Esskultur. Es gibt sie überall, sie ist sehr billig, und meist sehr, sehr gut. Statt wie bei uns nur gebacken, wird sie hier auch oft und gern frittiert. Gern werden diese köstlichen Ungetüme mit Ricotta und Grammeln gefüllt und in Schweineschmalz herausgebacken – eine Erinnerung an die Zeit, als Pizza vor allem füllendes, billiges Essen für Arbeiter war.
Eine eigene Organisation, die Associazione Verace Pizza Napoletana, wacht darüber, dass sie auch den Vorschriften entspricht: mit einem flaumigen Teig aus nichts als Wasser, Hefe, Salz und Mehl, mindestens sechs Stunden gegangen, und stets im Holzofen gebacken.
Für die beste Pizza der Gegend, wahrscheinlich der Welt, muss man die Stadt trotzdem verlassen und nach Caiazzo fahren, ein kleines mittelalterliches Dorf etwa vierzig Minuten landeinwärts.
Außen knusprig, innen fluffig
Dort betreibt Franco Pepe seine Pizzeria Pepe in Grani. Er hat sich ein eigenes Pizzalabor eingerichet, um das Optimum aus dieser scheinbar einfachen Speise herauszuholen. Der Teig für seine Fladen wird ausschließlich mit der Hand geknetet. Das Ergebnis ist, man kann es nicht anders sagen, spektakulär: außen knusprig, innen fluffig weich, eine gebackene Wolke. Oben drauf kommen perfekt kombinierte Köstlichkeiten, etwa lokaler Käse und nach dem Backen rohe Tomatensauce, um die Frische der Frucht nicht im Ofen zu zerstören.
Sogar Amedeo, der König von Neapel, findet sie ziemlich gut.
Neapel-Tipps: vier Tage, vier Routen
Donnerstag
1. Kaffeekultur
Zuerst mal auf einen Espresso. Klassisch bei Scaturchio.
www.scaturchio.it
2. Kapelle von San Severo
Besuch einer der berühmtesten Statuen der Welt.
www.museosansevero.it
3. AperiSepe
Neapels beliebtester Aperitivo: AperiSepe in Sanita.
facebook @ Antica Cantina Sepe
4. Pizza
Wer kann, fährt zu Pepe in Grani nach Caiazzo oder zu Da Attilio.
www.pepeingrani.it
www.pizzeriadaattilio.com
Freitag
5. Neapel genießen
Kulinarischer Spaziergang mit Amedeo Colella. Vorher nichts essen!
culinarybackstreets.com/
6. Capodimonte
Schöner Park und tolle Caravaggio-Sammlung von Capodimonte.
www.museocapodimonte.beniculturali.it
7. Entspannen beim Wein:
Jetzt ein Glas Wein. Vinarium bietet eine große Auswahl und feine Speisen.
vinariumnapoli.it
8. Piazza Bellini
Nachtleben! Gegen Mitternacht geht’s los, z. B. in der Bar Pepi Vintage.
facebook.com @ PepiVintageRoom
Samstag
9. Alte Kunst
Im Archäologischen Museum wartet die tollste Antikensammlung der Welt.
www.museoarcheologiconapoli.it/en/
10. Essen bei Mama
Die Trattoria Malinconico serviert Pasta und Fisch so gut wie bei Mama.
facebook@Trattoria Malinconico
11. Shopping
Bummeln durch die schicken Gassen Chiaias, vorbei an schicken Boutiquen.
www.napoli-turistica.com/quartiere-chiaia-napoli/
12. Neapolitanische Klassik
Umberto in Chiaia ist eine gutbürgerliche Restaurant-Institution.
www.umberto.it/it
Sonntag
13. Katakomben
Frühchristliche Katakomben mit Malereien aus dem 4. Jh.
www.catacombedinapoli.it/en
14. Das echte Neapel
Spaziergang zur Cantina del Gallo. Pizza und frittierte Spezialitäten.
www.cantinadelgallo.com
15. Moderne Kunst
Mitten in Neapels Altstadt versteckt: das Museo Madre.
www.madrenapoli.it/en
16. Renaissance-Malerei
Kirche San Giovanni a Carbonara: Prächtigen Renaissance-Fresken.
www.napoli-turistica.com/chiesa-san-giovanni-a-carbonara-napoli
Hoteltipps
17. Hotel Romeo
Es gehört zu den besten Hotels der Stadt und ist ein Geheimtipp.
www.romeohotel.it/naples
18. Santa Chiara Boutique Hotel
Entspannter Luxus in einem Palazzo aus dem 17. Jahrhundert. www.santachiarahotel.com
19. Grand Hotel Vesuvio
Süßes Luxusleben: Viktoria von Schweden war hier, Luciano Pavarotti auch.
www.vesuvio.it
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