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New York – London in elf Minuten. MICHAEL HOROWITZ über Mister Überschall, eine Mini-Concorde und ein Familienunternehmen im Wechsel-Gebiet.

Seit Jahren träumt der Sohn texanischer Viehzüchter davon. Mit Hilfe des Airbus-Konzerns nimmt jetzt seine Vision konkrete Formen an: Der medienscheue Milliardär Mister Überschall Robert Bass will schon 2023 mit seinem Privatjet in weniger als vier Stunden von New York nach London fliegen. In einem Flugzeug für Menschen wie Donald Trump. Bass verkaufte das New Yorker Plaza-Hotel an Trump, der gerade zeigen will, wie man mit grenzenlosem Populismus Präsident der Vereinigten Staaten werden kann. Milliardärs-Kollege Robert Bass braucht für sein ehrgeiziges Privatjet-Projekt jeden Dollar. Seit mehr als 15 Jahren verfolgt er die Idee, ein privates Überschall-Flugzeug zu bauen. Am Anfang wurde er nur belächelt – als er sich Luftfahrt-Sachbücher der Stanford University lieh. Jetzt, seit der größte europäische Flugzeughersteller Airbus bei seinem Aerion-Projekt eingestiegen ist, wird er von allen ernstgenommen.

Der Überschall-Jet für Geschäftsreisende AS2 – eine Art Mini-Concorde – soll über dem Meer bis zu 1,5-fache Schallgeschwindigkeit erreichen. Über Land ist ein Tempo knapp unter der Schallgeschwindigkeit vorgesehen, um den Überschallknall zu vermeiden. Airbus-Manager Ken McKenzie spricht von einem realistischen Fahrplan, um in rund sieben Jahren in weniger als vier Stunden von New York nach Europa zu fliegen. Seit dem letzten Start der Concorde vor 13 Jahren liegt der Markt für private Überschall-Flugzeuge brach. Jetzt startet Milliardär Bass gemeinsam mit Airbus durch. Bereits innerhalb der nächsten Monate wird bekanntgegeben, wo der neue König der Lüfte produziert werden soll.

Die futuristische Flugzeugkabine – eine Symbiose aus Hightech und eleganten Elementen wie Echtholz-Fußböden – wird InAirvation, ein Unternehmen der Lufthansa-Technik-Tochter und der List GmbH aus dem niederösterreichischen Wechsel-Gebiet, entwickeln. Lufthansa liefert die Elektronik, das Familienunternehmen List aus Edlitz die noble Innenausstattung. Die Parade-Firma mit nur 100 Mitarbeitern ist weltweit für den Kabinenausbau bei Privatjets und Megayachten bekannt. Begonnen hat alles in den 1950er-Jahren mit einer kleinen Tischlerei in Aspang – heute besticht der Pioniergeist der dritten List-Generation.

Der Weg vom Wechsel an die Wall Street wird immer schneller. Doch wenn das Konzept eines indisch-kanadischen Joint Ventures realisiert wird, könnte Milliardär Robert Bass vor Neid erblassen: Ein hypersonischer Privatjet mit Platz für zehn Personen soll bei einer Hyperschallgeschwindigkeit von Mach 12 für die 5.570 Kilometer lange Strecke von New York nach London nur elf Minuten benötigen. Eine magnetische Startschussrampe beschleunigt das Gefährt auf einer Gleisbahn am Boden so lange, bis die Scramjet-Motoren – luftatmende Triebwerke – den für den Antrieb benötigten Sauerstoff aus der Atmosphäre gewinnen.

Bei aller Rasanz gibt es noch viele Diskrepanzen zwischen Konzept und Realisierung des Wahnsinns-Fliegers zu überwinden. Wie die auf Passagiere einwirkende Fliehkraft oder Hitzebelastung bis zu 980 Grad Celsius auf verbaute Materialien. Aber vielleicht gibt es dann für das kleine Unternehmen im Wechsel-Gebiet einen neuen Auftrag …

michael.horowitz@kurier.at

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