Zu Besuch im Depot des Wien Museums: Eine Lade für Brahms' Unterhose

Ein Lagerraum voller mittelalterlicher Skulpturen auf Regalen und Paletten.
Von der Münze bis zum berühmten Praterwal – der KURIER durfte einen Blick auf die rund eine Million Schätze werfen.

„Traue keinem über 130“ – ein historisches Wahlplakat aus dem Deutschland der 1970er-Jahre hängt am Arbeitsplatz von Andreas Sommer neben meterhohen Rolltoren. Der Mann selbst steht im Verpackungsraum, umringt von Bildern und Kisten, deren Wert wohl so manches Jahresgehalt übersteigt.

Sorgfältig wickelt er die Bilder aus Seidenpapier. Andere waren in Karton oder Luftpolsterfolie eingepackt gewesen. Wenige Wochen zuvor waren die Kunstwerke in speziellen Klimakisten an diverse Ausstellungen gegangen. Nun sind sie zurück.

Ein Mann mit blauen Handschuhen untersucht ein gerahmtes Gemälde in einem Lagerraum.

Im Verpackungsraum

Andreas Sommer verpackt und entpackt Kunstgegenstände

Ein Mann mit blauen Handschuhen untersucht ein Kunstwerk in einem Lagerraum.

Im Verpackungsraum

Andreas Sommer verpackt und entpackt Kunstgegenstände

Ein Mann arbeitet in einer Werkstatt mit Regalen und Tischen.

Im Verpackungsraum

Andreas Sommer verpackt und entpackt Kunstgegenstände

Kühl ist es. „Wir haben im Depot 20 Grad“, sagt Sommer. Im Winter wird die Luft befeuchtet, im Sommer entfeuchtet. „Wir schauen, dass es auf ein zehntel Grad passt.“

Das ist wichtig, denn hinter der schmucklosen Fassade der mehrstöckigen Halle in Himberg, NÖ, lagern Schätze. Nicht irgendwelche, sondern sämtliche Sammlungsobjekte des Wien Museum. Rund eine Million Stücke sind es – von einer Münze bis zum neuneinhalb Meter langen und dreieinhalb Meter hohen legendären Praterwal.

Eine große, grünliche Wal-Skulptur steht in einer Lagerhalle.

Der Praterwahl soll das Herzstück des umgebauten Wien Museum werden, im Depot wurde er restauriert

Neun große Depotbereiche gibt es. Schon jener für die Skulpturen ist imposant. 2.200 Objekte lagern dort, manche sogar aus dem 15. Jahrhundert. Allein 800 Büsten reihen sich aneinander.

Sie alle tragen Kärtchen mit einer Inventarnummer um den Hals – für das digitale Archivierungssystem, das ähnlich wie in einer Bibliothek funktioniert. Sonst wäre nicht nachvollziehbar, wann jemand eines der wertvollen Stücke entlehnt hätte.

Die Statue einer geflügelten Frau hält eine Schale in ihrer ausgestreckten Hand.

Skulpturen-Depot

Die Skulpturen tragen Schilder mit den Inventarnummern um den Hals

Regale mit zahlreichen Büsten von Männern mit Bärten.

Skulpturen-Depot

Rund 800 Büsten lagern im Depot des Museums

Ein Lagerraum voller Regale mit Statuen und einer Holzkiste mit einer Figur darin.

Skulpturen-Depot

Manche werden in speziellen Konstruktionen aufbewahrt - damit sie nicht kippen können

In einem Lagerraum stehen Regale mit antiken Skulpturen und Steinen.

Skulpturen-Depot

Manche Skulpturen stammen aus dem 15. Jahrhundert

Apropos: Täglich werden zahlreiche Objekte ausgeliehen oder retourniert. Dazu kommen neue historische Stücke. Dafür braucht es ein ausgeklügeltes System. Beim Eingang gibt es eine Schleuse. „Präventiv gegen Schädlinge“, erklärt Depotverwalterin Laura Beiglböck.

Denn das Einschleppen von Ungeziefer wäre verheerend. Deshalb gibt es im Gebäude bis zu 1.000 Schädlingsfallen. Ein eigener Biologe kontrolliert sie regelmäßig. Stücke, die retour gehen, kommen für fünf Wochen in den Stickstoffraum. Für verschimmelte Objekte gibt es einen Quarantänebereich.

Eine Frau öffnet eine Schublade voller alter Sonnenschirme in einem Archiv.

Kunsthistorikern Laura Beiglböck verwaltet den Lagerbestand

Dann öffnen sich die drei Meter hohen Aufzugtüren zu den einzelnen Stockwerken. Knapp 10.000 Rüstungen, Rüstungsteile und Waffen lagern etwa im Stockwerk für Metall. Dazu kommen fast 30.000 Münzen und Medaillen, fein säuberlich in Laden sortiert.

Besonders heikel ist es im Stockwerk für Textil und Mode, denn die Stoffe dürfen kaum bewegt werden. Kästen mit Ballroben (nach Farben sortiert), Laden voller historischer Schirme, rund 150 Spazierstöcke, 100 Fächer und Dutzende gehäkelte Babyhäubchen werden etwa aufbewahrt. Doch auch Skischuhe aus den 70ern oder Crocs haben ihren Platz gefunden.

Drei Frauen stehen in einem Lastenaufzug in einer Lagerhalle.

Rüstungen, Münzen, Kleider - Zehntausende Stücke werden gelagert

Die Türen des Aufzugs sind drei Meter hoch

Eine Reihe von Ritterrüstungen steht in einem Ausstellungsraum.

Rüstungen, Münzen, Kleider - Zehntausende Stücke werden gelagert

Rund 10.000 Rüstungen, Rüstungsteile und Waffen sind zu bestaunen

Eine Reihe von Ritterrüstungen, einige mit Schutzmaterial umwickelt.

Rüstungen, Münzen, Kleider - Zehntausende Stücke werden gelagert

Rund 10.000 Rüstungen, Rüstungsteile und Waffen sind zu bestaunen

Eine Sammlung von Gewehren und Helmen, die in einem Lagerraum aufbewahrt werden.

Rüstungen, Münzen, Kleider - Zehntausende Stücke werden gelagert

Rund 10.000 Rüstungen, Rüstungsteile und Waffen sind zu bestaunen

Depot Wien Museum

Rüstungen, Münzen, Kleider - Zehntausende Stücke werden gelagert

Die Münzen werden in Laden gelagert

Verschiedene Skischuhe stehen in einem Regal neben Ballettschuhen.

Rüstungen, Münzen, Kleider - Zehntausende Stücke werden gelagert

Im Depot für Textil und Mode haben auch Skischuhe einen Platz gefunden

Eine Person öffnet eine Schublade gefüllt mit alten Spitzenstücken.

Rüstungen, Münzen, Kleider - Zehntausende Stücke werden gelagert

Eine ganze Lade widmet sich gehäkelten Babyhäubchen

Mehrere antike, geschlossene Sonnenschirme und Regenschirme in einer Schublade.

Rüstungen, Münzen, Kleider - Zehntausende Stücke werden gelagert

Die historischen Schirme sind eleganter als die heutigen

Fast die Hälfte des Bestandes, 450.000 Objekte, lagert allerdings im Grafikdepot für Fotos, Drucke, Zeichnungen, Ansichtskarten oder Pläne.

Umfassend – das ist für die Sammlung ein Hilfsausdruck. Denn von der alten Bürgermeisterkutsche über Bruno Kreiskys Dienstfahrzeug (ein Rover) bis hin zu den alten Buchstaben des Südbahnhofs und (anzügliche) Schaukästen alter Prater-Fahrgeschäfte sowie den Romys von Franz Antel reichen die Gegenstände.

Eine historische Kutsche steht auf einer hölzernen Plattform in einem Lagerraum.

Fahrzeuge und Fotos - die Sammlung ist umfassend

Die Bürgermeisterkutsche wird im Depot restauriert

In einem Lagerraum stehen eine Kutsche und ein mit einer Plane abgedecktes Auto.

Fahrzeuge und Fotos - die Sammlung ist umfassend

Kreiskys Dienstfahrzeug ist mit einer maßgeschneiderten Husse abgedeckt

Zwei Frauen betrachten alte Dokumente und Fotos auf einem Tisch in einem Archiv.

Fahrzeuge und Fotos - die Sammlung ist umfassend

Kunsthistorikerin Elke Wikidal (li.) und Depotverwalterin Beiglböck zeigen Topografien

Drei alte Fotografien, darunter ein Porträt und ein Mann als Ritter verkleidet.

Fahrzeuge und Fotos - die Sammlung ist umfassend

Die Hälfte des Bestandes umfassen Fotos, Zeichnungen, Pläne, Ansichtskarten

Ein Porträt von Peter Altenberg, aufgenommen in Schwarzweiß.

Fahrzeuge und Fotos - die Sammlung ist umfassend

Die Hälfte des Bestandes umfassen Fotos, Zeichnungen, Pläne, Ansichtskarten

Ein Regal mit verschiedenen Auszeichnungen, darunter eine goldene und eine silberne Statue.

Fahrzeuge und Fotos - die Sammlung ist umfassend

Sogar Franz Antels Romys sind zu finden

Auch Ungewöhnliches, vielleicht sogar Kurioses, ist zu finden. Wie der Schlüssel zu Franz Grillparzers Sarg.

Und neben Geschirr sowie weiterer Devotionalien aus dem Nachlass des Komponisten Johannes Brahms reiht sich auch – eine Unterhose.

In einer Schublade liegen eine lange Unterhose und vier Vorhangschnüre.

Die Unterhose des berühmten Komponisten ist weiß und aus Netzstoff

Das Depot gibt es übrigens erst seit 2013. Davor waren die wertvollen Stücke auf zehn Depots in Wien verteilt. Die Lagerung war dort nicht ideal. „Es war im Winter sehr kalt, im Sommer heiß. Die Luftfeuchtigkeit war eher hoch“, erzählt Kunsthistorikerin Elke Wikidal.

Als das neue Heim nach zehn Jahren Planung eröffnet wurde, mussten nicht nur rund eine Million Objekte neu sortiert und eingelagert werden, sondern mehr als 40 Restauratoren säuberten die Gegenstände wochenlang. Nun ist es relativ staubfrei. Dafür sorgt auch eine Spezialfirma, die laufend die Depotböden saugt.

Einsam

Im Schnitt zwölf Mitarbeiter, von der Haustechnik bis zu den Restauratoren, arbeiten im Schnitt auf den 12.000 Quadratmetern. Das kann schon auch einsam werden. „Man muss sich dann aktiv Gesprächspartner und einen Ausgleich suchen“, meint Verwalterin Beiglböck.

Zu tun gibt es ohnehin genug. Die Aufbewahrung ist eine Wissenschaft für sich. Vieles wird in Boxen oder Laden gelagert, vorsichtig auf Schaumstoff befestigt. Die rund 5.000 Gemälde – darunter Werke von Klimt oder Kokoschka – hängen auf 400 ausziehbaren Gitterwänden. Manche tragen rote Markierungen. Die sind für die Feuerwehr. Im Fall eines Brandes gibt es Pläne, welche Kunstwerke zuerst gerettet werden müssen.

Ein Kunstdepot mit Gemälden, die an einem Gitter hängen.

Aufbewahrungssysteme

Viele der rund 5.000 Gemälde lagern auf ausziehbaren Gitterwänden - wie dieser Klimt und der Kokoschka

Ein Lagerraum mit Gemälden und goldenen Bilderrahmen.

Aufbewahrungssysteme

Bilderwand reiht sich an Bilderwand

Ein bemalter Fächer zeigt eine Szene mit Menschen in einem Park.

Aufbewahrungssysteme

Der wertvolle Fächer aus "Schwanenhaut" - feines Leder eines Lammes - ist auf Schaumstoff befestigt

Regale voller grauer Kisten mit Etiketten in einem Lagerraum.

Aufbewahrungssysteme

Fotos und Zeichnungen lagern vielfach in Kartons

Der Öffentlichkeit ist das Depot nicht zugänglich, allerdings wurden bereits mehr als 70.000 Objekte digitalisiert. Dafür gibt es im Haus sogar ein eigenes Fotostudio. 

Rund 2.000 davon werden im neuen Wien Museum zu sehen sein. Da kommt dann wieder Andreas Sommer und sein Verpackungsraum ins Spiel. Jetzt bringt er erstmal Bilder zurück ins Depot, „für die nächsten 200 Jahre.“

Ein Schild mit der Aufschrift „Märchenbahn“ hängt an einer Decke.

Gegenwart bis Vergangenheit

Viele der aufbewahrten Schilder sind vielleicht noch bekannt

Ein Lagerraum mit restaurierten architektonischen Elementen und einem „Kino“-Schild.

Gegenwart bis Vergangenheit

Viele der aufbewahrten Schilder sind vielleicht noch bekannt

Ein gelbes „ofo“-Fahrrad hängt an Haken von der Decke.

Gegenwart bis Vergangenheit

An die ofo-Bikes kann man sich ebenfalls noch gut erinnern

In einer Schublade liegen mehrere Totenmasken auf weißen Kissen.

Gegenwart bis Vergangenheit

Etwa unheimlich sind die zahlreichen Totenmasken

Eine Restauratorin arbeitet mit Lupenbrille und Handschuhen an einem bemalten Paneel.

Gegenwart bis Vergangenheit

Im Depot werden auch Kunstgegenstände restauriert. Hier etwa der Pompejanische Salon

Eine Restauratorin arbeitet mit Pinsel und Lupenbrille an einem alten Gemälde.

Gegenwart bis Vergangenheit

Im Depot werden auch Kunstgegenstände restauriert. Hier etwa der Pompejanische Salon

Verschiedene Pinsel liegen auf einer Ablage neben Metallblöcken.

Im Depot werden auch Kunstgegenstände restauriert. Hier etwa der Pompejanische Salon

Ein detailliertes Modell eines gotischen Kircheninnenraums mit Spitzbögen und hohen Fenstern.

Gegenwart bis Vergangenheit

Das Modell des Steffls wird ebenfalls noch herausgeputzt. Es kommt in die neue Sammlung des Wien Museums

Mehrere dunkle Skulpturen von Kindern und Fischen stehen in einem Lagerraum.

Gegenwart bis Vergangenheit

Zu sehen sind auch die Einzelteile des berühmten Donnerbrunnens

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