Providentiabrunnen verlässt Belvedere: Der Umzug der alten Dame
Als die Dame an diesem Freitagvormittag aus der Tür des Unteren Belvedere geschoben wird, ist es das erste Mal seit 100 Jahren, dass sie an die frische Luft und die Sonne kommt. Doch bemerken wird sie davon nichts. Nicht nur, dass ihr Kopf aus Sicherheitsgründen verhüllt ist, ist die Dame auch aus Blei.
100 Jahre lang zierte die Providentia den sogenannten „Donnerbrunnen“ im Belvedere.
Erst stand der Barockbrunnen von Georg Raphael Donner im Oberen, seit den 1950er-Jahren im Unteren Belvedere. Der Providentiabrunnen am Neuen Markt hingegen ist eine Kopie aus Bronze.
Nun rollt ein Gabelstapler mit der Figur der römischen Göttin in einem Käfig über den Hof in Richtung eines Lkw. Sie und die restlichen Brunnenteile – darunter mehrere Putti (ein Putto ist eine meist nackte Skulptur in Kindergestalt, Anm.) sowie die vier Flussfiguren, die die Ybbs, die Enns, die Traun und die March symbolisieren, – bekommen eine neue Heimat.
Die bedeutendste Barockplastik der Wiener Geschichte und das wertvollste Objekt im Besitz der Stadt soll in das neue Wien Museum ziehen. Zuvor wird der Brunnen bis 2023 restauriert.
Doch dazu muss es erst einmal ins Depot gelangen. Für Historiker und Restauratoren eine Mammutaufgabe, an der bereits seit 2014 getüftelt wurde und die man fast für unlösbar hielt. Zwar ist es bereits der neunte Umzug in der Geschichte des Providentiabrunnens. Doch Beschädigungen will man unbedingt vermeiden.
Weiches Blei
Und die passieren leicht. Denn der Brunnen ist aus 97 Prozent Blei und drei Prozent Zinn gefertigt – und damit sehr weich. Schon allein durch das Eigengewicht sackt das Material nach unten. „Blei war im Barock sehr beleibt, es hat sich gut gießen lassen und die Bearbeitung einfach“, erzählt Restauratorin Elisabeth Krebs.
Dadurch sind die Figuren aber auch leicht verformbar. „Schon mit einem Fingernagel können Sie Schaden anrichten“, sagt Krebs und deutet auf die Putti am Brunnensockelrand, die in Plastikfolie und Decken eingewickelt sind. „Und das ist auch passiert. Viele Besucher haben ihren Namen eingeritzt.“
Die Empfindlichkeit des Kunstwerks ist übrigens auch der Grund, warum der Original-Brunnen 1870 durch die Bronzekopie ersetzt wurde. Der Providentiabrunnen aus Blei musste einst rund um die Uhr bewacht werden.
Für den Umzug war also schweres Gerät und spezielles Equipment nötig. Für dieses verschafften sich die Experten mit einer Endoskopie und Ultraschall einen genauen Blick in das Innere und auf das Äußere des Kunstwerks. „Man musste im Vorfeld wissen, wie schwer die Providentia ist“, erklärt Elisabeth Graff vom Wien Museum.
Käfig angefertigt
Nur mit diesen Angaben konnten die Statiker den Käfig anfertigen, mit dem die knapp zwei Tonnen schwere Figur vom Brunnensockel gehoben wurde und in dem sie nun im Schritttempo Richtung Lkw gefahren wird.
Entstehung
Im Jahr 1737 erhielt der Bildhauer Georg Raphael Donner vom Magistrat der Stadt Wien den Auftrag zur Neugestaltung des für die städtische Wasserversorgung zentralen Brunnens auf dem Mehlmarkt, dem heutigen Neuen Markt.
Zunächst wurde nur die Mittelgruppe mit der Figur der Providentia (Vorsehung) und vier mit Fischen ringenden Putti auf dem Sockel modelliert und gegossen. Im Jänner 1739 wurden sie aufgestellt. Die Flussfiguren folgten etwas später. Am 4. November 1739, dem Namenstag Kaiser Karls VI., wurde der vollendete Brunnen der Öffentlichkeit übergeben.
Der Brunnen ist das erste öffentliche profane Kunstwerk, das der Stadtrat von Wien in Auftrag gab.
Kopie
Die Figuren aus Blei erwiesen sich als sehr empfindlich. Bereits 1771 wurden die Flussfiguren demontiert, weil man sie mit Kopien ersetzen wollte. Die Geschichte, dass Kaiserin Maria Theresia die Figuren zu unzüchtig waren, ist laut Wien Museum eine Legende. Im frühen 19. Jahrhundert wurden die original Flussfiguren wieder aufgestellt, 1870 wurden dann alle Figuren durch den Nachbau aus Bronze ersetzt. Experten sind der Überzeugung, dass diese Kopie nur einen schwachen Eindruck vom prachtvollen Original-Brunnen gibt.
Umzug
Überlegungen, ihn im Wien Museum aufzustellen, gab es bereits im frühen 20. Jahrhundert. Schon in den 50er Jahren wäre er fast in das damals neue Wien Museum übersiedelt. (Das Musem wird derzeit gerade generalsaniert). Alle Bemühungen scheiterten aber unter anderem an den technischen Möglichkeiten. Bis jetzt.
Spezielle, mit Sand gefüllte Lederpolster sowie ein Stahlring stützen sie dabei. 14 Leute waren notwendig, um den Käfig mittels hydraulischer Hebekräne über die Statue der Providentia zu stülpen und für den Transport vorzubereiten. Dabei machten die Experten sogar einen überraschenden Fund.
Versteckt im Sockel entdeckten sie eine leere Weinflasche – mit einem KURIER vom 21. Jänner 1958.
Hinterlassen hatte ihn der damalige Restaurator Viktor Hammer samt Grußbotschaften vom 22. Jänner nach der Aufstellung des Providentiabrunnens. Das Aufstellen habe geklappt, bei gutem Wetter. So wie jetzt der Abbau.
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