Großer Frühlingsputz im kleinen Stephansdom

Großer  Frühlingsputz im kleinen Stephansdom
Ein herausragendes Modell des Steffls wird im Wien Museum aufpoliert. Nach dessen Wiederöffnung soll der Miniatur-Dom einer der Blickfänge sein.

Fensterputzen, das mag Sophie Rabitsch überhaupt nicht: „Das ist mühsam. Immer hat man irgendwo Schlieren.“ Und Schlieren, die machen sich bekanntlich nicht gut. Schon gar nicht auf jenen besonderen Fenstern, die Rabitsch reinigt.

Denn diese bunt verzierten Exemplare gehören zu Österreichs berühmtestem Sakralbau: dem Stephansdom. Rabitsch putzt ihn seit Monaten durch. Allerdings nicht den echten Steffl, sondern eine Mini-Ausgabe davon – mit immer noch beachtlichen Maßen.

Fast fünfeinhalb Meter hoch, rund drei Meter breit und ca. viereinhalb Meter lang ist das Modell, dem Rabitsch unter der Leitung von Restaurator Andreas Gruber in der Werkstatt des Wien Museums zu neuem Glanz verhilft.

Mammutaufgabe

Auch wenn sie lediglich an der Miniaturversion werkt, ist das eine Mammutaufgabe. 

Behutsam befreit Rabitsch die Konstruktion aus Holz und Karton von Staub: Erst mit einem Staubsauger zum Umhängen, mit dem sie – Stichwort beachtliche Maße – auch auf eine Leiter steigen kann.

Großer  Frühlingsputz im kleinen Stephansdom

Geputzt wird unter anderem mit Wattestäbchen. 

Dann macht Rabitsch mit Pinseln, Wattestäbchen und Spezial-Schwämmchen weiter. Sind irgendwo Teile abgeschlagen, werden sie von ihr ersetzt oder die betroffenen Stellen bemalt.

Trotz seiner bewegten Geschichte ist das Modell in einem guten Zustand. Das Werk des bayerischen Modellbauers Carl Schropp gilt als herausragendes Beispiel für die Modellierkunst des 19. Jahrhunderts, fristete in den vergangenen Jahrzehnten aber nur ein suboptimales Dasein: Es war am Dachboden des Steffls aufgebaut – als Dom im Dom.

Spektakuläre Aktion

Zu besichtigen war das Modell dort nur selten, der Öffentlichkeit ist es daher kaum bekannt. Das soll sich bald ändern.

Großer  Frühlingsputz im kleinen Stephansdom

Das Modell auf dem Dachboden des Stephansdoms. 

2020 ging der Miniatur-Dom als Schenkung von der Pfarre an das Wien Museum. Er wurde in rund 60 Einzelteile zerlegt, in 18 Kisten verpackt und aus schwindelerregenden Höhen abgeseilt.

Die Kisten wurden nach Himberg bei Wien gebracht, wo das Wien Museum ein Depot und Werkstätten hat.

Mehr als 1,5 Millionen Exponate lagern dort. Ab Herbst 2023 wird es in den Hallen merklich leerer sein. Dann eröffnet das Wien Museum am Karlsplatz, nach dem aktuell laufenden Umbau, wieder seine Pforten – gut gefüllt mit Stücken, die in Himberg auf Vordermann gebracht wurden.

Großer  Frühlingsputz im kleinen Stephansdom

Das Modell wurde in 18 Kisten verpackt und aus schwindelerregenden Höhen abgeseilt. 

So auch das Steffl-Modell. „Es wird als einer der Blickfänge in der zentralen Halle aufgestellt und sich über zwei Etagen erstrecken“, sagt der zuständige Kurator Sándor Békési.

Die Geheimnisse des Meisters

Drei große Kisten und mehrere kleine hat Rabitsch noch vor sich. Derzeit sind die Westfassade und der Nordturm an der Reihe. So vorsichtig die Restauratorin auch ist: Manchmal passiert es ihr, dass einer der filigranen Teile abbricht.

Dann wird es mitunter spannend: So offenbart sich nämlich so manches Geheimnis des Modellbaumeisters.

„Hier hat sich ein Teil abgelöst“, sagt Rabitsch und deutet auf einen Fries am Turm. Bei näherer Betrachtung des abgebrochenen Stücks zeigt sich: Schropp hat den Fries wohl aus Obstkernen gefertigt.

Großer  Frühlingsputz im kleinen Stephansdom

Jeder Teil wird behutsam gereinigt. 

Erfinderisch war er auch bei der Modelliermasse, aus der andere Deko-Elemente gefertigt sind. „Ein Gutachten legt nahe, dass Schropp Dolomitkalk mit tierischem Leim gemischt hat. Es gibt Überlegungen, das noch genauer untersuchen zu lassen“, so Rabitsch.

Unliebsame Funde

Rätsel geben ihr außerdem geheimnisvolle Inschriften auf Türen und eine Widmungstafel aus 1904 auf: Letztere ist mit einer falschen Entstehungszeit des Modells versehen. Unliebsame Funde macht Rabitsch auch: „Ich habe viele tote Spinnen entdeckt.“

Für Carl Schropp war der Bau des Modells eine Art Altersbeschäftigung. Er hat es ohne Auftrag in fast zehnjähriger Arbeit gebaut. Schon während seiner Entstehung wurde das Werk zur Attraktion: „Schropp konnte es aufgrund der Größe vermutlich aber nur im privaten Kreis zeigen“, so Kurator Békési.

Großer  Frühlingsputz im kleinen Stephansdom

Retusche: Den richtigen Ton zu treffen, ist eine Kunst. 

1904 kam das Modell nach Wien – als Geschenk zum 60er von Bürgermeister Karl Lueger. Zu dieser Zeit wurde es im Historischen Museum der Stadt Wien im Rathaus, dem Vorgänger des Wien Museums, gezeigt.

Nach dessen Übersiedelung auf den Karlsplatz Ende der 1950er habe es in den Sälen schlicht an Raumhöhe gefehlt, um das Dom-Modell zu zeigen, sagt Békési: Es verschwand in Depots und wurde 1974 schließlich an die Pfarre abgetreten. Nun kehrt es heim.

Wenn Restauratorin Rabitsch mitten im Putzen ist, bekommt sie übrigens manchmal Lust, selbst ein Modell zu bauen. Ein konkretes Objekt hat sie zwar nicht auserkoren. Eines weiß sie aber genau: „Ich würde definitiv nicht so etwas Großes aussuchen.“

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