Foto als Vorlage
Momentan ist Gruber mit der Votivkirche beschäftigt: Mehrere Streben sind abgebrochen, schuld daran ist ein Smartphone. Das Modell war zuletzt ohne Glassturz ausgestellt – Besucher und Staub setzten ihm zu. Gruber hat die Kirche von der Trägerplatte auf seinen Arbeitstisch umgesiedelt und ihr neue Streben aus weißem Karton verpasst.
Es fehlt nur noch der Anstrich mit grauer Aquarellfarbe. Um dem Original möglichst nahe zu kommen, muss Gruber Pendls Pinselduktus studieren und nachahmen.
Am Nebentisch hantiert seine Kollegin Johanna Volke mit Naturschwamm, den sie grün einfärbt und zurechtzupft. Sie fertigt Ersatz für fehlende Bäumchen an. „Manche Parks sind regelrecht leer gefegt“, sagt Gruber. Ansonsten seien vor allem Rauchfänge, Balkone und Litfaßsäulen abhandengekommen.
Was genau fehlt, das rekonstruiert er mithilfe von historischen Fotos aus dem Museumsarchiv. Auch Schöpfer Pendl dienten Fotos als Vorlage. Er fertigte das Modell einst im Auftrag der Stadt Wien an – zum 50-jährigen Thronjubiläum von Kaiser Franz Josef.
Pendl war damals 20 Jahre alt – und damit bestens für diese Arbeit geeignet. „Man braucht dafür ein gutes Sehvermögen“, sagt Gruber. „Ich nehme schon immer öfter die Lupenbrille.“
400 Arbeitsstunden
Einen derart aufwendigen Auftrag hat Pendl wohl nicht alleine ausgeführt, so Gruber. Darauf deuten die unterschiedlichen künstlerischen Handschriften der Malereien auf den Fassaden hin. Ein konkreter Beweis tauchte jetzt im Zuge der Restaurierung auf: In einem Haus befand sich ein Kartonstück mit der Aufschrift „Maler, Teplitz“ und einem schwer entzifferbaren Namen.
Gruber und Volke werken ebenfalls im Team – mit drei weiteren Kollegen. 300 bis 400 Arbeitsstunden braucht es, bis eine der sechs Platten, aus denen das Modell besteht, fertig restauriert ist. Über Dübel verbunden, ergeben sie eine vier mal fünf Meter große Stadtlandschaft.
Neben Unfällen haben vor allem Standortwechsel – darunter eine Evakuierung im Zweiten Weltkrieg – Pendls Werk in Mitleidenschaft gezogen.
Spezialgeräte zum Putzen
Auch so manche vergangene Restauration hat mehr angerichtet als geholfen: Einige Parks seien zum Beispiel nachträglich grün grundiert worden, so Gruber. Dabei wurden Blumenrabatte – also wichtige Details – übermalt. Gruber hat sie nun freigelegt.
Die gegenwärtige Hauptarbeit ist das Putzen: Mit Feinstaubsaugern, Pinseln, Spezial-Schwämmen und Wattestäbchen wird der jahrzehntealte Staub abgenommen. Damit sich dieser künftig nicht mehr so festsetzen kann, bekommt das Modell vor seiner Rückkehr auf den Karlsplatz einen Glassturz.
2023 muss das Projekt abgeschlossen sein: Bei der Eröffnung nach dem Umbau soll das beliebteste Objekt des Museums schließlich dabei sein. Woher die Faszination für das Modell kommt? „Das Gesicht einer Stadt ist über ein Modell eben viel leichter erfassbar, als über einen Plan“, sagt Gruber. „Das kommt bei allen Bevölkerungsgruppen gut an.“
Und zwar so sehr, dass das Museum für seine neue Dauerausstellung ein neues Stadtmodell anfertigen lässt. Dieses wird den Naturraum zeigen, auf dem Wien entstanden ist und mit Projektionen durch die Stadtgeschichte führen.
Es gibt also weiterhin etwas zu entdecken. Für die Besucher. Und auch für Gruber.
Wien im Überblick
Drei wichtige Stadtmodelle
Modell von Eduard Fischer (1854): Zentrum mit Stadtmauer, älteste erhaltene Modell-Darstellung Wiens. Modell von Erwin Pendl (1898): 1. Bezirk mit Ringstraße. Erst im Prater, dann im Historischen Museum im Rathaus (dort auch im Freien) gezeigt. Beide Modelle im Bestand des Wien Museums. Die Sammlung Alter Musikinstrumente (Neue Burg) hat auch ein Modell, Entstehungsjahr u. Urheber unbekannt
Crowdfunding für Pendl-Modell
Die Restaurierung wird nur über Spenden finanziert: www.meinstueckwien.at
Kommentare