Zocken im Kellercasino: Wie Corona das illegale Glücksspiel verändert
Reges Kommen und Gehen herrschte bis Anfang Februar in einem Wohnhaus in der Troststraße in Wien-Favoriten. Überraschend daran – die Besucher wollten in den Keller, denn dieser war zu einem illegalen Glücksspiellokal ausgebaut worden. Finanzpolizei und WEGA bereiteten dem „Spieleabend“ ein jähes Ende, wenige Tage später fanden die Ermittler aber erneut Automaten im 10. Bezirk. Diesmal in einer Wohnung in der Quellenstraße.
Für Wilfried Lehner, Leiter der Finanzpolizei, ein Trend, der sich seit dem Corona-Ausbruch beobachten lässt: „Aufgrund der Ausgangsbeschränkungen ist der Verfolgungsdruck gestiegen, Kriminelle weichen in den Privatbereich aus.“ Wohnungen und Keller werden zu Gaststätten ausgebaut. Feuersicherheits- und hygienetechnisch sollen die dortigen Zustände katastrophal sein.
Die Nachfrage ist trotz Covid-19 ungebrochen. „Zuletzt wurde über den Anstieg im Online-Spiel während der Krise berichtet. Aber für Automatenspieler kann das Spielerlebnis nicht so einfach substituiert werden.“ Vor allem älteren Spielsüchtigen gehe es um die Haptik und das Flair der Lokale, erklärt auch die Psychotherapeutin Barbara Haid, die auf Suchterkrankungen spezialisiert ist.
Kriminelle Synergien
Der Schritt ins Privatissimum ist auch damit zu begründen, dass die Finanz vor Corona die großen illegalen Pokeranbieter zerschlagen hat. Spielsüchtige bzw. Kriminelle finden nun eben andere Wege. Das zeigt sich unter anderem dadurch, dass zuletzt neben klassischem Automatenspiel häufig auch Poker- und Rouletteanbieter in ein und demselben Gebäude erwischt wurden.
Viele Formen von Süchten treten in der Corona-Krise vermehrt auf – Peter Stippl, Präsident des Bundesverbands für Psychotherapie, erklärt, warum das so ist.
KURIER: Warum ist Glücksspiel so gefährlich?
Peter Stippl: Es ist wie bei allen Verhaltenssüchten: Man fängt vielleicht im Wirtshaus beim Automaten an, aber man will schnell mehr. Der Einsatz und das Risiko werden höher. Im Internet sind dem Wahnsinn dann keine Grenzen mehr gesetzt, es ist immer verfügbar und keiner schaut zu. Es gibt auch keine Kontrolle, wie etwa in Casinos. Ein Symptom der Sucht ist der Kontrollverlust. Dass man Schulden zurückzahlen muss, wird ignoriert.
Wie wirkt sich die Corona-Krise aus?
Einsamkeit, Tristesse, Perspektivenlosigkeit fördern Suchtverhalten – die jetzige Situation verstärkt das. Disziplin und Einschränkungen sind Leistungen, nur die Belohnung dafür fehlt. Es gibt keinen Besuch im Stadion, keine Lokale, keine Kultur. Es ist schwer, Freude und Lust, etwas Positives zu erleben. Da steigt der Reiz, sich das im Verbotenen zu holen, was auch von Kriminellen genutzt wird.
Wie kann Betroffenen geholfen werden?
Wir versuchen in der Psychotherapie, mit den Betroffenen individuell Lösungen zu erarbeiten. Beim Glücksspiel geht es um das Gefühl, ein Gewinner zu sein. Da kann man auch etwas anderes finden. Wir versuchen, die Klienten anzuregen, etwas Kreatives gegen die Langeweile zu machen oder Bekanntschaften zu finden.
Während offizielle Casinos geschlossen sind, richten sich illegale Betreiber Privatcasinos in den eigenen vier Wänden ein. Bei dem Fall in der Troststraße zockten gar 29 Personen im Keller. „Der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt. Erst vor Kurzem haben wir ein Scheinunternehmen aus der Baubranche überprüft und entdeckt, dass dort illegales Glücksspiel betrieben wird. Der eine hatte Geld und der andere die Räumlichkeiten“, beschreibt Lehner die Zusammenarbeit.
Drogen im Spiel
Derartige Synergien zeigen sich auch in anderen Bereichen. Dem Finanzpolizisten zufolge wird seit den Ausgangsbeschränkungen in illegalen Glücksspiellokalen vermehrt mit Drogen gehandelt. Der Straßenhandel wurde während der Lockdowns massiv zurückgedrängt. Die Lokale dürften ein Ausweichort sein. „Wir haben kaum mehr eine Kontrolle, bei der wir kein Rauschgift finden“, sagt Lehner.
Psychotherapeutin Barbara Haid erklärt, dass Drogen- und Spielsucht oft gemeinsam auftreten: „Beides ist vermeintlich gemeinschaftsfördernd.“ In den Lokalen würde sich dann eben das Milieu treffen. „Da geht es um eine Art ,Peer Group‘, man ist unter seinesgleichen.“
Für die Finanzpolizei bleibt es jedenfalls ein Katz-und-Maus-Spiel. Private Anbieter werben in den sozialen Medien. Die Ermittler können letztlich aber nur die Automaten beschlagnahmen und Geldstrafen verhängen. Dauerhaft aufhalten lassen sich die Betreiber davon nicht. Denn ein Automat aus Osteuropa kostet um die 1.600 Euro – das wird in einer Woche wieder eingespielt.
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