Wiens Märkte: Touristisch, politisch und immer beliebter

Wiens Märkte: Touristisch, politisch und immer beliebter
War früher alles schöner, besser, günstiger? Wiens Märkten werden politisiert und verklärt, dabei ging es ihnen schon Mal schlechter.

Der Naschmarkt war für Georg Danzers Musikvideo „Der Tschik“, in dem er als Obdachloser durch die verdreckten Gassen zieht, die perfekte Kulisse. In den 1970er-Jahren galt der Markt als der Schlechteste der Stadt und sollte zugunsten einer Autobahn geschliffen werden.

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Hygienevorschriften waren noch neu; darunter fiel auch, dass Verkaufsmitarbeiter ihre Notdurft nicht mehr in Kübeln innerhalb der Stände verrichten durften – eine noch in den 60er-Jahren gängige Praxis.

Die Behauptung, dass Wiens Märkte früher besser und schöner gewesen sein sollen, ist also vielleicht doch eher eine verklärte Erinnerung.

Problem-Markt und Vorzeigeschüler

Heute steht der Naschmarkt in jedem Touristenführer, der einst eher verrufene Meidlinger Markt gilt inzwischen als Vorzeigemarkt.

Die Trendumkehr auf den Märkten stellte sich ab dem Jahr 2002 ein, als sukzessive Brunnenmarkt, Kutschkermarkt, Naschmarkt oder auch der Vorgartenmarkt saniert wurden. Vier Märkte auf Probe haben heuer ihre Testphase bestanden und wurden zu fixen Wochenmärkten umgewandelt.

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Wiens Märkte: Touristisch, politisch und immer beliebter

Schlingermarkt

Zwischen den Märkten und Wochentagen liegen teilweise Welten: Am Montagnachmittag ist der Schlingermarkt wie ausgestorben.

Wiens Märkte: Touristisch, politisch und immer beliebter

Der Naschmarkt ist immer gut besucht, auch dank Touristen.

Dass der Einkauf am Markt günstiger ist als im Supermarkt, lässt sich pauschal nicht sagen. Das Marktamt erhebt und veröffentlicht die Kilopreise wöchentlich.

Mehr Besucher, wenige Schnäppchen

Die Teuerung schlägt sich auch hier nieder – wie sehr die Preise gestiegen sind, kann man beim Marktamt aber nicht sagen. Weil aber Karotten oder Zwiebeln, anders als im Supermarkt, auch einzeln statt in der abgepackten Kunststoff-Tasse gekauft werden können, lässt sich hie und da sparen.

Erhoben wird seit 2008 auch die Besucherfrequenz auf Wiens Märkten: Damals zählte man rund 315.400 Besucher pro Woche. Inzwischen sind es wöchentlich 409.857 Marktbesucher und aufs Jahr gerechnet 21 Millionen. Mit einem Umsatz von jährlich 467 Millionen Euro sind die Märkte für 6,5 Prozent aller Lebensmittelumsätze in Wien verantwortlich.

Am 1. September findet die inzwischen zweite Lange Nacht der Wiener Märkte statt.

17 Märkte nehmen in mehreren Bezirken teil. Standler und Lokale haben, begleitet von einem Kultur- und Musikprogramm, bis 23 Uhr geöffnet.

Details und Standorte sind online abrufbar

Was nicht so recht klappen will, ist die Belebung der Märkte unter der Woche. Zu tief sind Freitag und Samstag als traditionelle Bauernmarkt-Tage verankert. Daran ändern konnten auch Sommerkinos, Musikprogramm oder Kinderevents bisher nichts.

Markt als Polit-Bühne

Beliebt sind Märkte zur politischen Inszenierung seit ÖVP-Chef Karl Mahrer. Nach dessen Videos, in denen er vor einer „Übernahme“ durch Migranten und „No-go-Zonen“ warnte, ließ sich Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) demonstrativ beim Markteinkauf ablichten.

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Als bürgernah will sich die Stadtregierung auch mit einem Besuch bei der Langen Nacht der Wiener Märkte am 1. September geben. Parteichef Andreas Babler wurde vom Meidlinger Markt zum 150. Jubiläum am 15. September angefragt. Auch Grüne und Neos sowie Vertreter der Wirtschaftskammer stehen am Programm. Von der ÖVP hat sich bis jetzt noch kein Podiumsgast gefunden

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