Wiens Handelsobfrau fordert Sonntagsöffnung: "Sind zu konservativ"

Wiens Handelsobfrau fordert Sonntagsöffnung: "Sind zu konservativ"
Margarete Gumprecht, Spartenobfrau in der Wiener Wirtschaftskammer will „die Kundenströme entzerren“.

Der Handel ist vom Lockdown schwer getroffen. Margarete Gumprecht, Spartenobfrau in der Wiener Wirtschaftskammer, fordert für Kunden die Möglichkeit, Einkäufe kontaktlos abzuholen, und die Sonntagsöffnung vor Weihnachten.

Die Wirtschaftskammer startet die Aktion „Wer Wien liebt, der kauft in Wien ein“, um den lokalen Handel zu unterstützen.

KURIER: Frau Gumprecht, haben Sie dieses Jahr rechtzeitig einen Adventkranz bekommen?

Margarete Gumprecht: Ja, ich habe ihn beim Blumenhändler meines Vertrauens rechtzeitig bestellt.

Blumenhändler, Buchhändler und auch andere Branchen fordern, dass die Kunden die Waren im Lockdown abholen dürfen. Ist das nötig während einer Pandemie?

Ja. Denn die Umsatzverluste, die die Händler so kurz vor Weihnachten hinnehmen müssen, sind existenzbedrohend. Und mit Systemen wie „Click & Collect“ könnte man die Waren online bestellen und sie dann kontaktlos oder mit Sicherheitsabstand abholen. Was für die Restaurants funktioniert, würde auch bei den anderen klappen.

Essen ist ein Produkt des täglichen Bedarfs. Für Bücher gilt das nicht. Anders formuliert: Um ein Buch zu holen, dürfte man derzeit nicht auf die Straße.

Wenn Sie die Buchhändler fragen, werden sie Ihnen sagen, dass Bücher Nahrung für die Seele sind. Abseits davon: Ich hielte es für sinnvoll, Menschen jetzt kontrolliert zu ermöglichen, einkaufen zu gehen.

Das würde die Kundenströme entzerren. Was passiert am 7. Dezember, falls der Lockdown endet? Alle drängen gleichzeitig in die Geschäfte. Das ist nicht gut.

Ein Plädoyer für die Sonntagsöffnung?

Ja. Wer an den Sonntagen vor Weihnachten offen halten möchte, der soll offen halten. Und das wären sicher viele.

Warum ist denn die generelle Sonntagsöffnung so ein großes Tabu-Thema?

Wir sind da zu konservativ. Dabei gäbe es Kompromisse: Man könnte etwa sechs bis acht Sonntage im Jahr definieren, an denen Geschäfte öffnen.

Ich sehe nicht, warum das ein Problem sein soll. In der Pflege, an der Tankstelle, in der Gastro – überall arbeiten Menschen trotz Familienleben am Wochenende.

Lassen sich die aktuellen Umsatzausfälle im Handel beziffern?

Viele Branchen bauen in der Vorweihnachtszeit den finanziellen Polster für das Jahr auf. Selbst wenn wir am 7. Dezember öffnen dürfen, werden manche Einbußen von 50 bis 60 Prozent haben.

Viele Kunden haben inzwischen online gekauft – nicht regional, sondern international.

Hand aufs Herz: Bestellen Sie selbst nie online auf großen Plattformen?

Nein, wirklich nicht. Meinen Sohn habe ich manchmal in Verdacht.

Gerade bei Spielzeug ist es nicht immer einfach, ich weiß das von meinem Enkerl. Die Kinder haben ja sehr spezielle Wünsche. Da muss man genau suchen, um regionale Händler zu finden, die das gewünschte Geschenk anbieten. Aber es klappt.

Wie kann es gelingen, Konsumenten online zum regionalen Einkauf zu bringen? Nur an die Moral zu appellieren, wird zu wenig sein.

Im März haben wir bemerkt, dass das regionale Bewusstsein der Konsumenten gestiegen ist. Da gab es ein Bekenntnis zu Österreich. Auch weil wir plötzlich gesehen haben, wie wichtig es ist, bestimmte Produkte bei uns zu produzieren und nicht vom Ausland abhängig zu sein.

Aber der Konsument vergisst schnell. Wir müssen ihn also immer wieder erinnern, dass er den lokalen Handel stärken muss. Wer will, dass es den Schuhhändler ums Eck in zehn Jahren noch gibt, der muss in den nächsten zehn Jahren dort auch einkaufen.

Preislich kann der stationäre Handel oft nicht mithalten, auch beim Angebot nicht.

as stimmt. Obwohl regional nicht immer teurer sein muss. Unser Problem ist, dass viele Händler digital noch nicht fit sind. Manche findet man nicht einmal im Internet. Da müssen wir investieren.

Sind Sie verärgert über die Regierung, dass viele Verordnungen so schlampig sind?

Nein. Ich möchte nicht in der Haut der Regierung stecken. Das ist eine nie da gewesene Situation. Ich habe kein Verständnis dafür, dass derzeit jeder zum Verfassungsgerichtshof rennt, weil er glaubt, dass er in seiner persönlichen Freiheit gestört ist.

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