Nischenprodukt Pferdeleberkäse: Zu Besuch beim letzten "Pepi-Hacker"
Die Spezialität geht in rein weißem Einpackpapier über den Ladentisch. Gut getarnt sozusagen. Dass der Firmenname nirgends aufgedruckt ist, wenn Pferdeleberkäse, -Dürre und -Knacker in Gumprecht-Filialen für die Kundschaft eingewickelt werden, hat einen gefinkelten Grund.
Denn so könnten Kundinnen, die für ihre Lieben Pferdespezialitäten besorgen, den Einkauf zu Hause unauffällig im Kühlschrank verstauen, erklärt Firmenchefin Margarete Gumprecht. Und Skeptiker bekämen vielleicht gar nicht mit, was auf ihrem Teller landet.
Zwar werde das Pferdefleisch wieder verstärkt nachgefragt, sagt Gumprecht. Vor allem von kulinarischen Traditionalisten und Ernährungsbewussten. Und überhaupt in Wien, „wo der Pferdeleberkäse hingehört wie die Sachertorte“. Man verkaufe heute aber ein Nischenprodukt.
Geschichte
Zuletzt war der Pferdeleberkäse kurzfristig in aller Munde. Dass ein Fiakerfahrer seinen Fahrgästen erzählte, die Pferde müssten sich ihr Futter verdienen, sonst kämen sie zum Fleischhauer, wurde von Tierschützern zu PR-Zwecken medial ausgeschlachtet – obwohl Fiakerpferde so gut wie nie als Snack enden. Das war aber nicht immer so.
Früher, als es noch bedeutend mehr Fiaker gab und Pferdefuhrwerke Bier und Kohlen auslieferten, versorgte die Transportbranche auch die „Pepi-Hacker“ – wie die Pferdefleischhauer in Wien genannt wurden. Rund 600 gab es laut Wirtschaftskammer in der Nachkriegszeit. Als Pferdefleisch noch als Arme-Leute-Essen galt. Und bevor sich Supermärkte mit Frischfleischtheken in den 60ern und 70ern zur kaum überwindbaren Konkurrenz entwickelten. In den 1980er-Jahren waren in Wien nur noch zwei Betriebe übrig: Die Firmen Schuller und Horn.
Heute gibt es in Wien und Umgebung 14 Geschäfte, in denen Leberkäse und andere Pferdespezialitäten verkauft werden. Geschlachtet wird in der Bundeshauptstadt aber nicht mehr. Der einzige auf Pferde spezialisierte Schlachthof steht in Enns (OÖ) und gehört Familie Gumprecht – die 1992 nach Wien expandierte, die Firma Horn übernahm und die Marke Schuller kaufte.
Abgesehen von sechs eigenen und acht Franchise-Filialen beliefert die Ennser Zentrale rund 400 Kunden in Wien, Niederösterreich und im Burgenland: Würstelstände, Feinkostläden, Großküchen und Restaurants.
Black-Beauty-Romantik
Von den einen wird Pferd also als Spezialität wahrgenommen. Andere lehnen Pferdeleberkäs’ und Co. strikt ab. Wegen emotionaler Hürden etwa – das seien „in erster Linie Frauen, die romantisch an Fury und Black Beauty denken“, sagt Gumprecht. Da käme es schon einmal vor, dass Mädchen zornig „Pferdemörder“ in eine Filiale brüllen. Andere würden schlicht nicht essen, was sie nicht kennen.
„65 Prozent unserer Kunden sind zwischen 40 und 70 Jahre alt. Jüngere zeigen kaum Interesse“, sagt auch Rudolf Schuller – der früher in Floridsdorf selbst schlachtete, seine sechs Filialen heute aber beliefern lässt.
Alleinstellungsmerkmal
Die überschaubare Zielgruppe sei nicht die einzige Herausforderung. Da es keine Stallungen gibt, in denen Pferde ausschließlich zur Fleischproduktion gezüchtet werden, sei man auf Lieferungen privater Halter sowie aus der Landwirtschaft angewiesen, so Gumprecht. Was mitunter zu Lieferengpässen führe.
Ein gemischter Fleischerbetrieb wolle man dennoch nicht sein. Pferd sei halt das Alleinstellungsmerkmal, auf das man spezialisiert sei.
"Weniger Kalorien und fettärmer"
Zudem sei die Ware in vieler Hinsicht besser als andere Fleischarten. „Sie kommt nicht aus Massentierhaltung, hat keine langen Transportwege hinter sich, hat weniger Kalorien und ist fettärmer“, erklärt Gumprecht. So weise 100 Gramm durchschnittliches Muskelfleisch beim Pferd 2,7 Gramm Fett auf und beim Schwein 30 Gramm.
In puncto Sortiment braucht man sich nicht zu verstecken. Neben Dürre und Knacker gibt es Käsekrainer, Honigschinken und Fohlenripperl, Geselchtes, Gulasch oder Hunde-Leckerlis. (In Transdanubien traditionell nach dem Schuller-, im Rest der Stadt nach dem Gumprecht-Horn-Rezept.) Am gefragtesten ist aber der Pferdeleberkäse.
Fiakerpferde verarbeite man übrigens nicht – nur Pferde, die bereits im ersten Lebensjahr im Equidenpass als Nutztiere registriert sind. Das werde streng kontrolliert.
Beliebt in Kaisermühlen
Wien isst anders. Das hat sich für Mario Scheday, Miteigentümer der legendären Leberkäse-Imbisskette „Leberkas Pepi“, in den vergangenen Jahren mehr und mehr bestätigt. Konkret am Beispiel des Pferdeleberkäses.
Während dieser in Linz, wo der Leberkas Pepi vor 25 Jahren seinen Anfang nahm, nur sporadisch bestellt wird, ist er in der Bundeshauptstadt auf der Beliebtheitsskala auf Platz drei. „Er kommt gleich nach dem klassischen Leberkäse und dem Käse-Leberkäse“, sagt der Geschäftsführer der Wiener Filialen.
Am allerbesten verkaufe sich der Pferdeleberkäse übrigens in der Zweigstelle im Donauzentrum. „An guten Tagen gehen hier 50 bis 100 Pferdeleberkäse-Semmeln über die Theke. Kaisermühlen ist damit unser Pferdeleberkäse-Mekka.“ Es sei auch die einzige Filiale, in der drei Pferdeleberkäse-Sorten angeboten werden: Klassisch, mit Käse und Käseroni (mit Käse und Pfefferoni). In den Filialen in der Operngasse und beim Hauptbahnhof gebe es jeweils zwei.
Ganz rein sei der Pferdeleberkäse übrigens nicht. „Es ist immer ein bisschen Schweinefleisch mit dabei. Sonst besteht die Gefahr, dass er zu trocken wird. Pferdefleisch ist sehr mager. “
Fettarmes Fleisch
Tatsächlich hat Pferdefleisch im Schnitt nur ein Drittel soviel Fett wie Schwein, nur halb soviel wie Rind, und sogar weniger als Kalb oder Geflügel. Zudem ist es cholesterinarm, dafür reich an Proteinen, hat einen hohen Anteil an Eisen und auch an ungesättigten Fettsäuren. Deshalb sei der Pferdeleberkäse auch bissfester als die anderen Sorten. „Und es hat einen Eigengeschmack wie Wild, es ist leicht süßlich“, sagt Scheday.
Bestellen würden den Pferdeleberkäse übrigens tendenziell eher ältere Menschen und mehr Männer als Frauen, sagt Scheday. Und auch bei manchen Touristen sei diese Sorte sehr beliebt. „Urlauber aus Amerika und Asiaten greifen besonders gerne zu, wenn ,horse meat’ auf der Tafel steht.“
Der Skandal
2013 wurde Pferdefleisch in Lasagne, Burgern und anderen Tiefkühlprodukten gefunden. Betrüger haben mehr als 500 Tonnen Pferdefleisch als Rindfleisch ausgegeben. Alarm schlugen die Behörden deshalb, weil Fleisch von Pferden, die nicht als Nutztiere aufgezogen wurden, gefährlich für den Menschen sein kann. Die Pferde könnten etwa mit Medikamenten behandelt worden sein, die Menschen nicht vertragen.
Das Urteil
Im April 2019 sind die Verantwortlichen verurteilt worden. Zwei Jahre Haft erhielt der niederländische Händler Johannes Fasen, der den Betrug organisiert hatte. Der frühere Chef der französischen Fleischverarbeitungs-Firma Spanghero, Jacques Poujol, muss für sechs Monate ins Gefängnis.
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