Wiens erste Museumswohnung für eine Frau
Es ist eine kleine Wohnung hinter einer unscheinbaren braunen Tür im sechsten Stock eines Gemeindebaus im 5. Bezirk in Wien. Aber so klein die Wohnung auch ist, so groß ist das Projekt, das sich dahinter verbirgt.
Tatsächlich werden die dortigen Räume derzeit in ein Gedenkmuseum umgewandelt. Nämlich für Architektin und Widerstandskämpferin Margarete Schütte-Lihotzky.
Das allein ist noch nicht ungewöhnlich. In Wien gibt es schließlich viele Wohnungen historischer Persönlichkeiten zu besichtigen, von Johann Strauss etwa, Sigmund Freud, Franz Schubert oder Wolfgang Amadeus Mozart. Allesamt sind es aber Gedenkstätten für Männer.
Schütte-Lihotzkys Wohnung in der Franzensgasse, die ab Sommer für die Öffentlichkeit zugänglich sein soll, ist das erste Gedenkmuseum für eine Frau in Wien. Der Architektin, die heute vor genau 125 Jahren geboren wurde, würde diese Pionierrolle wohl gefallen. Bis ins hohe Alter engagierte sie sich in der Frauenbewegung. „Zum Beispiel wies sie immer wieder darauf hin, wie viele Frauen in der NS-Zeit – wie sie selbst – im Widerstand waren und verhaftet wurden“, sagt Christine Zwingl vom „Margarete Schütte-Lihotzky Club“, die das Entstehen der Gedenkwohnung vorantreibt. „Sie wollte, dass diese Frauen in Erinnerung bleiben.“
Männliche Elite
Mit der Erinnerungskultur für Frauen im öffentlichen Raum ist es generell so eine Sache: Personenbezogene Straßennamen sind in Wien zu 88 Prozent männlich (2015 waren es sogar noch 95 Prozent), auch Denkmäler für Frauen sind kaum zu finden. „Die meisten Tafeln und Denkmäler stammen aus dem 19. Jahrhundert und wurden von der männlich dominierten Elite beschlossen“, sagt Alina Strmljan, Curatorial Fellow im Wien Museum. Frauen sehe man nur dann, wenn diese aus Herrschaftshäusern stammen (wie Maria Theresia) oder wenn sie abstrakt als Beiwerk dargestellt werden. Also schön, nackt oder als Muse.
Zudem seien Frauen damals von vielen Dingen ausgeschlossen gewesen, etwa von Universitäten oder anderen wichtigen Institutionen, was dazu führte, dass nur wenige von ihnen Ruhm erlangten. Während es bei den Straßennamen sogar einen Gemeinderatsbeschluss gibt, dass in Wien vorrangig Frauen bei der Benennung neuer Verkehrsflächen berücksichtigt werden, wird sich bei Denkmälern das Geschlechterverhältnis wohl nicht so schnell verändern.
Pionierin
Margarete Schütte-Lihotzky lebte von 1897 bis 2000. Sie war vermutlich die erste Frau, die in Österreich als Architektin tätig war
Vielseitig
International wurde sie als
Erfinderin der Frankfurter Küche bekannt, der als Prototyp der modernen Einbauküche gilt. Sie war allerdings viel mehr als das, z. B. Widerstandskämpferin und Frauenförderin
Geehrt
Sie erhielt den Ehrenring der Stadt Wien und ist in einem Ehrengrab auf dem Wiener
Zentralfriedhof bestattet
Der Grund: Personenkult ist nicht mehr zeitgemäß, es werden kaum noch Denkmäler für einzelne Personen errichtet. Bei Gedenkstätten arbeite man jetzt vermehrt themenbezogen, heißt es aus dem Büro von Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ). Derzeit werde etwa ein Denkmal für Männer und Frauen entwickelt, die Opfer der Homosexuellen-Verfolgung in der NS-Zeit wurden.
Das mit der Abkehr vom Personenkult stimme zwar, sagt Anna Jungmayr, ebenfalls vom Wien Museum, das Missverhältnis der Geschlechterdarstellung im öffentlichen Raum solle man trotzdem nicht so hinnehmen.
Als Beispiel führt sie den Arkadenhof der Universität Wien an. Zwischen 1888 und 2015 wurden dort insgesamt 154 Büsten und Tafeln für historische Persönlichkeiten angebracht. Darunter befand sich eine einzige für eine Frau – eine gesichtslose Gedenktafel für die Autorin Marie von Ebner-Eschenbach.
Bei der Universitätsleitung war man ursprünglich der Auffassung, dass Büsten überholt seien. Proteste zeigten aber Wirkung: 2016 wurden sieben Denkmäler für Wissenschafterinnen enthüllt.
Lieber ein leerer Sockel
Die fehlende „Adding Culture“ was Frauen betrifft – die im Gegenteil zur negativ behafteten „Cancel Culture“ hinzufügen und nicht zensieren will – sei ein internationales Phänomen, sagt Monika Sommer, Direktorin des Haus der Geschichte Österreich. Am Prato della Valle in Padua (Italien) gibt es zum Beispiel 78 Denkmäler und bis heute kein einziges für eine Frau. Und das, obwohl einerseits Elena Lucrezia Cornaro Piscopia dort 1678 als weltweit erste Frau zur Doktorin ernannt wurde und andererseits zwei leer stehende Sockel für Denkmäler auf dem Platz zu finden sind. Ein Argument gegen eine Frauen-Statue war zum Beispiel „man müsse aus der Vergangenheit lernen, nicht diese ändern“. Die Diskussion schaffte es sogar in die New York Times.
Mehr als eine Küche
Doch zurück zu Schütte-Lihotzkys Wohnung: Diese wird derzeit in den Originalzustand zurückversetzt. Erst allerdings nur der Wohnbereich, nicht die Küche. Bei der Eröffnung wird die Frankfurter Küche, der Vorläufer aller Einbauküchen, für die die Architektin bis heute bekannt ist, also noch nicht zu sehen sein.
Wer die Wohnung künftig besucht, bekommt vor allem einen Einblick in ihr Leben – etwa von der eingangs erwähnten Christine Zwingl, die in den 80ern als junge Architektin Schütte-Lihotzky aufgesucht hat und mit ihr fortan in Kontakt geblieben war. Sie kann weit mehr erzählen als nur über die Küche.
Auch das würde Schütte-Lihotzky gut gefallen. „Ich bin keine Küche“, sagte sie selbst in einem Interview. „Hätte ich gewusst, dass alle nur über diese verdammte Küche reden, ich hätte sie nie erfunden.“
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