Wiener Wein: Gemischter Satz soll dem Klimawandel trotzen
2018 war ein extremes Jahr und ein Härtetest für den Weinbau. Auch in Wien führten die Wetterkapriolen zur frühesten Lese, an die sich die Winzer erinnern können. Ein Ausnahmejahr wird es mit großer Wahrscheinlichkeit aber nicht bleiben. Denn durch den Klimawandel werden Extreme häufiger auftreten. Darauf muss die Branche reagieren. Sei es durch ein intensives Boden- und Begrünungsmanagement im Weingarten oder durch die Auswahl besonders widerstandsfähiger Weinsorten.
Das Vorjahr brachte für die heimischen Winzer besondere Herausforderungen mit sich: Auf einen warmen Jänner folgte in Wien ein extrem kalter Februar mit Temperaturen bis zu minus 18 Grad. Im März trieben die Knospen der Weinstöcke aus - bevor im April der Frost die Vegetation ausbremste. Und im Sommer wurde es dann heiß und trocken. Wie berichtet, zwang der Reifegrad der Trauben die Winzer bereits ab August zur Lese. So früh wie nie zuvor.
Dank exakten Wissens um die Eigenheiten ihrer jeweiligen Lagen sei es für die Wiener Winzer dennoch ein gutes Jahr gewesen, betonen die Mitglieder der WienWein-Gruppe - Fritz Wieninger, Michael Edlmoser, Rainer Christ, Gerhard Lobner (vom Weingut Mayer am Pfarrplatz), Thomas Huber (Fuhrgassl-Huber) und Thomas Podsednik (Weingut Cobenzl). Das warme Jahr habe "gehaltvolle, strukturierte 2018er-Weine" hervorgebracht, sagt Christ: "Ein Tick komplexer als der 2017er-Jahrgang; mit schöner Frucht, Frische und einem Alkoholgehalt im moderaten Bereich". Vor Kurzem wurde der neue Jahrgang gefüllt.
Spätfrost und Hitze
Damit man auch mittel- bis langfristig den Geschmack der heimischen Weinkonsumenten treffen könne, müssen nun Vorkehrungen im Weingarten getroffen werden, erklären die Winzer. Denn „normale“ Weinjahre gebe es nicht mehr, so Christ. Jedes Jahr sei anders. Man müsse sich darauf einstellen, dass Jänner und Februar mild, aber auch sibirisch kalt sein könnten; dass spät im März noch heftige Fröste auftreten und die Sommer weitgehend niederschlagsfrei bleiben können. Die Schwankungen werden zunehmend extremer.
Schon jetzt ist es in Österreich im Schnitt um fast zwei Grad wärmer als 1880. Die Zahl der Hitzetage über 30 Grad Celsius stieg von 9,6 (das entspricht dem Schnitt von 1961 bis 1990) auf 15,2 (1981 bis 2010). 2015 wurden sogar 42 Hitzetage gezählt. Und 2018 gab es den heißesten Mai seit 1868 sowie den trockensten Frühling seit 2003. Zudem sagt der UNO-Weltklimarat bis zum Ende dieses Jahrhunderts eine Erwärmung von 3,5 Grad Celsius voraus.
Traditionelle heimische Sorten könnten in 20 bis 30 Jahren also nicht mehr gedeihen. "Zumindest brächten sie in den derzeitigen Lagen keine großen Weine mehr hervor", sagt Wieninger. "Unser Grüner Veltliner würde seine Würzigkeit verlieren und der Riesling seine charakteristische Säure einbüßen."
Riesling statt Neuburger
Bei der WienWein-Gruppe meint man insofern eine adäquate Lösung parat zu haben. Denn im Gegensatz zu Monokulturen ermögliche es der Wiener Gemischte Satz (also das gemeinsame Aussetzen verschiedener Weinsorten im selben Weingarten), auf wechselnde Wetterbedingungen zu reagieren, erklärt Podsednik. "In manchen Jahren kommt der Veltliner mit den Bedingungen besser zurecht, in manchen der Weißburgunder oder der Neuburger. Durch die Sortenmischung können wir mit langfristigen Klimaveränderungen besser umgehen."
Dadurch werde sich die Sortenzusammensetzung des Wiener Gemischten Satzes mittelfristig ändern. "Wahrscheinlich werden wir in Zukunft weniger Neuburger auspflanzen - sondern mehr Riesling, weil er mehr Säure hat", sagt Podsednik. Den Grünen Veltliner werde es zwar weiterhin geben, er werde sich geschmacklich aber ebenso weiterentwickeln wie in den vergangenen 50 Jahren. Heute sei er "wesentlich weniger sauer als noch in der Generation unserer Großeltern". Auch pilz-widerstandsfähige (PIWI)-Sorten werden an Bedeutung gewinnen.
Begrünung gegen Erosion
Eine weitere Strategie im Kampf gegen Ernteeinbußen in Folge des Klimawandels sei ein intensives Boden- und Begrünungsmanagement, erklärt Winzer Gerhard Lobner. Da extreme Witterungsverhältnisse - etwa sturzflutartige Regenfälle, die auf Trockenperioden folgen - schnell zu Bodenerosionen führen können, müsse der Boden intensiv und artenreich begrünt werden. "So bauen wir eine Schicht Humus auf, die eine Speicherzone für Wasser bildet. Die Wurzeln von Gras, Klee, Moos und sogenannten Unkräutern wie Löwenzahn, Brennesseln oder Kresse halten den Boden fest. Und sie steigern die Aufnahmefähigkeit des Bodens für Wasser; es kann mehr versickern und die Gefahr von Überschwemmungen sinkt. Begrünter Boden bietet also einen Schutz gegen Erosion und kommt mit Trockenheit besser zurecht."
Gleichzeitig verbessere ein begrünter Untergrund die Weinberge selbst. "Das Grün speichert Wasser und hält es zurück, weshalb begrünter Boden bei längeren Hitzeperioden kühler bleibt und nicht so schnell austrocknet", erläutert Lobner. "Gleichzeitig entsteht Nährstoffkonkurrenz zu den Rebstöcken - eine Art gesunder Stress, der die Pflanzen kräftig und widerstandsfähig macht."
Das Bodenmanagement soll trotz großen Aufwands und entsprechender Kosten im Wiener Weinbau künftig eine große Rolle spielen. Nicht zuletzt im Hinblick auf die Lagenklassifizierung.
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