Zuletzt sorgte vor allem die enge stickige Erdgeschoß-Kammer, in der die Teilnehmer der Untersuchungskommission zur Causa Wien Energie alle zwei Wochen stundenlang ausharren müssen, für Debatten darüber, wie zeitgemäß der Neogotik-Bau noch ist.
Der KURIER hat sich umgehört, ob Wien dem Bund folgen und auch sein Parlament einem Facelift unterziehen soll. Und zwar bei jenen, die es am besten wissen müssten: Den Abgeordneten, die im Rathaus ihren Arbeitsplatz haben (wie übrigens insgesamt mehr als 1.100 Personen verschiedenster Professionen).
Beengte Verhältnisse
„Als moderner parlamentarischer Arbeitsplatz ist unser Sitzungssaal – im Vergleich mit dem Plenarsaal im Parlament – tatsächlich nur mäßig geeignet“, sagt Thomas Reindl (SPÖ), seit 2015 Vorsitzender des Gemeinderats.
Ein Problem seien vor allem die beengten Platzverhältnisse, die der historischen Ausgestaltung geschuldet ist. „Die Pulte der Abgeordneten sind so schmal, dass man fast schon seinen Vordermann stört, wenn man seinen Laptop aufklappt.“
Praktischer sei da schon das Corona-Ausweichquartier im Festsaal gewesen, das aber andere Nachteile hatte. Die Akustik und großen Abstände zwischen den Sitzen und dem Rednerpult hätten die Debattenkultur erheblich beeinträchtigt.
Umbau schwierig
Allzu großen Spielraum, den alten Sitzungssaal umzugestalten, sieht Reindl jedoch nicht. Die historische Bausubstanz lasse naturgemäß nur geringfügige Eingriffe zu.
Nicht das einzige Problem, wie der Politiker zu bedenken gibt: Um den Abgeordneten ein bequemeres Arbeiten zu ermöglichen, bräuchten sie mehr Platz – der allerdings im Sitzungssaal nicht vorhanden ist.
Das unterscheidet ihn vom Plenarsaal des Nationalrats im benachbarten Parlament. Hier tagte bis 1918 das Herrenhaus. Das Gremium war deutlich größer als der heutige Nationalrat mit seinen heute 183 Mandataren, denen daher viel mehr Platz zur Verfügung steht.
Keine Pläne für Zubau
Bliebe noch die theoretische Möglichkeit, einen größeren Sitzungssaal in einem modernen Zubau zu schaffen. Wobei es auch dafür aktuell keine konkreten Ideen, geschweige denn Pläne gibt.
Manfred Juraczka (ÖVP) ist dritter Präsident des Wiener Landtags, der denselben Saal benutzt wie der Gemeinderat. Geht es nach ihm, sollte dieser bleiben wie er ist, „er gefällt mir außerordentlich gut. Man sitzt zwar nicht so bequem wie im Zug oder Flieger, zum Osteopathen muss man nach den Sitzungen aber auch nicht.“
Elektronisch Abstimmen
Was Juraczka wie Reindl vermisst, ist die Möglichkeit von elektronischen Abstimmungen (die es allerdings im neuen Parlament auch nicht gibt). „Man könnte direkt sehen, wie jeder einzelne Abgeordnete abstimmt. „Derzeit hat man nicht einmal den Überblick, wer gerade fehlt oder bei der Abstimmung nicht an seinem Platz war“, sagt Juraczka.
Er wünscht sich auch eine großzügigere Besuchergalerie. Das überrascht ein wenig, ist sie doch derzeit ziemlich schütter besucht. Das liege aber daran, dass die Stadt den Besuch der Sitzungen zu wenig aktiv bewerbe, ist der ÖVP-Politiker überzeugt.
Ähnliches gelte auch für die Stadt-Info im Erdgeschoß, die vor allem von Touristen genutzt werde.
Auf jeden Fall brauche es aber einen größeren Saal für die U-Kommissionen, betont Juraczka. Dass es einen solchen aufgrund der vielen Veranstaltungen im Rathaus (ein weiterer Unterschied zum Parlament) nicht gebe, wie seitens der Stadt betont wird, will er nicht so recht glauben. „Für die Ausschüsse müssen die Räumlichkeiten auch vorübergehend adaptiert werden. Es müsste doch auch ein würdiger Raum für die U-Kommission zu finden sein.“
Letztlich gibt es aber einen entscheidenden Grund, warum derzeit kein Politiker – egal welcher Couleur – eine großflächige Umgestaltung des Rathauses fordert: das Geld. David Ellensohn, Klubchef der Grünen, fasst es stellvertretend für alle anderen zusammen: „Nach der umfassenden Sanierung der Außenfassade des Rathauses ist gerade in Zeiten wie diesen kein Geld für solche Projekte vorhanden.“
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