Warum die Sanierung des Parlaments eine Meisterleistung war

Warum die Sanierung des Parlaments eine Meisterleistung war
Am Mittwoch wird das Parlament neu eröffnet. Wie hat man ein 140 Jahre altes Gebäude ins digitale Zeitalter gebeamt?

100 Firmen haben in fünf Jahren mit oft 400 bis 500 Arbeitern auf der Baustelle diese knifflige Aufgabe gelöst – und zwar bravourös, wie sich das Publikum ab 14. Jänner selbst überzeugen kann. Man hat „mehr“ Parlament, denn bisher nicht genutzte Räume sind nun sinnvoll verwertet, hauptsächlich für die Öffentlichkeit. Das Alte wurde herausgeputzt, das Neue feinfühlig eingepasst. Die Technik ist auf dem letzten Stand. Und: Der Baukostenrahmen von 420 Millionen Euro dürfte halten

Warum die Sanierung des Parlaments eine Meisterleistung war

12. Jänner
In einer gemeinsamen  Sitzung von Nationalrat und Bundesrat wird das sanierte Parlament feierlich eröffnet. Gastredner ist der Präsident des deutschen Bundestags Wolfgang Schäuble. Es spielen die Wiener Philharmoniker, es singen die Sängerknaben und die Chormädchen.

14./15. Jänner
An zwei Tagen der offenen Tür ist das Parlament erstmals für das Publikum zu besichtigen

Ab 16. Jänner
Die Gastronomie ist ab 16. Jänner in Betrieb. Das Dachrestaurant wird bis 24 Uhr geöffnet haben. Die Bibliothek, das Besucherzentrum, die Schauräume  und alle anderen Publikumsbereiche haben von Montag bis Freitag, 8 bis 19 geöffnet, am Samstag von 9 bis 17 Uhr

Die Finessen der Sanierung

Ein Highlight im sanierten Parlament ist das neue Besucherzentrum. Es erstreckt sich über 1.500 Quadratmeter und ist flankiert von den beiden Sälen „Auditorium“ und „Forum“.  27 interaktive Medienstationen  geben hier Einblick in die Geschichte der Demokratie ab 1848, erklären parlamentarische Abläufe und die Gewaltenteilung, beleuchten das Zusammenspiel von Politik und Medien. Es gibt Versionen für alle Altersklassen, auch für Kinder.

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So sah das alte Gewölbe unter der Säulenhalle aus.

Dieses Areal musste dem alten Haus  abgetrotzt werden. Die bekannte Säulenhalle liegt unmittelbar darüber. Ihr Boden wurde mit riesigen Stahlträgern unterfangen, die in Zentimeterarbeit in das alte Gemäuer eingepasst wurden. Dadurch konnten  Stützgewölbe und Zwischendecke entfernt werden, ein neuer Saal entstand. Nur die Säulen der Säulenhalle finden weiter  ihre Fortsetzung im Geschoß darunter, wodurch das Besucherzentrum ein modernes Abbild der Säulenhalle ist.

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Das umstrittene Klavier

Küche im Raum über dem goldenen Klavier

Der Empfangssalon des Nationalratspräsidenten, der den edlen, goldenen Flügel beherbergt, wird künftig kein Tageslicht mehr haben. Die Kassettendecke aus Glas ist zwar erhalten geblieben, aber darüber werken jetzt die Köche der „Labstelle“.  Im ausgebauten Dachboden wurde Raum für eine weitläufige Gastro-Zone geschaffen: für das öffentliche Restaurant, die Kantinenzone für Abgeordnete und Mitarbeiter, das Café „Kelsen“.

In die vier Lichthöfe wurden Stiegen und Lifte eingebaut,  die Stiegen als selbstständige Bauwerke, ohne das alte Mauerwerk zu behelligen. In sie fällt Licht von oben.

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Von der Volksgartenluft  zu Fernkühle und Fernwärme

Im Bauch des Parlaments befand sich früher ein Raum, in den mittels Rohr unter der Ringstraße hindurch Luft aus dem Volksgarten angesaugt wurde, um sie in den Plenarsaal zu blasen. Später hat man aus Sicherheitsgründen die Frischluft aus den Lichthöfen  geholt. Dieser Luftraum wurde überflüssig und in ein Ausschuss-Lokal verwandelt. Für die richtige Raumatmosphäre sorgen ab nun Fernwärme und Fernkälte, deren aufwendige Verrohrung in einem der drei Kellergeschoße untergebracht ist. Elektrisch wird das Hohe Haus von zwei Umspannwerken beliefert, um die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Das gesamte Haus wurde technologisch auf Letztstand gebracht: Internetanschlüsse, Tonanlagen, Videosysteme. In einem der Keller gibt es einen Versorgungsring – eigentlich hat er eine H-Form –, durch den die Kabelautobahnen verlaufen, und von wo aus die Gebäudeinfrastruktur zentral gemanagt und gewartet wird.

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Ein gigantischer Stahlring trägt die Kuppel

Über dem Plenarsaal wurde eine neue Glaskuppel errichtet. Getragen wird die Kuppel von einem gewaltigen Stahlring. Für dessen Montage in vier Tranchen zu je 45 Tonnen wurde eigens ein Spezialkran aus Deutschland geholt. Das Kranmonstrum war so groß, dass der Stahlring in der Nacht montiert wurde, weil die Ringstraße gesperrt werden musste.   Der Stahlring wurde von der Firma Urbas im Kärntner Völkermarkt hergestellt. Die Glaskuppel misst 550 Quadratmeter. Der Saal für die Bundesversammlung, wo Nationalrat und Bundesrat gemeinsam tagen, hat seine historische Glaskuppel behalten. Auch das gläserne Satteldach über der Säulenhalle blieb bestehen. Man kann es vom Restaurant im Dachgeschoß von oben sehen.

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Der Schriftzug durfte nicht zum Adler auf die Wand

Der Adler ist 2,8 Meter groß und 650 kg schwer. Er wurde vom Bildhauer Rudolf Hoflehner  aus Stahlblech gefertigt. Der Adler und die Wandvertäfelung aus Nussholz, ebenfalls aus den 1950er-Jahren, wurden restauriert. Das Denkmalamt hat darauf bestanden, und auch das Parlament wollte die Wiedererkennung des Plenarsaals  erhalten. Eine Neuerung war allerdings vorbereitet: Ein Schriftzug mit den sich überlagernden Worten „Demokratie“, „Parlament“ hätte unter dem Adler angebracht werden sollen. Doch die Fraktionen konnten sich nicht darauf einigen, also hängt der vom Künstler Heimo Zobernig gestaltete Schriftzug nun im Lokal I, dem künftigen Schauplatz von Untersuchungsausschüssen (Foto oben).  Zobernig-Gemälde zieren den Saal mit dem Klavier, die Bilder der Nationalratspräsidenten, die bisher dort hingen, wurden in die Couloirs um den Plenarsaal abgesiedelt.

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Stelen fürdie Technik, um Wände zu verschonen

Elektronische Lichtschalter, die automatische Fensterverdunkelung, Blitzleuchten, Türöffner, eine digitale Uhr, das Läuten zu Sitzungsbeginn und Abstimmungen, die Durchsageanlage und teils noch einiges mehr: das ist alles in Stelen versteckt, die zu Hunderten in Räumen und Gängen herumstehen. Die Alternative wäre gewesen, die mit Steinplatten verkleideten Wände aufzustemmen, um den Kabelsalat darin zu versenken. Man hätte dann die prunkvolle Verkleidung  mühsam wiederherstellen müssen, und die  Mini-Screens und digitalen Blinker hätten sich im Marmor trotzdem nicht  gut gemacht.  Daher hat man sich für die etwas unschönen, aber funktionellen schwarzen Säulen als Technikgehäuse  entschieden. Die Wände blieben unversehrt, die Kabel sind im Boden verlegt, was in den von Gewölben gestützten und mit Steinmosaik belegten Böden aufwendig genug  war.  Das Parlamentspersonal kämpft noch mit der Technik, denn es gibt keine Schalter mehr, alles läuft über Sensoren oder Fernbedienung.

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Die Container werden vom Heldenplatz  entfernt 

Während der fünf Jahre dauernden Sanierungsarbeiten wich das Parlament in die Hofburg aus, wo die Nationalratssitzungen stattfanden.  Büros für Klubobleute und Klubmitarbeiter, die zuvor im Haupthaus am Ring untergebracht waren,  wurden in ein eigens errichtetes  Containerdorf auf dem Heldenplatz abgesiedelt. Die Rückübersiedlung ins sanierte Ringstraßenpalais ist inzwischen abgeschlossen, die Container sind verwaist.  Was damit passiert, ist noch nicht ganz geklärt. Sicher ist,  dass die Container demnächst  vom Heldenplatz verschwinden. Dem Vernehmen nach ist das Verteidigungsministerium interessiert. Die Container könnten als mobile Soldatenunterkünfte bei Truppenübungen oder Assistenzeinsätzen an der Grenze dienen. 

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