Wiener Lange Gasse: Sieben Jahre bis zur Begegnungszone

Für Radfahrer ist der neu gestaltete Abschnitt keine Einbahn mehr. Sie dürfen nun, wie auch Autos und Fußgänger, die ganze Fläche nutzen
150-Meter-Abschnitt der Lange Gasse wurde nach Debatten umgebaut und am Donnerstag eröffnet.

„Das ist wie auf der Mariahilfer Straße“ ruft ein Radfahrer in einem grünen Kurzarmhemd einem entgegenkommenden Biker zu. Der Mann lässt einmal seine Klingel ratschen und fährt mit breitem Lächeln im Gesicht weiter. Anlass für seine gute Laune ist offenbar die neue Begegnungszone in der Lange Gasse, die nach jahrelangen Diskussionen und rund drei Monaten Bauzeit am Donnerstag eröffnet wurde.

Seinen Ausgang nahm der Umbau des Straßenabschnitts in Wien-Josefstadt vor rund sieben Jahren, als die MA28 (Straßenbau) den desolaten Belag reparieren wollte. Anrainer setzten sich daraufhin dafür ein, die Sanierung zum Anlass für eine Neugestaltung zu nehmen.

„Der Gehsteig war sehr schmal, mit einem Kinderwagen kam man kaum durch. Und Taxler sind hier gerne ausgewichen, wenn auf der Zweierlinie Stau war“, erzählt Christian Schrefel, der an einem Holztisch in der Vormittagssonne Kaffee trinkt. Er engagierte sich über den Verein Asphaltpiraten von Beginn an für den Umbau.

Zur Begegnungszone wurde letztlich ein rund 150 Meter langer Abschnitt zwischen Josefstädter Straße und Hugo-Bettauer-Platz. Fußgänger, Rad- und Autofahrer sind dort nun gleichberechtigt unterwegs – letztere maximal mit Tempo 20. Wien hat damit seine sechste Begegnungszone bekommen.

Wiener Lange Gasse: Sieben Jahre bis zur Begegnungszone

Ruf nach mehr Grün

„So muss Stadt“, sagt Schrefel und lässt den Blick über die frisch gepflasterte Fläche vor ihm streifen. Nur das Grün fehlt, findet er. Deshalb haben er und Anrainer kurzerhand zwei Pflanztröge mit Sträuchern aufgestellt. Zusätzliche Baume zu setzen, sei aufgrund der vorhandenen Strom-, Wasser- und Gasleitungen nicht möglich gewesen, heißt es aus der MA28. Spätestens in drei Wochen soll aber ein großes Beet mit Sträuchern und Gräsern bepflanzt werden.

„Manchmal ist unter der Straße eben mehr los als oben“, sagt Alexander Planasch. Für den Café-Inhaber war die Begegnungszone mit ein Grund, sich im April in der Lange Gasse einzumieten. „Die Leute starten hier langsam in den Tag oder trinken abends vor dem Theater einen Spritzer – das sind Welten Unterschiede zu früher.“

Wiener Lange Gasse: Sieben Jahre bis zur Begegnungszone

Erik Nussbaum

„Es ist nun absolut ruhig hier. Früher haben sich die Radfahrer hier kaum durchgetraut, weil dahinter gleich die Autos drängelten. Jetzt gehen schon die Fußgänger in der Mitte. Ich bin gespannt, wie sich das weiterentwickelt.“

Wiener Lange Gasse: Sieben Jahre bis zur Begegnungszone

Christopher Ohmeyer

„Die Begegnungszone ist ein Vorteil für alle Nutzer. Jeder kann durch, aber der Schleichweg wird unterbunden. Die Straße hat nun etwas Italienisches. Ich hoffe, dass der Autoverkehr so gering bleibt, wie jetzt.“  

 

Wiener Lange Gasse: Sieben Jahre bis zur Begegnungszone

Alice Katter

„Ich habe mein Büro hier und freue mich über den Umbau. Dadurch wird es jetzt ruhiger und es entsteht eine nettere Atmosphäre. Mehr Grün wäre aber schon schön. Kaum Pflanzen zu haben, aber Parkplätze, ist etwas komisch."

Parkplatzdebatte

Zufrieden mit dem der Umgestaltung zeigt sich auch Bezirksvorsteherin Veronika Mickel-Göttfert (ÖVP). Die lange Diskussion darüber habe sich ausgezahlt. Die Entscheidung über den Umbau hatte der Bezirk den Anrainern überlassen: 56 Prozent stimmten vergangenen Sommer für die Begegnungszone. Ein Streitpunkt war der Wegfall von Stellplätzen. 25 wurden entfernt, zwölf Parkmöglichkeiten (vier davon in einer Ladezone, Anm.) bestehen weiter.

„Ich weiß nicht, ob die paar Parkplätze wirklich notwendig sind. Die Zukunft ist sowieso, dass die Autos verschwinden“, sagt Clemens Castan. Neben ihm auf dem neuen Pflaster steht ein Kübel, er putzt die Auslagenscheiben seines Käse-Spezialitätenladens. „Vor hundert Jahren war die Straße ein sozialer Raum“, sagt er. In der Lange Gasse sehe man nun, wie es sich auswirke, wenn wieder Platz geschaffen wird. „Es wird wieder wie in einem kleinen Dorf.“

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