Wer nicht auf Social Media ist, den gibt es nicht. Zumindest junge Menschen machen sich gerne über Soziale Netzwerke ein Bild vom Gegenüber. Und wer da nicht aufscheint, ist – zumindest in dieser Welt – quasi unsichtbar.
Das Gleiche gilt für Lokale. Ein Blick auf das Instagram-Profil reicht, um zu erfahren, wo sich das Lokal befindet, wie es aussieht und was es zum Essen oder Trinken gibt. Um auf den Marketing-Zug aufspringen zu können, präsentieren sich auch traditionelle Wiener Kaffeehäuser auf den Plattformen. Zuweilen sehr erfolgreich. Neu in der Riege der Wiener Cafés mit Facebook- und Instagram-Profil ist seit Kurzem das Landtmann. Dass es so lange gedauert hat, sei andere Projekten geschuldet, sagt Geschäftsführer Berndt Querfeld. Nun aber sei die Zeit gekommen. „Es ist eine Kommunikationsschiene, die wir nicht nicht nutzen wollen.“
Konservativ nach außen, doch modern
Dass der Auftritt auf Social Media dem traditionellen Bild des Kaffeehauses widerspricht, glaubt Querfeld nicht. „Das Lokal ist nach außen hin konservativ, aber das Landtmann dahinter ist ein hochmoderner Betrieb.“ Dennoch werden die Inhalte auf den neuen Profilen „Landtmann-Like“ sein, sagt Querfeld. Mit einem Augenzwinkern soll auf die Besonderheiten und die Menschen des Lokals eingegangen werden. Etwa mit einer Erklärung, warum Kaffeelöffel immer auf 17 Uhr liegen müssen. Nämlich damit ihn Rechtshänder immer ohne hinzusehen finden können. „Tradition muss ja nicht immer furchtbar trocken sein.“
Social Media steht also nicht zwingend mit der Wiener Kaffeehauskultur in Konkurrenz. Andere Formen der Digitalisierung können das aber durchaus. Das Generationen-Café „Vollpension“ bietet seinen Gästen deshalb die Möglichkeit, Smartphones für die Zeit der Konsumation in einen Tresor zu sperren und dafür zehn Prozent Rabatt zu erhalten.
Im Café „Phil“ ist man entschlossener an die Sache herangegangen: Um die Kaffeehauskultur zurückzubringen, werden Laptops aus dem Lokal ausgesperrt. Immer mehr Studenten seien zum Lernen ins Café gekommen. Corona habe das weiter verstärkt, sagt Geschäftsführer Christian Schädel. „Das Phil soll aber ein Hippieort sein. Hier soll geredet, gelacht und geträumt werden.“ Langes Starren in die Laptops habe das verhindert. Ohne Laptops soll das nun aber zurückkehren. Der Schritt sei nicht aus wirtschaftlichen Interessen erfolgt. „Wir wollten einfach keine Bibliotheksatmosphäre mehr.“ Mittlerweile sei die Geräuschkulisse deutlich gestiegen und auch die Kundschaft habe sich verändert. Sie sei jetzt etwas älter und diverser, sagt Schädel.
Kaffeehaus oder Work-Café
In Österreich sei relativ klar, was unter Kaffeehauskultur verstanden wird. „Dennoch muss sich jedes Café seiner eigenen Identität klar werden“, sagt Zukunftsforscher Tristan Horx. Ob analoges Kaffeehaus oder Work-Café, beides sei möglich. Das Konzept müsse aber immer von den Kunden angenommen werden. Und nicht selten spielen auch wirtschaftliche Interessen eine Rolle. Kunden am Laptop etwa würden weniger konsumieren. „Da müssen dann alternative Wertschöpfungsmodelle gefunden werden. Vielleicht dass Kunden einen gewissen Beitrag bezahlen, um im Café arbeiten zu können“, sagt Horx.
Das Landtmann hat seine Identität bereits gefunden. Mit der Zeit gehen – und auf Social Media vertreten sein – will man aber trotzdem, sagt der Geschäftsführer. Auf „Tik Tok“ Tanzen wird man die Kellner so bald aber wohl nicht sehen.
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