Das Kaffeehaus zwischen Krise und Aufbruch
In Zeiten von steigenden Heizkosten sollten Kaffeehäuser eigentlich zu ihrem alten Ruhm zurückfinden. Immerhin waren sie einst Wärmestuben für all jene, die zu Hause nicht frieren wollten – zum Beispiel arme Künstler.
Doch wegen Omikron scheint genau das Gegenteil der Fall zu sein. Lange mit vielen Menschen zusammen zu sein, ist dieser Tage offenbar wenig verlockend. Umsatzrückgänge sind das Resultat – die Wiener Institution leidet.
Doch die Liebe zum Kaffeehaus, die lebt weiter. Mitten in der Josefstadt öffnete vor wenigen Wochen das „Kleine Wiener Café“ (8., Kochgasse 18). Das Pärchen Tobias Glaser und Helene Lang verwandelten eine ehemalige Muschelbar in ein Café zurück. „Wir haben den alten Namen wieder ausgewählt, der ist sogar im Fenster eingraviert“, sagt Glaser.
Der 33-Jährige arbeite früher in der Behindertenbetreuung. Jetzt hat er sein Hobby zum Beruf gemacht und röstet Kaffee: „Ich kenne meine Bohnen und deren Herkunft“. Sie stammen vom Kaffee-Gürtel: aus Mittel- und Zentralamerika, aus Afrika und Südostasien. Das kleine Kaffeehaus bietet Platz für 25 Besucher. Ein Espresso kostet 2,30 Euro, ein Cappuccino 3,60. „Es gibt auch Kaffee mit Eier- oder Nusslikör“, so Glaser.
Sein Faible für das Kaffeerösten hat er von Charly Fürth, dem ehemaligen Besitzer des Kaffee-Lokals „Comet“ in Neubau: Ihn kennt man für den Fürth-Kaffee. Fürth sei der Meister des Röstens, sagt Glaser. Durch ihn habe er die Liebe zum Kaffee neu entdeckt.
Neuerfindung
Der Ort, an dem der Kaffee serviert wird, der kämpft unterdessen. Den Kaffeehäusern gehe es „nicht so gut“, sagt Wolfgang Binder. Er ist Obmann der Fachgruppe Kaffeehäuser in der Wiener Wirtschaftskammer und selbst Cafetier. 2-G-Regelung und Homeoffice nehme den Kaffeehäusern das Publikum, so Binder. Im Jänner habe man 50 bis 60 Prozent Umsatzeinbußen verzeichnet. Das ist fast ebenso viel wie im Dezember, als zeitweise Lockdown war.
Glaser kennt diese Realitäten. Er habe schon Angst vor der Zukunft, räumt er ein: „Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt“. Glaser möchte mit seinem Lokal ein Bewusstsein für das Kaffeetrinken schaffen. Die Menschen sollen für die Produktion fair bezahlt werden. Und die Herkunft der Bohne solle bekannt sein. „Wie beim Wein eben“, sagt Glaser. Er sieht darin eine Neuerfindung des Kaffeehauses.
In anderen Kaffeehäusern sieht man weniger von dieser Aufbruchsstimmung. Spontane Mittagsgäste fehlen, das Homeoffice sei Schuld, ist zu hören. Eben dieses Homeoffice könne aber auch ein Segen sein, hört man mancherorts. Im Café Merkur in der Josefstadt etwa verbringen doch einige Gäste den ganzen Tag. Sie haben ihr Büro kurzerhand ins Kaffeehaus verlegt. Auch das könnte eine Weiterentwicklung des Kaffeehauses sein.
Spenden- Initiative
Vor Kurzem wurde die Wiener Kaffeehauskultur übrigens exakt 337 Jahre alt. Seit 2011 ist sie Teil des immateriellen Kulturerbes der UNESCO. Und daher will auch ein privater Verein „Club – Das Wiener Kaffeehaus“ diese Institution schützen. Gegründet wurde der Verein von Gerald Matt, dem früheren Direktor der Kunsthalle. Im Jahr 2020 sammelte der Club Spenden in der Höhe von 50.000 Euro und zahlte damit drei Monatsmieten von kleineren Betrieben.
Jetzt hat der Verein einen neuen Spendenaufruf gestartet. Die Stadt und mehrere Firmen unterstützen die Initiative. 100.000 Euro kamen zusammen. Gemeinsam mit dem Zahlungsanbieter Bluecode werden die Spenden an die Cafetiers ausgeschüttet: Für jeden Gast, der im Lokal mit Bluecode bezahlt, erhält der Gastronom fünf Euro von der gesammelten Summe. Unter den Teilnehmern werden drei Dinner im Café Landtmann verlost.
Das, so die Hoffnung, soll die Menschen dazu motivieren, ihr Wohnzimmer doch wieder öfter ins Kaffeehaus zu verlegen.
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