Wiener Heumarkt: Finale im Ringen um das Weltkulturerbe
Eigentlich hätte die Polit-Posse rund um den Erhalt des Weltkulturerbe-Status für die historische Innenstadt bereits im Juni 2022 ihr Ende finden sollen. Da hätten die Welterbehüter der UNESCO zusammentreten und entscheiden sollen, ob Wien wegen des geplanten Hochhausprojektes am Heumarkt (der KURIER hat berichtet) den Welterbestatus endgültig verliert – oder dank der Nachbesserungen am Projekt von der Roten Liste gestrichen wird.
Dann aber griff Russland die Ukraine an. Die UNESCO-Sitzung, die – ausgerechnet – im russischen Kasan hätte stattfinden sollen, wurde abgesagt. Und überhaupt hatten die Welterbehüter angesichts des Krieges, in dem die Russen gezielt Kulturgüter ins Visier nahmen, größere Sorgen als die Wiener Innenstadt.
Die leidige Causa, mit der sich die Stadt nur ungern beschäftigt, verschwand also von der Tagesordnung. Zumindest bis jetzt: Denn mittlerweile steht fest, wann die Welterbehüter über die Zukunft Wiens entscheiden werden. Die entscheidende Sitzung findet von 10. bis 21. September in Riad, der Hauptstadt von Saudi Arabien, statt.
Die Stadtregierung – und der von ihr ernannte Welterbebeauftragte, der Landtagspräsident Ernst Woller (SPÖ) – bemühen sich um betont gute Stimmung. Man sei zuversichtlich, dass Wien von der Liste gestrichen werden, ließ man zuletzt unter der Hand an Medien durchsickern.
Bleibt die Frage: Gibt es dafür tatsächlich Indizien? Die Antwort: Nicht wirklich.
Zwar konnte die Stadtregierung 2021 den Investor Michael Tojner (um dessen Hochhausprojekt es geht) zur neuerlichen Anpassung der Baupläne bewegen. Während bei früheren Adaptierungen stets Visualisierungen präsentiert wurden, verzichtete man damals aber darauf. Man vertröstete die Öffentlichkeit auf eine Präsentation Mitte 2022, die jedoch nie stattfand.
Bekannt ist nur, dass anstelle des umstrittenen Turms eine „rund 56 Meter hohe Wohnscheibe“ treten soll, die „niedriger, schmäler und länglicher“ sei. Laut einem Gutachten ist diese welterbeverträglich – obwohl sie deutlich über der von der UNESCO genannten Maximalhöhe von 43 Metern liegt. Wie konsistent das Gutachten ist, lässt sich nicht beurteilen – es ist ebenfalls nur in Auszügen veröffentlicht worden.
Dass mit den geheimen Umplanungen nicht alle Probleme beseitigt sind, legte wenige Wochen später ein Brief von ICOMOS, einem Beratungsgremium der UNESCO, nahe: Die dortigen Experten hielten am Urteil, dass der Hochhausbau „irreversible schädliche Auswirkungen“ auf das Areal habe, fest. Der städtische Welterbebeauftragte Woller ging damals leicht entnervt in die Offensive – und bezeichnete seinerseits das Expertenschreiben als „unwissenschaftlich, oberflächlich und anmaßend“. Seither herrscht Funkstille.
Neuer Report fehlt
Dass die rot-pinke Stadtregierung im vergangenen Jahr gar keine weiteren Schritte zum Erhalt des Weltkulturerbes gesetzt hat, befürchtet jedenfalls auch Elisabeth Olischar, Planungssprecherin der ÖVP Wien. Ihr Indiz: Eigentlich schickt die Stadt alljährlich im Februar einen Bericht (den sogenannten „State of Conservation Report“) an die UNESCO, in dem sie über den Status Quo zum Weltkulturerbe berichtet. Eigentlich – denn 2023 hat Wien auf den Report verzichtet. Die Begründung der Stadt laut Olischar: Die UNESCO hat den Bericht aus 2022 wegen des Ukraine-Kriegs noch nicht behandelt. Dieser habe daher „noch Gültigkeit“.
Für die ÖVP-Politikerin ein Zeichen dafür, dass „die Stadt ein Jahr lang in der Pendeluhr geschlafen hat“. Statt sich aktiv für das Weltkulturerbe einzusetzen, habe die SPÖ „bestenfalls das Pflichtprogramm der UNESCO erfüllt und lehnt sich nun zurück“. Dass das Weltkulturerbe mittlerweile in der Bauordnung verankert wurde, lässt sie nicht gelten: Die Formulierungen seien „zu schwammig“.
168 Fragen an Ludwig
Umstritten ist nicht zuletzt der sogenannte Managementplan, den an sich jede Welterbestätte benötigt. Er soll definieren, wie diese gepflegt, geschützt und genutzt werden soll. Die UNESCO drängte Wien seit 2005, den Plan zu erstellen – erst 2021 war es soweit. Für Kritiker ist er „zu unkonkret“.
Olischar hat zur „Umsetzung des Managementplans“ nun eine Anfrage an Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) eingebracht – und diese hat es zumindest in ihrem Umfang in sich: 168 Fragen zu unterschiedlichen Kapiteln des Managementplans sind darin aufgelistet, die Bandbreite reicht vom Umgang mit historischen Parks über das Thema Forschung bis hin zu Tourismus und Klimaschutz. Ludwig hat acht Wochen Zeit, die Antworten zu liefern.
Übrigens: Dass sich auch der Europäische Gerichtshof mit dem Heumarkt beschäftigt – konkret mit der Frage, ob es einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurft hätte – macht die Sache nicht einfacher. Ein Urteil steht kurz bevor.
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