Wiener Ampelpärchen-Fanartikel: Letzte Hoffnung für die Liebe
Grün, Rot, Grün, Rot und wieder Grün. Genauso wechselhaft wie die Ampelschaltungen an den Wiener Straßenkreuzungen ist auch das Hin und Her der Ampelpärchen – zumindest was die Fanartikel betrifft.
Zuletzt ist es deutlich stiller um die Marke geworden – die Ampelpärchen sozusagen auf Rot gestellt. Nun aber besteht neue Hoffnung.
"Ampelpärchen Rocks"
Aber von vorne: Während sich die leuchtenden Ampelpärchen in Wien seit 2015 zu einem Fixpunkt entwickelten, haben die Ampelpärchen auf Tassen und T-Shirts eine deutlich wechselvollere Geschichte. Nach dem anfänglichen Hype rund um den Fanartikelshop „Ampelpärchen Rocks“ in Mariahilf musste der Laden im Jahr 2019 Insolvenz anmelden. Der Grund: mangelnde Kundenfrequenz.
Die Rettung kam damals aus ungeahnter Richtung. Der Besitzer des Conceptstores „The Viennese Guy“, Markus Radakovits, und Dragqueen Candy Licious (aka Bernhard Ledinski) haben die Marke quasi über Nacht übernommen: „Mir wurde vor einigen Wochen zugetragen, dass die Vorbesitzer die Waren loswerden müssen“, sagte Radakovits damals im KURIER-Gespräch.
Endgültiges Aus?
Nun aber steht der Conceptstore vor dem Aus. Schon Ende des Jahres wird „The Viennese Guy“ seine Pforten in der Wiedner Hauptstraße 113 schließen, berichtet Markus Radakovits auf Instagram. Bedeutet das das endgültige Aus für die Ampelpärchen-Fanartikel?
Während in Berlin an jeder Ecke Werbeartikel – von T-Shirts, bis Schlüsselanhänger über Tassen – mit dem berühmten Ost-Ampelmännchen verkauft werden, hat man in Wien bisher die Chance vertan, die Ampelpärchen als Kultmarke zu etablieren.
Und das, obwohl die Voraussetzungen denkbar gut waren (und nach wie vor wären). Es steckt nämlich eine große Erfolgsgeschichte hinter den Ampelpärchen – übrigens ähnlich wie bei dem Berliner Pendant.
Der Entwicklung des Ostberliner Ampelmännchen gingen eingehende Forschungen voraus. Erfunden wurde es von Karl Peglau, der 1961 Vorschläge für Ampelsymbole vorstellte.
Der Verkehrspsychologe setzte darauf, dass man am meisten jemandem vertraut, der einem ähnlich sieht. Darum wurde das Männchen mit Knollennase, Hut und Bauchansatz ausgestattet. Ab 1969 regelten die Ampelmännchen den Verkehr. Ihr allererster Einsatzort war die Kreuzung Unter den Linden / Friedrichstraße – dort, wo heute der Berliner Flagship-Store zu Hause ist. Anfangs war sich Peglau übrigens nicht sicher, ob seine Männchen einen Hut tragen sollten, weil dieser in der DDR als kapitalistisches Symbol galt.
Als er eines Abends im Fernsehen sah, dass der führende DDR-Politiker Erich Honecker einen Strohhut trug, vergaß er seine Zweifel.
In der ganzen Welt sorgten die Pärchen für Furore – weil auch gleichgeschlechtliche Paarungen gezeigt werden. Was ursprünglich als siebenwöchige Aktion anlässlich des Song Contests, der 2015 aufgrund des Sieges von Conchita Wurst im Jahr zuvor in Wien ausgetragen wurde, gedacht war, wurde schnell zur dauerhaften Einrichtung.
Unter anderem wegen des gewaltigen Medienechos: Weltweit – von CNN, Guardian bis zur Washington Post – wurde über die Wiener Ampelanlagen berichtet.
Die Wiener Innovation sollte zudem die Welt ein Stück toleranter machen. International folgen seither immer mehr Städte dem Beispiel und installierten Ampelpärchen – darunter Zürich, London, Madrid und sogar Canberra.
Ausgabefreudige Zielgruppe
In Wien selbst gibt es mittlerweile übrigens 159 Übergänge mit Ampelpärchen – mal zwei ergibt das 318 Ampeln mit der Liebesbotschaft. Auf Ampelpärchen-Werbeartikel zu setzen, würde sich zudem auch lohnen. Dadurch, dass Wien als LGBTIQ-freundlich (steht für: lesbisch, schwul, bisexuell, trans, intersexuell, queer, Anm.) gilt, ist es auch ein beliebtes Reiseziel für diese Community. Diese ist überdurchschnittlich finanzkräftig. Laut Wien Tourismus liegt das durchschnittliche Nettoeinkommen von LGBTIQ Reisenden rund 20 Prozent über jenem des Wiener Durchschnittsgastes.
Fast die Hälfte (47,4 Prozent) sind in der Zielgruppe „Doppeltes Gehalt, aber keine Kinder“, die als besonders ausgabefreudig gilt.
Jede Art von Liebe
Die Ampelpärchen stehen zudem für „Love is love“ – also für jede Art von Liebe. Es werden schließlich nicht nur gleichgeschlechtliche Paare abgebildet, sondern auch heterosexuelle Beziehungen. Werbeartikel wären also für jeden interessant, der einen Pärchenurlaub in Wien plant. Passend dazu boomen derzeit Hochzeitsdestinationen.
Die Einführung der Ehe für alle (in Wien ist diese seit 2019 möglich) hat in New York laut einer US-Studie eine Wertschöpfung von 200 Millionen Dollar lukriert, jeder Gast hat rund 500 Dollar ausgegeben. Und selbst wenn nicht in Wien geheiratet wird: 25 Prozent der US-Eheleute verbringen ihren Honeymoon in Europa.
Die Ampelpärchen haben eine gute Geschichte, stehen für Toleranz, sind ein sichtbares Zeichen für die Liebe – und könnten die Marke Wien weiter stärken. Jetzt müsste sich nur noch jemand trauen, zur Rettung „Ja“ zu sagen. Und diese Rettung könnte – hört man zumindest hinter vorgehaltener Hand – aus ungeahnter Richtung kommen.
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