Neue Studie bestätigt Diskriminierung bei Wohnungsvergabe
Wenn in Österreich ein Herr Michael Huber nach einer Wohnung sucht, darf er sich hohe Chancen ausrechnen, dass er zumindest zu einem Besichtigungstermin der Wunschimmobilie eingeladen wird. Ganz anders ist das bei einem Herrn, der auf den Namen Muhammad Asif hört.
Zweiterer wird in der Hälfte der Fälle nicht einmal zurückgerufen, wie jetzt eine SORA-Studie im Auftrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft zeigt.
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Dieser zufolge luden Makler den fiktiven Muhammad Asif in nur 38 Prozent der Fälle zu einer Wohnungsbesichtigung ein. Private Vermieter gaben dem Mann mit dem "fremd" klingenden Namen zumindest in 78 Prozent der Fälle eine Chance. Der ebenfalls zu Studienzwecken erfundene Herr Huber wurde bei 157 Kontaktaufnahmen in Wien, Linz, Graz und Innsbruck allerdings 157-mal zur Wohnungsbesichtigung eingeladen.
"Menschen mit ausländischem Namen und Akzent werden bei der Wohnungssuche diskriminiert. Das sehen wir, wenn sich Betroffene an die Gleichbehandlungsanwaltschaft wenden, und das haben wir jetzt in einer Studie nachgewiesen", kommentierte Sandra Konstatzky, Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW), am Mittwoch bei einem Medientermin mit der Diakonie die Studienergebnisse. Bevor die Studie beauftragt wurde, habe man einen Anstieg der Beschwerden wegen Diskriminierung am Wohnungsmarkt wahrgenommen.
Geflüchtete kämpfen mit meisten Vorurteilen
Besonders brisant an der Statistik: Abgesehen vom Namen hatten die beiden Männer exakt die gleichen Voraussetzungen, was Gehalt, Familienstand, Haustiere oder das Rauchen angeht. Die aktuelle SORA-Erhebung bestätigt somit eine ebenfalls aktuelle Studie der Johannes Kepler Universität (JKU) in Linz. Diese kommt sogar zu dem Schluss, dass Menschen je nach Herkunft unterschiedlich diskriminiert werden. Der KURIER berichtete.
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Österreicher mit österreichisch klingendem Namen haben demnach bessere Chancen als Menschen aus der BKS-Community (Bosnien-Herzegowina, Serbien, Krotien). Diese wiederum sind besser gestellt als Wohnungssuchende mit türkischem Migrationshintergrund. Am schwersten haben es Geflüchtete aus Ländern wie Syrien, Afghanistan oder dem Irak.
Konstatzky betonte in diesem Zusammenhang, dass derartige Ausgrenzung illegal ist: „Das Gleichbehandlungsgesetz verbietet Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit auch beim Zugang zu Wohnraum. Das Studienergebnis ist alarmierend: Die Immobilienbranche muss daher alles daransetzen, um künftig hohe Standards für eine diskriminierungsfreie Wohnungsvermittlung festzulegen."
Sowohl die Gleichbehandlungsanwaltschaft als auch die Diakonie kennen das Problem aus der Praxis: "Die geflüchteten Menschen, die zu uns in die Beratung kommen, erzählen fast alle von einem schwierigen Weg, bis sie überhaupt einmal mit einem Makler oder einer Vermieterin in Kontakt kommen und als Mieter in Betracht gezogen werden", erzählte Florian Hobl, Leiter der Wohnberatungsstelle des Diakonie Flüchtlingsdienst am Mittwoch. Frust, Perspektivlosigkeit und Verzweiflung seien nach monatelanger Wohnungssuche häufig die Folge.
Herkunft ist nicht das einzige Problem
Aus jahrelanger Beratungserfahrung weiß man bei der Diakonie jedoch, dass die Nationalität nicht das einzige Kriterium für Diskriminierung am Wohnungsmarkt ist. Demnach hätten es alleinerziehende Frauen ebenso oft schwer, eine Wohnung zu finden. Ähnlich wie Geflüchtete müssten sie Nachweise "über ein Lohneinkommen in teils völlig willkürlicher und lebensfremder Höhe“ bringen, so Hobl.
Dem Wohnberater der Diakonie zufolge würden Bezüge wie die Familienbeihilfe bei der Wohnungsvergabe regelmäßig gar nicht berücksichtigt. "Wer bei der Gesprächsanbahnung keine drei aufeinanderfolgenden Gehaltszettel vorweisen kann, wird gar nicht berücksichtigt." Gerade bei Geflüchteten könne sich das Beschäftigungsverhältnis aber rasch verbessern.
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Auf der Strecke würden häufig aber auch ausländische Familien mit mehreren Kindern bleiben. "Ihnen wird ausgerichtet, die Wohnung sei zu klein für sie. Dabei ist der Standard, der bei Wohnungsgrößen angelegt wird, einfach viel zu hoch. Dass Kinder auch bis in ihre Jugendjahre hinein ein Zimmer teilen, war auch bei uns noch vor ein, zwei Generationen Standard und ist für nicht wenige österreichische Familien immer noch normal", heißt es seitens der Diakonie.
Das führe sogar dazu, dass Frauen bei der Wohnungssuche Schwangerschaften verbergen müssten.
Schimmlige Wohnungen zu Wucherpreisen
Die aktuellen Zustände hätten nicht selten zur Folge, dass Menschen in prekäre und ausbeuterische Wohnverhältnisse gedrängt werden, kritisiert Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser, die darauf verweist, dass es sich beim sicheren Wohnen um ein Grundbedürfnis handelt.
"Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund leben oft im absoluten Substandard und zahlen dafür Wucherpreise. Sie müssen für eine Wohnung, die zu klein, kalt und schimmlig ist, gleich viel oder mehr hinlegen als Österreicher für eine ordentliche Wohnung im Neubau oder im sanierten Altbau. Die Wohnungsnot ist so groß, dass es keine Alternative dazu gibt", schildert Moser.
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An Gerüchten, dass Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund in Wien sofort Gemeindewohnungen bekämen, sei nichts dran, betont sie. "Es gelten dieselben Bedingungen wie für Österreicher."
Die Not am Wohnungsmarkt werde mittlerweile sogar von Kriminellen ausgenutzt. Laut Moser vermitteln immer öfter Scheinmieter oder Untermieter Wohnungen, ohne das Recht dazu zu haben. Zwei bis drei Brutto-Monatsmieten im Voraus und ohne Rechnung seien keine Ausnahmen. Ebenso würden für Geflüchtete sogenannte WGs angeboten. Frauen hätten dort dann aber kein Mitspracherecht über neue Bewohner. Schwangere seien in der Vergangenheit aus diesen Wohngemeinschaften gedrängt worden.
Betroffene können sich wehren
Die Gleichbehandlungsanwaltschaft hat basierend auf den Studienergebnissen Empfehlungen an die Immobilienbranche formuliert. Zentral sei es, dass sich Makler und Vermieter an eine vorab festgelegte Liste objektiver Reihungskriterien halten würden. Diese könnten etwa der Zeitpunkt der Anfrage sowie eine ausreichende Bonität der Interessenten sein.
Diakonie und Gleichbehandlungsanwaltschaft stehen zudem mit Hilfs- und Beratungsangeboten zur Verfügung. Bei der Diakonie werden Geflüchtete dabei unterstützt, alle Einkünfte übersichtlich zusammenzufassen, sodass die "Hürde Gehaltszettel" genommen werden kann. Ebenso wird bei Sprachproblemen bei der Bewerbung für eine Wohnung geholfen.
Bei der Gleichbehandlungsanwaltschaft sucht man einerseits den Dialog mit der Immobilienbranche, um stereotype Vorurteile abzubauen. Andererseits wolle man Diskriminierten helfen, sich zu wehren.
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"Diskriminierung bei der Wohnungsvergabe ist schwierig nachzuweisen, aber wir können natürlich nachfragen, warum gewisse Personen abgelehnt wurden", sagt Konstatzky. Denkbar wäre auch, mit der fiktiven österreichischen Testperson aus der Studie ebenfalls einen Bewerbungsversuch für ausgewählte Immobilie zu unternehmen. Bei bereits diskriminierenden Inseraten fordere man zudem die Möglichkeit, auf Unterlassung zu klagen.
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