Lieber Lukas als Mohammad: So diskriminierend ist Österreichs Wohnungsmarkt

Close-Up Of Keys In Door Hanging From Keys Doorknob At Home
Eine Studie der JKU Linz bestätigt nun, was viele Migrantinnen und Migranten bisher aus ihren Erfahrungen berichteten.

Hussein (Name von der Redaktion geändert, Anm.) war auf der Suche nach einer Unterkunft für die Zeit seines Studiums in Wien. Ob ein Zimmer im Studentenwohnheim oder eine Ein-Zimmer-Wohnung war ihm egal. Ein halbes Jahr lang war der Ägypter auf Wohnungssuche in Österreich, gefunden hat er nichts. 

„Meine Freundin und ich haben uns mehrmals für die gleiche Wohnung beworben. Ich habe jedes Mal eine Absage bekommen, während bei ihr schon eine Antwort oder gar Zusage im Postfach lag“, sagt er im Gespräch mit dem KURIER.

In einem Studentenheim wurde Hussein nach der Absage mitgeteilt, dass Hunderte Personen auf der Warteliste stünden. Seine Freundin Lisa (*Namen geändert) erhielt eine Zusage. „Man hat ihr sogar gesagt, dass noch Zimmer frei sind. Sie hat dann oft mit den Vermietern gestritten, warum ich denn eine Absage bekommen habe. Das geschah mehrmals. Es war frustrierend“, erzählt der Informatik-Student.

Geschichten wie jene von Hussein und Lisa gibt es viele. Zwar verbietet das Gleichbehandlungsgesetz die Diskriminierung bei der Wohnungssuche, nachzuweisen ist eine diskriminierende Handlung aber in vielen dieser Fälle nicht. Jetzt gibt es erstmals Zahlen, die die persönlichen Erfahrungen vieler Menschen mit Migrationshintergrund auch empirisch belegen. Die entsprechende Studie der Johannes Kepler Universität (JKU) liegt dem KURIER vor. 

Erhebliche Belege

Zwischen März 2019 und Oktober 2020 schickten Doris Weichselbaumer, Leiterin des Instituts für Frauen- und Geschlechterforschung an der Johannes Kepler Universität (JKU), und Dissertant Hermann Riess per E-Mail fast 3900 Wohnungsanfragen in alle neun Bundesländer, jeweils unter vier verschiedenen fiktiven Namen: Lukas Huber, Mohammad Ahmad, Dragan Jovanović und Mehmet Yilmaz.

Zentrales Ergebnis: Die Chance, dass Lukas zu einer Besichtigung eingeladen wird, ist fast doppelt so hoch wie bei Mohammad.

Alle vier Namen und Details zu den jeweiligen Identitäten haben sich Weichselbaumer und Riess zum Zwecke der Studie ausgedacht. Sie unterschieden dabei zwischen Namen, die einen autochthon österreichischen, serbischen, syrischen oder türkischen Hintergrund nahelegen.

„Wir fanden erhebliche Belege für eine ethnische Diskriminierung von Bewerbern mit ausländisch klingenden Namen“, heißt es in der Schlussfolgerung der ersten Rohverfassung der Studie.

Die Autoren legen die ethnische Diskriminierung hier anhand der Rückrufquote fest. Die des Syrers ist am geringsten, gefolgt von dem Türken. Etwas besser sieht es bei Dragan Jovanović aus. Der fiktive Serbe wurde nur sieben Prozent seltener zurückgerufen als Lukas.

Generationenunterschied

Um zu untersuchen, ob die Diskriminierung bei Migranten der ersten und zweiten Generation unterschiedlich ist, wurden manchen Vermietern weitere Details über die Herkunft zur Verfügung gestellt.  Einen Unterschied gemacht hat das nur für Mohammad Ahmad. Sobald er angab, in Österreich geboren und aufgewachsen zu sein, stiegen seine Chancen um ein Viertel.

Bei den restlichen Bewerbern hat sich die Rückrufquote dadurch kaum verändert. „Offenbar gingen die Vermieter davon aus, dass es sich bei Bewerbern mit serbischem oder türkischem Namen ohnehin um Einwanderer der zweiten Generation handelte“, schlussfolgern die Autoren. Wer aber angab, im Ausland geboren zu sein, verschlechterte seine Chancen.

Lieber Lukas als Mohammad: So diskriminierend ist Österreichs Wohnungsmarkt

"Dynamischer Prozess"

Kenan Güngör sieht eine klare Logik dahinter. „Diskriminierung ist ein dynamischer Prozess und in Bezug auf die Migrationsbevölkerung gibt es verschiedene Stufen der Ablehnung“, sagt der Integrationsexperte im Interview mit dem KURIER. „Wenn eine neue, stärker abgewertete Gruppe dazukommt, dann steigen die anderen auf. Die ehemaligen Außenseiter werden dann zu den Etablierten“.

Güngör unterstreicht damit die Schlussfolgerung, die Weichselbaumer und Riess gezogen haben. Syrer seien aufgrund des Bürgerkrieges immer häufiger nach Österreich gekommen. Der Integrationsexperte stellt aber noch eine weitere Realität fest, mit der sich kommende Generationen wohl vermehrt auseinandersetzen werden müssen: „Die Wohnungssuche ist auf jeden Fall ein Ort, an dem es zu den häufigsten Diskriminierungserfahrungen kommt.“

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