Vom Krieg in die Kälte: 500 Euro Miete für ein Leben ohne Strom und Heizung

500 Euro warm zahlt Kenan für sein Zimmer in einem Wohnhaus in Wien-Meidling. Warm ist es dort aber schon lange nicht mehr. Seit fast einem Monat ist das Mietshaus mit 30 Bewohnern ohne Strom, Heizung oder warmes Wasser. Diese Zustände sind das Resultat von Streitigkeiten zwischen dem Eigentümer, der Hausverwaltung und dem Hauptmieter.
Alle Seiten schieben sich gegenseitig die Schuld zu, bei der Stadt Wien und allen sozialen Anlaufstellen verhindert die Bürokratie eine schnelle Hilfe.
Leben am Gefrierpunkt
Als der KURIER das Haus am Gaudenzdorfer Gürtel 41 betritt, ist das erste, das man sieht, ein Kinderwagen. Es leben auch Familien hier bei Null Grad in den Wohnungen. Die Unterkünfte als "Wohnung" zu bezeichnen, ist eher eine Übertreibung. In dem ehemaligen Hostel befinden sich Zimmer mit Stockbetten, die Duschen sind auf dem Gang. Diese zu benutzen, ist seit dem 23. November aber schwierig bis unmöglich. Das Wasser ist seitdem kalt und in den Nasszellen ohne Fenstern, ist es schon am Nachmittag stockdunkel. Am Dienstag musste eine ältere Frau von der Rettung ins Spital gebracht werden. Sie hatte Vorerkrankungen, die die Kälte massiv verschlechterten.
Kenan, der aus Syrien geflüchtet ist, will nicht fotografiert werden, denn er schämt sich vor seinen Arbeitskollegen. Er arbeitet als Lieferant, wodurch er sich auch das Zimmer finanziert - wie er mit Kontoauszügen belegt. Zusätzlich würden die Makler noch eine Gebühr von 1.400 Euro kassieren. Trotz der hohen Kosten für das heruntergekommene Zimmer, hat Kenan keine Chance, den Strom eigenständig wieder anschalten zu lassen.
Verwirrende Strukturen
Das größte Problem ist nämlich die Sprachbarriere. Viele Bewohner lernen gerade erst Deutsch, haben hier kein Freundes- oder Bekanntennetzwerk und wissen daher auch nicht, an wen sie sich wenden können. Abgesehen davon, machen es unterschiedliche Aufenthaltstitel schwierig, die Zuständigkeiten zu erkennen.
Das scheinen die Eigentümer auszunutzen. Kenan wurde das Zimmer warm vermietet und versichert, dass von diesem Geld der Strom und weitere Nebenkosten bezahlt werden. Weil es sich um ein ehemaliges Hotel handelt, haben die einzelnen Zimmer keine eigenen Stromzähler. Ist der Strom weg, ist er für alle weg.
Eigentümer "wissen nichts von Untermietern"
Laut der Mieterhilfe Wien gibt es derzeit Zahlungsrückstände im fünfstelligen Bereich. Die müsste der Hauptmieter bezahlen, aber der versichert dem KURIER, dass auch er nur ein Opfer der Machenschaften der Eigentümer Pecado GmbH sei. Wer in diesem Fall recht hat, ist schwierig zu sagen. Der Hauptmieter vermutet, dass die Eigentümer bereits einen Käufer für das Haus gefunden haben und die Bewohner deshalb hinausekeln wollen.
Die Pecado GmbH sagt auf KURIER-Anfrage wiederum: "Wir können die gestellten Fragen derzeit nicht alle beantworten, zumal sie uns auch nicht alle selbst betreffen. Wir stehen einer komplexen Situation mit zwei Hauptmietern, die uns bekannt sind, gegenüber. Untermietverträge sind uns keine bekannt. Tatsächlich hat Wiener Netze von sich aus den Strom abgeschaltet. Wir prüfen derzeit die Rechtslage und sind bestrebt, eine für alle Beteiligten schnellstmöglich gute Lösung zu erreichen."
Mieterhilfe eingeschaltet
Die Mieterhilfe der Stadt Wien ist bereits dabei, die Rechtslage zu klären. Man möchte die jetzigen Untermieter zu Hauptmietern machen. Laut Informationen aus dem Büro der dafür zuständigen Stadträtin Kathrin Gaal, schaut es derzeit "nicht schlecht aus". Zumindest eine Rückzahlung der Miete könnte herausschauen. Das kann aber Monate dauern und hilft den Bewohnern nicht über die harten Wintermonate.
Seit einigen Wochen kümmert sich der Verein en commun um die Mieter. Man versucht, Lösungen zu finden, läuft aber immer wieder gegen die Blockaden der Wiener Bürokratie. Der KURIER hat Anfragen an alle Verantwortlichen gestellt, bisher ebenfalls ohne Erfolg.
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