Wien-Wahl: Rot-grüner Frühstart in den Wahlkampf
Bürgermeister Michael Ludwig hat kürzlich den Termin für die Wien-Wahl verkündet. Und damit allen – mitten in der Corona-Krise – in Erinnerung gerufen, dass am 11. Oktober die wichtigste Wahl des Jahres ansteht.
Für die SPÖ geht es darum, ihre (letzte) Hochburg zu verteidigen. Für die Grünen wird das Ergebnis auch ein Gradmesser sein, wie sie sich in der türkis-grünen Koalition im Bund schlagen. Die ÖVP hat die Chance auf eine urbane Auferstehung.
Wie wichtig die Wahl für die Parteien ist, zeigt sich daran, dass nicht einmal die Krise sie von Wahlkampfgeplänkel abhielt. Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) hat ihrem Koalitionspartner SPÖ mit ihrem Alleingang bei den Begegnungszonen den Fehdehandschuh hingeworfen. Michael Ludwig hat ihn aufgenommen.
Der Wahlkampf ist eröffnet. Vier Thesen.
1. Rot und Grün legen einen Frühstart hin: Für die Wahl nutzt der derzeitige Streit keinem. Und wenn überhaupt, dann Ludwig
Eigentlich wollte Bürgermeister Michael Ludwig in der Krise den besonnenen Amtsinhaber geben. Hebein machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Den Streit um die Begegnungszonen hat sie gewonnen, er kam aber zu früh, sagt Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer. „Bis Oktober kann viel passieren.“
Und wenn es Ludwig trotz Aufregung wieder gelingt, „mit ruhiger Hand sein Ding durchzuziehen“, dann profitiere am Ende er. „Das wird bei Amtsinhabern geschätzt.“
Überhaupt sitzt Hebein zwischen den Stühlen – zwischen Stadt- und Bundesregierung. Taktisch schwierig. Nicht zuletzt, weil „die Zuwächse der Grünen am ehesten aus dem bürgerlichen Lager kommen“, so Bachmayer. Die SPÖ wiederum könnte jene für sich begeistern, die im Bund Grün wählten.
Andererseits könnte Hebein ein „Sigi-Maurer-Schicksal“ drohen, sagt Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle. Maurer, die für kantige Ansagen berühmt war, wirkt als grüne Klubchefin im Bund vielen zu angepasst. „Hebein könnte an Boden verlieren, wenn sie sich nicht klar positioniert.“
2. Minister und Wahlkämpfer: Gernot Blümels Doppelrolle geht nicht auf
Schon vor der Krise bezweifelten manche, ob Wiens ÖVP-Chef Gernot Blümel die Doppelbelastung als Finanzminister und Spitzenkandidat meistern kann. Hinzu kommt, dass er sich nicht festlegt, ob er nach einem Wahlsieg nach in Wien geht. „Damit kommt er nicht durch“, so Stainer-Hämmerle.
Und: Es stelle sich zunehmend die Frage, wie viel Zeit ein Minister mitten in der Krise für Wahlkampf habe. Bis jetzt hat er zu allen Corona-Themen in Wien geschwiegen.
Blümel hätte jetzt ein Zeitfenster: Derzeit würde es ihm wohl keiner ankreiden, wenn er doch nicht antritt.
3. Die FPÖ könnte einstellig werden
Der Wiener FPÖ ist ihr einziges Thema abhandengekommen: Migration. „Den Ausländern kann man an Corona nicht die Schuld geben“, sagt Stainer-Hämmerle. Bei Corona könne die FPÖ „nicht mitreden“, da ihr Experten fehlen. „Sonst war das kein Problem, weil sie nie besonders faktenorientiert Politik macht.“
Dennoch sollten, so Bachmayer, alle Parteien bereits jetzt versuchen, sich bei ihren Haus- und Hofthemen zu positionieren – das sei „eine Investition in die eigene Zukunft“. „Wenn sich die aktuelle Krise gelegt hat, kommen Folgekrisen im sozialen und gesellschaftlichen Bereich.“
4. Spannend wird die Performance der Chefs. Alle treten erstmals an
Für sie alle ist die Rolle neu: Ludwig und Hebein übernahmen während der laufenden Amtszeit, Blümel nach der Wahl 2015. FPÖ-Chef Dominik Nepp kam nur durch Ibiza an seinen Posten. Auch Neos-Chef Christoph Wiederkehr hat erst seit 2018 den Klubvorsitz. Welche Strahlkraft sie alle entwickeln, wird sich erst weisen. Der einzig Erfahrene ist diesmal der Außenseiter: Heinz-Christian Strache.
Einige Neuerungen
Die Wahl ist die erste unter dem von Rot-Grün novellierten Wahlrecht. Die Novelle verringert die Bevorzugung des Stimmenstärksten bei der Mandatszuteilung. Und: Die Wahlkarten werden schon früher ausgestellt.
Die Prognosen
Aktuell liegt die SPÖ klar voran: Sie käme (mit minus 2,6 Pro-zentpunkten) auf 37 Prozent. Das ergab eine OGM-Umfrage für die Krone (791 Befragte). Die Grünen kommen auf 17 Prozent (2015: 11,6). Die ÖVP legt auf 24 Prozent zu (2015: 9,5). Neos, FPÖ und DAÖ sind einstellig.
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