Mordserien, Klimakleber, Polizeimangel, Angriffe auf Beamte: Die Polizei ist gefordert. Der KURIER bat den Wiener Landespolizeipräsidenten Gerhard Pürstl zum Interview und sprach mit ihm auch über Grenzen für Polizisten: "Wenn man Menschen als Arschlöcher bezeichnet, ist das nicht okay."
KURIER: Das Jahr hat für die Wiener Polizei mit drei Morden in einer Woche begonnen. Unter welchem Druck stehen die Ermittler?
Gerhard Pürstl: Polizeiliche Arbeit braucht immer eine ruhige Hand. Man kann die Taten relativ gut einordnen. Wenn wir die vergangenen Jahre betrachten, hatten wir stets zwischen zehn bis 22 Morde jährlich. Das ist für eine Großstadt keine erschreckend hohe Zahl, wenngleich jeder Mord einer zu viel ist. Auch 2018 hatten wir in einer Woche drei Morde. Ich würde davor warnen, einen kurzen Zeitraum herzunehmen und diesen als Gradmesser der Sicherheit und dessen, was uns im Jahr erwartet, zu nehmen.
Der mutmaßliche Doppelmörder von Wien könnte auch für weitere Taten infrage kommen?
Könnte natürlich. Es muss nun alles von der Kriminalpolizei analysiert werden. Auch Fälle, die vielleicht ähnlich gelagert sind, das Bewegungsprofil etc. Das ist eine fordernde kriminalpolizeiliche Arbeit. Man kann es nicht ausschließen, aber im Augenblick lässt sich das noch nicht sagen. Erst müssen die Ermittlungen abgeschlossen sein.
Stichwort Klimakleber. Sie halten seit Wochen die Polizei auf Trab. Sind Sie für härtere Strafen, wie von einigen Politikern gefordert?
Aktivismus muss es in einer Demokratie geben. Viele Anliegen hätten vermutlich nie durchgesetzt werden können, wenn nicht ein gewisser ziviler Ungehorsam in der Bewegung dagewesen wäre. Schwierig wird es dort, wo der Ungehorsam zu Lasten Dritter ausgeübt wird.
Wie bei den Klebeaktionen im innerstädtischen Verkehr, wo Tausende Menschen von dringenden Terminen abgehalten werden. Das stört die Menschen. Womit wir bisher konfrontiert sind, sind Verwaltungsübertretungen, aber man könnte auch hier im Extremfall auf Verwaltungsebene bis zu sechs Wochen Arrest verhängen pro Straftat.
Das Verwaltungsrecht gibt also entsprechende Mittel her. Ob Klimaaktivisten bei härteren Strafen geneigt sind, ihren Weg weiterzugehen, kann ich allerdings nicht einschätzen. Problematisch wird es nur, wenn es vom Aktivismus, hin zum Extremismus geht. Wenn Straftaten begangen und zusätzlich Feindbilder geschaffen werden, wie der böse Autofahrer, oder der böse SUV-Fahrer.
Aktionswoche der "Letzten Generation"
Wenn Sie Feindbilder ansprechen, dann muss man auch sagen, dass Klima-Aktivisten für viele Autofahrer genau zu diesen werden. Es gab bereits tätliche Angriffe auf Aktivisten.
Das sind Dinge, die nicht gehen. Ich verstehe den Ärger der Autofahrer, aber die Grenze ist das Strafrecht. Die Aktivisten von der Fahrbahn zu entfernen, ist Aufgabe der Polizei, nicht des Einzelnen - sonst wird jeder zu seinem eigenen Richter.
Klimakleber, Mordserie – all das emotionalisiert die Bevölkerung. Wie geht die Polizei damit um?
Objektiv haben wir eine sehr gute Sicherheit, aber natürlich ist auch das subjektive Sicherheitsgefühl für uns enorm wichtig. Ein Land, wo sich jeder vor dem Nachbarn fürchtet, ist etwas, das wir ganz sicher nicht wollen. Das ist ein ganz klarer Auftrag als Polizei, dass wir mit den Menschen in Verbindung sind. Dass die Bevölkerung Vertrauen in „ihre Polizei“ hat, dass sie die Dinge checkt, dass sie Straftätern entgegentritt, für Ordnung sorgt und Straftaten aufklärt.
Warum wird es immer schwieriger, junge Menschen für den Polizeiberuf zu begeistern?
Das hängt an vielen Faktoren. Wir haben einen Arbeitsmarkt, der sehr viele Fachkräfte sucht. Es wird also im selben Teich gefischt, wie es die Polizei tut. Hinzu kommt, dass sich die Einstellung der jungen Leute zur Arbeit verändert hat. Man strebt nach Work-Life-Balance, aber mit etwas mehr Life.
Was ich verstehe, aber der Polizeiberuf ist ein fordernder mit Nachtdiensten und Überstunden, und das passt bei vielen nicht ins Schema. Früher war ein unkündbarer Job ein Lockmittel. Aber jemanden zu halten, indem man sagt: Wenn du bei uns bist, hast du ausgesorgt für den Rest deines Lebens, zieht nicht mehr.
Und natürlich ist es so, dass viele nicht mehr das Niveau erreichen, das für den öffentlichen Dienst gefordert wird. Und natürlich ist eine gewisse Gefahr mit dem Beruf verknüpft. Denken Sie nur an die Vorfälle zu Silvester zurück.
Sie sprechen die Angriffe von Jugendlichen mit Böllern auf Beamte in einem Gemeindebau in Floridsdorf an?
Ja. Beamte sind auf Jugendliche getroffen, die außer Handys und Bomberjacken nichts im Sinn hatten. Die nur ausgerückt sind, um die Wiener Bevölkerung zu sekkieren und sich der Polizei zu stellen, Widerstand zu zeigen, null Respekt hatten - das ist für einen Polizisten nicht angenehm. Weil dann geht es nicht mehr um Dialog, sondern nur ums Durchgreifen.
Bei dem Einsatz im Gemeindebau gab es auch ein Video, auf dem zu sehen war, wie Polizisten auf Jugendliche losgegangen sind. Was war Ihr erster Gedanke, als Sie dieses Video gesehen haben?
Wir haben es hier mit Gruppierungen zu tun, die keinen Respekt vor der Polizei haben. Das erfordert eine gewisse Härte und eine gewisse Sprache. Man kann mit diesen Jugendlichen nicht reden, wie mit einem Universitätsprofessor. Das wird jeder noch so große Polizeikritiker einsehen. Aber, das sage ich auch in aller Deutlichkeit: Es gibt auch für Polizisten Grenzen. Gewisse Schimpfworte müssen nicht sein, eine gewisse Schwelle darf nicht überschritten werden.
Ist diese Schwelle überschritten worden?
Wenn man Menschen als Arschlöcher bezeichnet, ist das nicht okay. Aber was mich schon nachdenklich stimmt: Die Polizei sorgt stundenlang für Ordnung und dann kommen Eltern daher und beschweren sich über die einschreitenden Beamten. Aber niemand kommt auf die Idee, den eigenen Sohnemann in die Schranken zu weisen.
Wir spüren zumindest die Auswirkungen, dass manche völlig orientierungslos sind und sie niemand in ihre Schranken weist und dies wäre primär schon die Aufgabe der Eltern. Die Jugendlichen brauchen eine Orientierung. Nur in den Tag zu leben, ihr Handy und die Bomberjacke als wichtig zu erachten, aber sonst leisten sie keinen Beitrag zur Gesellschaft, sondern fordern und bekommen nur - das wird auf Dauer nicht möglich sein. Wir merken die Auswirkungen. Das sind gesamtgesellschaftliche Herausforderungen, die die Polizei alleine nicht bewältigen kann.
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