Stadtspaziergang mit Ulli Sima: Weniger „Klumpert“ und Asphalt, mehr Grün
Mehr Grün, weniger Asphalt ist ihre Devise, und Ulli Sima ist einigermaßen zufrieden: Blumen und Gräser wachsen auf sandigem Untergrund am (noch von ihrer grünen Vorgängerin Birgit Hebein) neu gestalteten Reumannplatz. Das sei erst der Beginn: In den nächsten Jahren werde es noch dichter und schöner wuchern, frohlockt sie.
Aber warum wurden alle Büsche beseitigt – sodass es im ersten Moment nach Betonwüste aussah? Vielleicht um es Drogendealern schwerer zu machen? Man habe „Angsträume“ beseitigen wollen, sagt sie. Vollblutpolitikerin Sima, seit Herbst des Vorjahres Stadträtin für Innovation, Stadtplanung und Mobilität, hat für alles eine Antwort.
Widerspruch
Der Stadtspaziergang in Wien-Favoriten entstand aus einem sonntägigen Mailverkehr nach einem KURIER-Leitartikel, der die Raumplanung in Stadt und Land kritisch unter die Lupe genommen hatte. Sima meldete sich spontan mit Widerspruch und schlug vor, dem KURIER gelungene Plätze zu zeigen – aber auch solche mit Verbesserungsbedarf.
Wir treffen einander unweit des Amalienbades (ein Art-déco-Juwel) gegenüber dem legendären Eissalon Tichy. Sima hat ihre Pressesprecherin und den Planungsdirektor mitgenommen. Gemeinsam schlendern wir in eineinhalb Stunden vom Reumannplatz über die äußere Favoritenstraße zum Sonnwendviertel über die Brücke zum Arsenal und danach zum Hauptbahnhof zurück.
Ist denn der massive Bauboom noch immer notwendig und war es bei Neubauten der vergangenen Jahre vernünftig, jeden Zentimeter zuzupflastern? Verdichtung sei nötig, antwortet Sima, aber sie wolle das künftig „moderater“ machen, sagt die Sozialdemokratin. „Aber wir können ja nicht jedem ein Einfamilienhaus bauen.“
Grünes Mäntelchen
Sima ist zwar im roten Mantel erschienen, legt jedoch bei jeder Antwort Wert darauf, sich ein grünes Mäntelchen anzuziehen. Schließlich sei sie sogar ausgebildete Biologin (und war einst bei Global 2000). Und so sprechen wir auch über „XL-Bäume“, die sie pflanzen will. Diese sind beim Setzen bereits 25 Jahre alt und werden danach alle zwei Jahre verpflanzt, das hält den Ballen klein, er sei damit weniger anfällig im Stadtbeton. Ein teurer Spaß? Nein, schließlich müsse man auch Bäume ersetzen, die absterben.
Wir gehen die äußere Favoritenstraße Richtung Stadt: eine in die Jahre gekommene Fußgängerzone mit Wettcafés und leeren Gassenlokalen. Im Gegensatz zur Innenstadt werden Stadträte hier nicht auf der Straße erkannt. Imbissbuden reihen sich aneinander, vielleicht verstärkt das den schmuddligen Eindruck? Diese „Verhüttelung“ sei auch ihr ein Dorn im Auge, gibt Sima unumwunden zu. Es stehe wirklich recht viel „Klumpert“ in Wiens Straßen herum. „Da will ich aufräumen.“ Lachender Nachsatz: „Das ist ja meine Spezialität.“ (als ehemals auch für Müllabfuhr zuständige Stadträtin). Vielleicht könne man ja manch Standl in die Erdgeschoßbereiche von Häusern verlegen, überlegt sie laut.
Offene Markthalle
Wir passieren den Viktor Adler-Markt. Schön ist er nicht, aber beliebt. Offenbar kein Änderungsbedarf. Zu Simas neuen Themen gehört aber auch der Plan einer offenen Markthalle. Sie soll auf dem Flohmarkt/Parkplatzgelände am Naschmarkt errichtet werden und polarisiert. Die Grünen wollen einen Park, manche sogar eine Freilegung des alten Wienflusses. Sima möchte einen Teil begrünen.
Eine hochklassige Delikatessenmeile (wie es sie in den meisten internationalen Städten gibt) ist hier nicht geplant. Ihr gehe es um Spezialitäten aus Wien – auch für Leute, „die nicht reich sind“. Wien habe viele tolle Biogärtner, und die Menschen hätten eine Sehnsucht nach Regionalität. Das sei in der Krise sogar noch stärker geworden.
Versiegelungsgrad zu hoch
Wir sind mittlerweile beim Columbusplatz angelangt. Eine Steinwüste mit Wasserfontänen. Der Versiegelungsgrad sei zu hoch, gibt sie zu. „So würde man heute nicht mehr bauen.“ In der Entfernung sieht man das Stadtentwicklungsgebiet des zukünftigen Neuen Landguts mit der Gösser-Halle: eine Riesen-Baustelle, alle Bäume gerodet. Wenigstens hat man die alte Industriehalle nicht (wie leider oft üblich in Wien) abgerissen, sondern will sie in das Neubauviertel integrieren. Die Nutzung ist allerdings noch nicht klar.
Immerhin habe es auch eine Reform der Bauordnung gegeben, damit nicht weiterhin Gründerzeithäuser in großem Stil abgerissen werden, um sie durch Neubauten zu ersetzen (in denen der gesetzliche Richtwertmietzins nicht gilt, also höhere Mieten verlangt werden können), wirft Planungsdirektor Thomas Madreiter ein.
Stimmen denn die Bevölkerungsprognosen noch immer, sprich: Braucht es so ein großes Bauprogramm? Schließlich könnte ja die Pandemie samt Homeoffice auch den Büromarkt stark verändern. Letzteres sei möglich, so der Direktor. Beim Wohnen hingegen habe sich der Bedarf an neuem Wohnraum nur geringfügig verändert.
Am Ende der äußeren Favoritenstraße erhebt sich die graue Wand des Hauptbahnhofs. Er riegelt Favoriten von der inneren Stadt ab. Wäre der Bau nicht eine Jahrhundertchance gewesen, den Zehnten und Vierten anzubinden und die gesamte Gegend aufzuwerten? Der Bau sei nicht in ihrer Zuständigkeit gelegen, meint Sima und lässt zwischen den Zeilen erkennen, dass sie hier auch nicht alles sehr gelungen findet. „Die Wand zum Beispiel würde ich echt gern begrünen“, sagt sie. Aber da seien die ÖBB zuständig – „und die grüne Infrastrukturministerin“, ergänzt die Pressesprecherin. Wonach beide finden, das dürfe daher kein allzu großes Problem sein. Schließlich habe auch beim umgewandelten Praterstern die Zusammenarbeit mit den ÖBB gut funktioniert.
Der (nach Meinung aller Experten absurd verhunzte) Platz wird jetzt neu gestaltet.
Wir biegen nach rechts Richtung Helmut Zilk-Park ab. Er ist zur Vorzeigeregion der Stadtregierung geworden. Teile der Grünflächen werden nicht gemäht, sollen „naturnah“ bleiben. Die Neubauten, die den Park säumen, wirken ambitionierter als andere Neubauten.
Warum gibt es eigentlich so wenig Landmarks und so viel mittelmäßige Architektur in Wien? Naja, den DC-Tower finde sie sehr gelungen, entgegnet Sima, oder zum Beispiel das Viertelzwei am Rande des Praters. Aber sie räumt ein, dass sie das auch selbst für ein Thema halte. Sie werde sich um innovative Architektur bemühen. Aber dafür brauche es private Bauträger, die dazu bereit seien.
Der Stadtentwicklungsplan wird übrigens gerade (wie alle zehn Jahre) neu entwickelt: eine Chance für Sima, eigene Akzente zu setzen. Grüner, verkehrsberuhigter soll die Stadt werden, wenn es nach ihr geht. Und sie will sich im Gegensatz zu den Grünen, die sich mit ihren Vorzeigeprojekten vor allem auf Wien-Neubau konzentrierten, auch mit den Außenbezirken befassen. Die Wagramer Straße soll neu gestaltet werden. Nächstes Umgestaltungsprojekt ist die Thaliastraße, und auch beim Schwarzenbergplatz sieht sie einigen Änderungsbedarf. Obwohl von einem spanischen Star-Architekten gestaltet, ist der Platz eher eine triste Betonlandschaft.
Im Dornröschenschlaf
Wir betreten den brandneuen Arsenalsteg mit Blick auf den Bahnhof und die historisierenden Bauten des Arsenals. Von hier aus sieht es aus wie ein im Dornröschenschlaf liegendes Märchenschloss, oder? „Wir werden es gemeinsam mit der Bundesimmobiliengesellschaft aufwecken“, verspricht Sima. Aber wie? In Salzburg zum Beispiel mutierte die alte Panzerhalle (die es auch hier gibt) zu einer beliebten Gastromeile. Ins Arsenal soll die TU einziehen, ein „Forschungscluster“ entstehen (das Wifo ist schon da). Aber das Öffi-Angebot ist eher bescheiden. Stimmt, da fehle noch etwas, sagt Sima.
Wir gehen zurück zum Hauptbahnhof, dessen Grau an einem wolkenverhangenen Tag noch düsterer als sonst wirkt. Der in Favoriten liegende „Hintereingang“ hat sich zum Haupteingang entwickelt. Nach vorne hin Richtung Gürtel ist der Platz weitaus größer, aber wieder einmal – erraten: eine wenig ansprechende Betonwüste, für Fußgänger außerdem schlecht erreichbar. Schwierig, hier im Nachhinein etwas zu ändern. Sima wird es sich dennoch anschauen. Und lädt den KURIER zum Abschied gleich zu einem weiteren Stadtspaziergang ein. Fortsetzung folgt also.
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