Weihnachten im Gefängnis: Zu zweit in der Zelle und trotzdem einsam
Es ist kein Zufall, dass das Bild links hinter dem Altar jenes von der Ehebrecherin ist, die Jesus vorgeführt wird. Jesus muss sich entscheiden: Soll er sie steinigen, wie ihm die Pharisäer empfehlen. Oder lässt er sie gehen? „Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein“, soll Jesus dann gesagt haben.
Es ist ein gutes Bild für eine Gefängniskapelle.
Jene in der Justizanstalt Josefstadt ist der einzige hohe, helle Raum in der gesamten Anstalt. 960 Insassen sind derzeit in der Josefstadt inhaftiert. Davon 71 Frauen und 24 Jugendliche im Alter zwischen 16 und 18 Jahren.
Zum Weihnachtsgottesdienst in der Gefängniskirche kommen normalerweise rund 40 Personen. Heuer dürfen es nicht mehr als fünf sein. Weihnachten ist keine einfache Zeit für Häftlinge. Corona verschärft diese ohnehin schon schwierige Situation noch einmal.
Ausgänge sind wegen Corona derzeit untersagt. Besuche wegen des Lockdowns ab 26. Dezember auch. Und zwar jeglicher Art.
Das schließt die sogenannten Tischbesuche (von Angesicht zu Angesicht) genauso ein, wie Besuche hinter Glas, bei denen Angehörige „von draußen“ zu Besuch kommen und per Telefon über eine Plexiglasscheibe mit den Angehörigen „drinnen“ telefonieren.
Wie es Menschen in Haft rund um Weihnachten geht, das beschreibt der katholische Seelsorger Bernhard Haschka als „Gefühlsmelange.“ Irgendwie freuen sie sich, aber vor allem haben viele damit zu kämpfen, ein Dasein einsam in einer Zelle zu fristen – auch wenn man zu zweit inhaftiert ist.
Ein Mann, der heuer zum ersten Mal Weihnachten im Gefängnis verbringen muss, hat das (dem ebenfalls katholischen) Seelsorger Herbert Trimmel so beschrieben. „Kalt und einsam“, das seien die Worte, die dem Mann zu seinem Weihnachten in diesem Jahr einfallen.
Der KURIER wollte gerne mit Inhaftierten über die Situation sprechen, das Justizministerium hat das aber nicht erlaubt.
Anstelle der Häftlinge erzählen nun die beiden Seelsorger. Etwa, dass Weihnachten nicht für alle, die es aufgrund ihrer Religion oder ihres Brauchtums feiern, große Bedeutung hat.
Freude und Verdrängen
Da gibt es die, die in sogenannten schwierigen familiären Verhältnissen aufgewachsen sind. Oder in Kinderheimen. Oder zuletzt im Obdachlosenheim Weihnachten gefeiert haben. „Für die ist Weihnachten eher ein Tag wie jeder andere“, sagt Seelsorger Trimmel.
Dann gibt es die, die aus intakten Familien kommen oder Angehörige haben – und für die die Trennung über Weihnachten besonders hart ist. Die Möglichkeit zur Videotelefonie, die man seit Kurzem extra eingerichtet hat, damit Häftlinge in der Corona-Zeit Kontakt halten können, hilft vielen, eignet sich aber nicht für jeden.
Ein Mann, erzählt Seelsorger Trimmel, habe mit seiner Frau telefoniert. Die habe ihm via Handy den aufgeputzten Christbaum gezeigt und den Hund im Garten. „Dem ist es nachher schlechter gegangen als vorher“, sagt Trimmel.
Und dann gibt es die, die verdrängen. Deshalb halten die Seelsorger im Gefängnis auch „den Ball flach“, was Weihnachten betrifft. „Man muss nicht immer so auf die Tränendrüse drücken“, sagt Seelsorger Haschka.
Packerl und Christbaum
Die Seelsorger bemühen sich nicht nur im Gespräch um die Gefangenen, sie spielen auch ein bisserl Christkind. Seit den 80er-Jahren werden den Insassen Packerl beschert.
Früher konnte man die einfach ins Gefängnis liefern lassen (da war das noch nicht so mit dem Drogen-Schmuggel). Heute sammeln die Seelsorger Geldspenden in den Pfarren und machen die Packerl selbst. Süßigkeiten und Tabak, jeder soll das Gleiche bekommen.
Das habe auch die Streitereien im Häf'n beendet. Früher seien die Packerl nämlich sogar direkt in die Zelle geliefert worden, die Häftlinge hätten sich mitunter ums größte gerissen - und seien dann enttäuscht gewesen, weil nur ein Kilo Mandarinen drin war. Und im kleinen die Malboro.
Jeder Gefangene bekommt heuer auch eine ökumenische Grußbotschaft, die die katholischen Seelsorger gemeinsam mit der evangelischen Seelsorgerin formuliert haben. Schokolade gibt's auch dazu.
Weihnachten im Gefängnis, das sei eine Gratwanderung. „Es muss nicht immer besinnlich sein", sagt Seelsorger Haschka. Denn Besinnlichkeit bedeute auch: viel Emotion, vielleicht auch Melancholie. Da tun sich viele mit ein bisschen Fröhlichkeit leichter. „Wenn ich die Jugendlichen von hier in der Millennium City treffen würde, die würden mich nicht anschauen“, sagt Haschka. Aber im Gefängnis, da seien sie froh, wenn sie mit ihm Weihnachtslieder singen dürfen.
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