Wahlarzt-Debatte als "Ausdruck der Verzweiflung"
Einen schöneren aufgelegten Elfmeter hätte sich die neue Spitze der Wiener Ärztekammer gar nicht wünschen können. Hatte sie vor zwei Wochen im Zuge ihrer Bestellung noch Erklärungsbedarf, warum mit Stefan Ferenci ein niedergelassener Arzt zum obersten Vertreter der Spitalsärzte gekürt wurde, kann sie nun wieder in die Offensive gehen.
Anlass: Die Debatte um die Beschränkung der Wahlärzte. Um die Versorgungslücken in der Kassenmedizin zu schließen, hatte zuletzt Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) laut über eine verpflichtende befristete Kassenarzt-Tätigkeit von Medizin-Absolventen nachgedacht. Zuvor hatte Andreas Huss, Vize-Chef der ÖGK, eine Abschaffung der Kosten-Rückerstattung bei Wahlarzt-Honoraren gefordert.
Die Wiener Ärztevertreter zeigen sich empört: Er sei „fassungslos“ ob solcher Ideen einer Zwangsverpflichtung, sagt der neue Präsident Johannes Steinhart. „Schockiert“ gar gibt sich Erik Huber, sein Nachfolger als Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte. Er sieht in dem Vorschlag einen „Ausdruck der Verzweiflung“. Eine Abschaffung der Erstattung würde die Patienten nur in die Spitalsambulanzen treiben.
Um den Beruf als Kassenarzt wieder attraktiver zu machen, fordert Urologe Huber eine Reform des in seinen Augen völlig veralteten Leistungskatalogs. Vor allem die Zeit für Gespräche mit den Patienten soll angemessen honoriert werden. Weiters plädiert er für eine duale Ausbildung mit zwei Jahren in einer Ordination, gefolgt von vier Jahren im Spital.
Ferenci, neuer Obmann der Spitalsärzte-Kurie, sieht ebenfalls Reformbedarf in der Ausbildung. Er fordert die Abschaffung der Basisausbildung, um den jungen Kollegen den raschen Einstieg in ihr Wunschfach zu ermöglichen.
Die Kritik, dass er als niedergelassener Arzt nicht gerade der typische Spitalsärztevertreter sei, lässt er nicht gelten. Er genieße „großen Rückhalt“ in der Kammer, schließlich sei er in der Kurie mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt worden. „Und der Wechsel in eine Kassenordination hat den Blick auf das System geschärft“, betont er.
Steinhart siegesgewiss
Indes zeichnet sich immer mehr ab, dass Steinhart wohl auch neuer Chef der Bundes-Ärztekammer wird. Wie berichtet, gibt es bis dato keinen ernstzunehmenden Gegenkandidaten zum 67-Jährigen. Auch er selbst zeigt sich mittlerweile demonstrativ optimistisch: Er orte „positive und konstruktive Zeichen“. Sollte die Wahl auf ihn fallen, würde er das Amt „mit großem Respekt und Ehrfurcht annehmen“, betont er.
Die Entscheidung fällt am Kammertag am 24. Juni.
Kommentare