Sie waren vor rund 100 Jahren fixer Bestandteil des Stadtbildes. Gemeint sind damit nicht die ebenso genannten Eisheiligen. Sondern Männer, die auf ihren Schultern Jutesäcke mit Eisblöcken an ihren Bestimmungsort – Gaststätten, Geschäfte und private Haushalte – brachten.
Als Quelle für die Blöcke diente den Eismännern die (Alte) Donau. Sie schnitten dort die gefrorenen Blöcke heraus. Daran erinnert der Schnitterweg, der im 22. Bezirk am Wasser verläuft.
Publikumsereignis
Besonders reiche Ernte fuhren die Schnitter im Jänner 1880 ein. Laut Historiker Walter Öhlinger vom Wien Museum stauten sich damals riesige Treibeisplatten in der Donau. Ein früher nicht so seltenes Ereignis, das unter dem Begriff "Eisstoß" subsumiert wurde – und gefährlich war: Die Platten drohten den Fluss zu blockieren, der wiederum das Umland geflutet hätte.
Ein bisschen wusste man sich aber dagegen zu helfen: An der Einmündung des Hauptstroms in den Donaukanal, wo sich heute die Nussdorfer Wehr befindet, montierte man zum Schutz ein "Schwimmtor". Bei seiner ersten Bewährungsprobe im Jänner 1880 wurde es von vielen Schaulustigen bestaunt. Die Schnitter widmeten sich unterdessen dem Eis.
In der Stadt wurde dieses in eigenen Eiskellern aufbewahrt. "So konnte das Eis über Monate kühl gelagert werden", schreibt Historikerin Katharina Mölk im unlängst erschienen Buch "Kulturgeschichten der Weihnachtszeit". Das Eis diente demnach nicht nur zum Kühlen, sondern wurde auch verzehrt – mit Vorliebe bei Hofe. Eines der Lieblingsdesserts von Maria Theresia war "Eissorbet, das aus klein gehacktem Eis mit Fruchtsoße hergestellt wurde", so Mölk.
Eis-Hotspot im 20. Bezirk
Für die Habsburger wurde übrigens auch Schnee in die Stadt geschafft. Lag davon nicht genug auf den Straßen, wurde er von den Bergen herbeigekarrt und in der Stadt verteilt – was prunkvolle kaiserliche Schlittenfahrten ermöglichte.
Immer wieder war aber nicht nur Schnee, sondern auch Eis in den Wintern rar – was im Sommer zu Engpässen führte. Als die Technik so weit war, gründete der Industrielle Moritz Faber in der Klosterneuburger Straße im 20. Bezirk daher eine Eisproduktion. Ab 1884 wurde in der „Wiener Krystall-Eis-Fabrik“ aus dem dort gut verfügbaren Wasser Eis hergestellt.
Das Geschäft lief gut, man baute aus und erzeugte ab dem Jahr 1897 pro Tag bis zu 200.000 Kilo Eis – so viel wie sonst keine Eisfabrik in ganz Europa. Für die Abnehmer hatte das rasante Wachstum des Unternehmens aber auch eine unangenehme Begleiterscheinung: Bald hatte es quasi ein Monopol inne und verlangte teils saftige Preise.
1898 gründeten Gastwirte, Cafetiers, Fleischhauer und andere Gewerbetreibende nur zwei Kilometer weiter, in der Pasettistraße, ihre eigene Produktion – die "Eisfabrik der Approvisionierungs-Gewerbe in Wien". Mit Erfolg: Rund zehn Jahre nach der Eröffnung stellte man pro Tag bereits 420.000 Kilo Eis her – und schluckte schließlich sogar die Krystall-Eis-Fabrik.
Neues Standbein
Ein besonders wichtiger Abnehmer waren Fleischer: Sie benötigten große Mengen an Eisflocken für die Wurstproduktion. Die dabei verwendeten Messer laufen rasch heiß, weshalb das Brät gekühlt werden muss. Diese Flocken wurden auch viele Jahre zur Kühlung von Güterwaggons verwendet, wie Geschäftsführer Roland Spitzhirn erzählt.
Mit der Verbreitung elektrischer Kühlung fielen dieser und andere Geschäftszweige aber nach und nach weg. Um die Jahrtausendwende stellte man die Eisproduktion daher ein. Doch da war bereits ein neues Standbein gefunden. Parallel zum Siegeszug des Kühlschranks ab den 1930ern waren auf dem Firmengelände Kühlhäuser errichtet worden.
Heute können dort 16.000 Paletten Tiefkühlware bei minus 21 bis minus 27 Grad gelagert werden. Darunter: Pharma-Produkte, Waren von jüdischen Lebensmittelhändlern aus der Umgebung und Speiseeis von Verkäufern auf der Donauinsel.
Eisbedarf stellt die Fabrik, wie 1899 versprochen – in gewisser Weise – also noch immer sicher.
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