Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) agiert als Kultur- und Wissenschaftsstadträtin im Spannungsfeld zwischen Verschwörungstheorien und der derzeitigen Preisexplosion.
KURIER: Alle reden immer davon, dass man mehr Kultur an den Stadtrand bringen muss. Wo gibt es den größten Nachholbedarf?
Veronica Kaup-Hasler: Bei Angeboten für Kinder. Es ist notwendig, dass Kultur auch für die Kleinsten in räumlicher Nähe zugänglich ist. Das ist nicht zuletzt auch eine Frage der Entlastung von Alleinerziehenden.
Gibt es konkrete Pläne?
Ich spreche ungern über ungelegte Eier, hier sind wir noch am Brüten. Aber ja: Es wird neue Standorte für Kindertheater und auch ein Kindermuseum geben. Aber jenseits von Institutionen müssen wir schnell und gratis Kultur zu den Menschen bringen – wie wir das auch mit dem Kultursommer tun, wo es Veranstaltungen in allen Bezirken gibt. In Zeiten steigender Kosten müssen wir alles tun, um alle am gesellschaftlichen Tun teilhaben zu lassen.
Das ist aber auch eine Frage der Finanzierung.
Wir dürfen nicht immer die ökonomischen Prämissen in den Vordergrund stellen. Darum finde ich auch wichtig, die Dauerausstellung im Wien Museum für alle gratis zugänglich zu machen. Am Ende sind die Kosten einer Gesellschaft höher, wenn sich viele ausgeschlossen fühlen.
Es gibt neue Initiativen für Wissenschaftsvermittlung in den Bezirken. Warum?
Die Bundesregierung hat viel zu früh ein Ende der Pandemie ausgerufen. Der Optimismus von Sebastian Kurz war nur politisch gewollt und nicht auf die Sichtweise der Experten gestützt. Auch die spätere Impfkampagne war nicht breitenwirksam genug. Diese Politik hat zu Demos, Verschwörungstheorien und Zorn beigetragen. Ich habe meine eigene Stadt nicht wiedererkannt. Das Vertrauen in die Wissenschaft muss nun verstärkt gefördert werden.
Ist in anderen Ländern das Vertrauen in die Wissenschaft höher?
In Portugal ist die Freude am Forschen etwa mehr im Bildungssystem implementiert. Lust auf Wissenschaft muss von Kindesbeinen an gefördert werden. Wir haben ein überholtes Schulsystem. Mein Sohn macht Matura und hat dasselbe Schulsystem, wie ich es hatte – nicht zu glauben.
Rotes Mandat
Veronica Kaup-Hasler ist seit 2018 Wiener Kulturstadträtin in der Regierung von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). Sie
ist parteilos, wurde aber von der SPÖ nominiert. Sie folgte damit Andreas Mailath-Pokorny
Engagements
Kaup-Hasler wurde 1968 in Dresden geboren, zog aber bereits als Kind nach Wien. In der österreichischen Kulturbranche ist sie seit den 1990er-Jahren aktiv – etwa als Festivaldramaturgin der Wiener Festwochen. Von 2006 bis 2017 war sie Intendantin des Kunstfestivals Steirischer Herbst
Machen Sie jetzt Bildungspolitik?
Ich kann mit meinen Mitteln nur zeigen, wo die Reise hingehen sollte. Österreich ist ein großartiges Land, aber bei allem Selbstbewusstsein müssen wir erkennen, dass es andere in manchen Bereichen besser machen.
Sichtbarkeit von Frauen im öffentlichen Raum ist nach wie vor ein Thema: Ist es genug, nur Straßen zu benennen? Es ist nie genug. Die Stadt spiegelt wider, wie lange wir ein patriarchales System gehabt haben. Mit Konzepten wie der Seestadt Aspern wollen wir dem entgegenwirken. Hier werden Straßen fast ausschließlich nach Frauen benannt. Manche fühlen sich ausgeschlossen. Das ist ein spätes Echo auf das, was wir Frauen immer erleben, wenn wir durch die Stadt gehen.
Warum werden keine Denkmäler für Frauen aufgestellt?
Denkmäler stammen hauptsächlich aus dem 19. Jahrhundert – und bedienen sich auch der Bildsprache von damals. Zeitgenössische Kunst ist abstrakt und zeigt weltweit kaum realistische Abbildungen. Hier hat sich in der Gedenkkultur vieles verändert.
Warum montiert man dann nicht umstrittene Männerdenkmäler – etwa jenes von Karl Lueger – ab?
Ich bin gegen das Wegräumen von Denkmälern. Menschen, die etwas wegräumen wollen, löschen auch Geschichte aus. Wir müssen im Fall von Lueger, der gleichzeitig engagierter Kommunalpolitiker und populistischer Antisemit war, aber mehr tun als nur ein Taferl anzubringen. Eine Ausschreibung für eine dauerhafte Lösung folgt im Herbst, davor ist eine temporäre Installation geplant.
Wien ist wegen des Heumarkts beim Thema Weltkulturerbe auf der Roten Liste der UNESCO. Was ist wichtiger: Moderne Stadtplanung oder der Erhalt des Weltkulturerbes?
Beides schließt sich nicht aus. In Wien ist nicht ein einzelnes Gebäude als Welterbe ausgezeichnet worden, sondern die komplette Innenstadt. Anerkannte architektonische Beispiele wie das Haas-Haus zeigen, dass Welterbe und moderne Stadtplanung nebeneinander möglich sind.
Was würden Sie sich vom Bund, konkret von Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer wünschen?
Angesichts der fast täglich wechselnden Regierung wünsche ich mir, dass sie bleibt. Unsere Zusammenarbeit funktioniert sehr gut.
Wegen des Ukraine-Krieges werden immer wieder russische Künstler ausgeladen. Ist das richtig?
Ich finde es wichtig, angesichts dieses Grauens eindeutig Stellung zu beziehen. Ich gebe aber zu bedenken, dass wir hier im Westen auf unseren gesicherten Pölstern leichter reden können als Künstler in Russland, die unter einer permanenten Bedrohung leben. Wer sich gegen Putin positioniert, bringt Menschen in Gefahr.
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