Die Erkenntnisse der Historikerkommission wurden aber zumindest in das „Wien Geschichte Wiki“ eingearbeitet. Tatsächlich findet man z. B. beim Julius-Tandler-Platz den Hinweis, dass der Straßenname als Fall mit „Diskussionsbedarf“ eingeordnet wurde. Der im Roten Wien geschätzte Anatom mit jüdischen Wurzeln war ein Vertreter der Eugenetik und propagierte die freiwillige Sterilisation, er verwendete eine menschenverachtende Terminologie mit Begriffen wie „Minusvarianten“ und „Lumpenproletariat“.
Nun, nach knapp acht Jahren, kommt neuer Schwung in die Sache: „Ich habe initiiert, dass alle Straßen mit belasteten Namen, das sind noch 150, eine Zusatztafel mit Erklärungen erhalten. Das wird noch in diesem Jahr umgesetzt“, sagt Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler. Wie ihr das gelang? „Ich suchte den Dialog und jetzt gibt es eben die Zustimmung.“ Kaup-Hasler beauftragte die Historikerkommission zudem, alle Straßennamen mit Kolonialbezug zu untersuchen.
Kaup-Hasler will nun auch eine Lösung für das Lueger-Denkmal erarbeiten. Nach der Beschmierung mit dem Wort „Schande“ (der über Parteigrenzen hinweg beliebte Bürgermeister Karl Lueger äußerte sich gerne antisemitisch) ließ die Stadt einen Bauzaun errichten. Er diente allerdings bloß dazu, den Sockel zu verbergen. Denn es gab entgegen der Ankündigung keine Restaurierungsarbeiten.
„Wir wissen doch ganz genau: Wenn wir das Denkmal restaurieren, wird es danach wieder beschmiert werden“, sagt Kaup-Hasler. „Wir müssen anders reagieren. Ich lade daher Expertinnen und Experten zu einem runden Tisch ins Rathaus ein, um den adäquaten Umgang mit dem Denkmal zu besprechen. Wir machen keine ,cancel culture‘, wir schaffen das Denkmal nicht in den Keller der Geschichte, sondern wir stellen die Ambivalenz der Figur Lueger dar – in Form einer Überschreibung oder eines Palimpsests.“
Zudem kündigt Kaup-Hasler ein Museum an, das sich mit den schrecklichen Ereignissen in der Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund“ auf der Baumgartner Höhe auseinandersetzt: In der Zeit des Nationalsozialismus von 1940 bis 1945 wurden kranke, behinderte und „nicht erziehbare“ Kinder und Jugendliche gequält, an die 800 dieser angeblich „lebensunwerten Leben“ ermordet. Das Konzept für das Ausstellungs- und Vermittlungszentrum zur Geschichte des Otto Wagner-Areals und des Spiegelgrundes wird derzeit unter der Leitung des Wien Museums ausgearbeitet.
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