(Un)freiwillige Wahlhelfer für die Nationalratswahl
Demokratie ist mitunter harte Arbeit. Am Wahltag sogar harte Sonntagsarbeit. Das wissen alle, die schon einmal ganztägig in einem Wahllokal diesen Dienst an der Demokratie geleistet haben.
Während die Beisitzer der einzelnen Parteien ehrenamtlich tätig sind, besteht für Mitarbeiter der Stadt Wien sogar Dienstpflicht, wenn zur Urne gerufen wird.
Bei der kommenden Nationalratswahl werden fast 13.000 Personen im Einsatz sein, um den reibungslosen Ablauf in der Bundeshauptstadt zu garantieren.
Gut möglich also, dass Sie am 29. September in Ihrem Wahllokal dem freundlichen Herrn von der Müllabfuhr, dem Parksheriff, der Sie zuletzt gestraft hat, oder der Lehrerin Ihrer Tochter begegnen.
Schon bei der EU-Wahl im Juni hat es starken Druck von den Vorgesetzten gegeben.
Personalbedarf ist gestiegen
In einer ganz anderen Rolle freilich. Der Personalbedarf ist zuletzt jedenfalls massiv angestiegen. Denn durch das neue Wahlrecht müssen Wahlkarten noch am Wahltag ausgezählt werden – weshalb die Stadt Wien rund 1.500 zusätzliche Wahlhelfer benötigt. "In jedem Sprengel gibt es jetzt auch einen zweiten Stellvertreter. Zusätzlich zum Wahlleiter und dem ersten Stellvertreter", erklärt Christine Bachofner, Leiterin der für Wahlen zuständigen MA62.
Sprengel
1.502 Wahlsprengel gibt es in Wien, in jedem Wahllokal befinden sich sechs Personen der Sprengel-Wahlbehörde: Der Wahlleiter und seine zwei Stellvertreter sowie die Beisitzer der drei stimmenstärksten Parteien von 2019 in Wien (SPÖ, ÖVP, Grüne). Am 29. September ist jedes Wahllokal von 7 bis 17 Uhr geöffnet.
Wiens Gewicht
Von den insgesamt 6.346.029 Wahlberechtigten kommen 1.127.958 aus der Bundeshauptstadt – also mehr als jeder Sechste. Von den 183 Abgeordneten werden 33 von den Wiener Wählern bestimmt.
Zuzüglich dieser rund 5.000 Personen der Sprengel-Wahlbehörden (also drei pro Wahllokal) seien dann auch noch Ordner und Juristen respektive Mitarbeiter in den Bezirksämtern im Einsatz. Insgesamt fast 8.000 bezahlte Kräfte. Der KURIER hat mit einigen Magistratsbediensteten gesprochen, die an der gängigen Praxis Kritik üben (aufgrund aufrechter Dienstverträge bleiben sie anonym).
Schon bei der EU-Wahl im Juni habe es "starken Druck" der Vorgesetzten gegeben, sich ja freiwillig zu melden: "Man musste erklären, warum man nicht kann."
Wer sich nicht selber melde, werde irgendwo und nicht im Wunschbezirk eingesetzt, habe eine Drohung gelautet. Und so seien dann auch Personen eingeteilt worden, die Familie haben oder am Sonntag ehrenamtlich in Vereinen tätig sind und dort ausgefallen sind. Ebenso gemurrt wird, dass hauptsächlich bei den unteren Einkommensklassen rekrutiert werde, aus den Chefetagen sich jedoch niemand in ein Wahllokal setzen müsse.
Das wird auch durch einen langjährigen, früheren Mitarbeiter in einer höheren Dienstklasse bestätigt: "Ich wurde kein einziges Mal gefragt." Allerdings: "Am Wahlsonntag ist Dienstpflicht", erklärt Bachofner.
Wer also eingeteilt ist, hat (nach einer entsprechenden Einschulung) zu erscheinen. Dafür ist die Entlohnung für viele wiederum ein Zuckerl, sich freiwillig zu melden: "Egal ob man bei der MA48 arbeitet oder Lehrer ist: Die Entlohnung ist für alle gleich – das sind 499,26 Euro brutto", so die Behördenleiterin.
Fast eine Million Wahlkarten wurden bei der EU-Wahl im Juni beantragt – das entsprach rund 15 Prozent der Wahlberechtigten. Bei der Nationalratswahl am 29. September wird es wohl ähnlich sein. Wichtig ist, die Wahlkarte rechtzeitig zu beantragen:
- In Wien ist dies bis 25. September schriftlich (online unter wien.gv.at/wahlen) oder bis 27. September persönlich im zuständigen Wahlreferat des Bezirksamtes möglich.
Ein häufiger Fehler ist, bei der Briefwahl die Unterschrift für die eidesstattliche Erklärung auf dem Kuvert zu vergessen. Am Wahlabend schließen die letzten Wahllokale dann um 17 Uhr, kurz danach werden die ersten Hochrechnungen veröffentlicht.
Das vorläufige Ergebnis wird am Abend bekannt gegeben, unklar ist, um welche Uhrzeit. Denn die Auszählung der (vielen) Briefwahlstimmen dürfte länger dauern als bisher: Durch die Wahlrechtsreform 2023 wird der überwiegende Teil der Wahlkarten bereits am Wahlsonntag mit ausgezählt, daher hat die Wahlbehörde diesbezüglich noch keine Erfahrungswerte.
Ein freier Tag als Ausgleich ist nicht vorgesehen, und die Dienstzeit kann von 6 bis 22 Uhr durchaus lange währen. Demgegenüber bekommen die ehrenamtlichen Beisitzer der Parteien für den Wahlsonntag nur 100 Euro als Aufwandsentschädigung – steuerfrei; aber weil sie auch am Freitag davor und am Montag danach benötigt werden, kommt man insgesamt auf 300 Euro.
Per Erlass geregelt
In der Magistratsdirektion, wo alle Fäden bei der Mitarbeiter-Rekrutierung für den Wahlsonntag zusammenlaufen, kann man die Kritik nicht nachvollziehen: "Hinweise, dass Druck auf die Bediensteten ausgeübt werde, sind uns bis dato nicht bekannt", erklärt Günther Schuh, Leiter der Gruppe Personalwirtschaft.
Zudem sei per Erlass geregelt, dass auch höherrangige Bedienstete zum Zug kommen sollen. Die genannte Dienstpflicht gelte für alle Bediensteten der Stadt Wien und sei gesetzlich mehrfach abgesichert – zugleich seien aber auch Befreiungen geregelt.
Laut Schuh wird querbeet in allen Magistratsabteilungen und den ausgegliederten Unternehmungen WiGev, Wiener Wohnen und Wien-Kanal rekrutiert – je nach Größe muss ein bestimmtes Kontingent an Wahlhelfern gestellt werden.
Und etwa jeder Zehnte im Wahldienst sei eine Privatperson, weshalb man "eine problemlose Einteilung des erforderlichen Personals in den Wahlsprengeln gewährleisten" könne, so Schuh. Privatpersonen werden freilich nicht aktiv angeworben, wie auch ÖAAB-Landesobmann Hannes Taborsky feststellt. "Hier müsste es einmal eine Offensive geben."
Auch, um vielleicht den empfundenen Druck auf den einen oder anderen Mitarbeiter zu minimieren. Denn dass nicht jeder hocherfreut ist, wenn er einen ganzen Sonntag im Wahllokal verbringen muss, sei wohl evident. Auch, wenn es um die Demokratie geht.
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