Die U-Bahn-Linien verlaufen tief unter der Erde. Wer als U-Bahn-Fahrer oder Technikerin auf einer der zahlreichen Baustellen der Wiener Linien verbringt viel Zeit im Dunkeln.
Die Fahrersessel sind ergonomisch. Sie wippen im Gleichtakt mit den Bewegungen der U-Bahn. Nackenstützen gibt es aber keine, es soll ja nicht zu gemütlich werden. Die U-Bahn-Fahrer sollen während der Arbeit schließlich nicht einschlafen. Auch wenn das Wippen und die Dunkelheit dazu einladen.
Hier in den dunklen U-Bahn-Schächten sind die U-Bahn-Fahrerinnen und -Fahrer schließlich alleine. Kontakt gibt es nur zur Leitstelle oder zu Fahrgästen. Musikhören oder Handyspielen ist verboten. Kontakt zu den anderen Fahrern gibt es während der Fahrt nicht, erklärt U-Bahn-Fahrer Florian Buchebner. „Wir dürfen nicht abgelenkt sein, sondern müssen uns auf die Strecke und die Bahnsteige konzentrieren.“
Da bleibt reichlich Zeit zum Nachdenken. Einsam wird es aber nicht, sagt Buchebner. Er selbst bezeichnet sich als Mensch, der sich gut mit sich selbst beschäftigen kann. „Man hat ja auch Pausen, in denen man die Kollegen trifft. Und wenn auch das nicht reicht, dann gibt es immer einen Fahrgast, der mit einem kommunizieren will.“
Tagesverfassung
Gemeint sind damit jene Passagiere, die, aus welchem Grund auch immer, auf sich aufmerksam machen. Wie lange es aber tatsächlich dauert, bis Florian Buchebner einen Fahrgast persönlich per Durchsage anspricht, hängt auch von der Tagesverfassung ab. „Manchmal braucht es nicht viel“, sagt er schmunzelnd.
Bizarre Situationen erlebe man im Dienst zahlreiche. Wirklich Angst habe er aber – obwohl er immer alleine unterwegs ist – noch nie gehabt. „Von tätlichen Übergriffen auf Kollegen habe ich schon gehört. Mir selbst ist das aber noch nicht passiert“, sagt er. Wird ein Passagier doch aggressiv, reicht es meist, mit einem Anruf bei der Polizei zu drohen. Klappt auch das nicht, wird die Polizei tatsächlich gerufen. „Dann müssen wir halt warten. Für mich macht das keinen Unterschied.“
Läuft aber alles, wie es sollte – ohne Störungen oder aufmüpfige Passagiere – ist der U-Bahn-Fahrer hauptsächlich als Aufsicht da. Die meiste Zeit fährt der Zug automatisiert. Sprich, er fährt und bremst von alleine. Nur in den frühen Morgenstunden – und bei Störungen – müssen die Fahrerinnen und Fahrer händisch fahren. Der Grund: Damit das Können nicht verloren geht.
Angst vor der Automatisierung?
Angst vor der Automatisierung und dem damit verbundenen Jobverlust hat Buchebner nicht. Und das, obwohl der X-Wagen schon ab 2026 fahrerlos auf der neuen U5 verkehren soll. Die restlichen Linien sollen aber für den fahrerlosen Betrieb mit dem X-Wagen ausgestattet werden. Auf diesen Linien werden also auch weiterhin U-Bahn-Fahrerinnen und Fahrer benötigt.
Bis zur Pension will er den Job trotzdem nicht machen: Erstens weil das viele Sitzen – wie in vielen anderen Berufen auch – alles andere als gesundheitsfördernd ist. Zweitens sei er aufgrund der Schichten nur wenig zu Hause, vor allem am Wochenende. „Eine andere Position bei den Wiener Linien kann ich mir aber schon vorstellen“, sagt Buchebner.
Geheimtipps
Nach den fünf Jahren, die er nun als Fahrer arbeitet, hat er sich aber zumindest eine Strategie gegen das Einschlafen zurechtgelegt: Fenster auf und Heizung ausschalten. „Bei frischer, kühler Luft bleibt man viel leichter wach“, sagt Buchebner.
"Frauen im Tunnel bringen Unglück, hieß es der Legende zufolge“
Dass es kaum Frauen gibt, erkennt man an den Schuhen. Die gelben Baustellenstiefel für Besucher gibt es in den Größen 40 bis 45. Eine 38 sucht man vergeblich. „Die müsste es aber geben“, sagt Monika Zsivkovits. Sie selbst benötigt keine Besucherstiefel. Als stellvertretende Projektleiterin für einen Teil der aktuell entstehenden U2-Station Pilgramgasse hat sie natürlich ihre eigenen.
An der Tatsache, dass sie eine von nur wenigen Frauen auf dieser Baustelle der Wiener Linien ist, ändert das nichts. Aber immerhin ist sie nicht mehr – wie noch vor 21 Jahren, als sie mit dem Beruf begonnen hat – die Einzige. Als Antwort auf ein Zeitungsinserat habe sie sich damals beworben. „Viel Hoffnung, dass sie mich einladen, hatte ich als Nicht-Wienerin und leidenschaftliche Autofahrerin nicht. Obwohl ich das Anforderungsprofil komplett erfüllt habe“, sagt Zsivkovits.
Die erste Frau
Es kam aber anders. 2003 hat sie als erste Technikerin in der U-Bahn-Abteilung begonnen. Nicht aber ohne Vorbehalte der männlichen Kollegen: „Als ich auf meine erste U-Bahn-Baustelle gekommen bin, befürchtete ein Projektleiter, dass die Mineure im Tunnel die Arbeit aufgrund meiner Anwesenheit niederlegen würden. Frauen im Tunnel bringen Unglück, hieß es der Legende nach.“
Bestätigt hat sich das bis heute nicht. Weder das Unglück. Noch haben die Mineure jemals die Arbeit niedergelegt. „Schubladendenken“ gäbe es aber nach wie vor: „Wenn eine Frau eine Führungsrolle bekommt, wird das meist kritisch hinterfragt. Ein Mann als Projektleiter wird hingegen als selbstverständlich betrachtet“.
Tunnelvortriebsmaschine beginnt im Herbst
Wirklich negative Reaktionen habe sie nach ihrem ersten Tag aber keine mehr bekommen. Im Gegenteil, die Zusammenarbeit mit den Arbeitern – die nicht von den Wiener Linien, sondern von externen Firmen gestellt werden – sei immer gut.
Sobald die maßangefertigte Tunnelvortriebsmaschine geliefert ist, wird mit dem Tunnelbau begonnen. Gerechnet wird damit ab Herbst 2024. Bis dahin stellen die Mineure im Drei-Schicht-Betrieb die Tunnel für die Stationen her. Bis zu 30 Meter unter der Erde.
Kein natürliches Licht
Natürliches Licht gibt es dort unten keines. Wirklich dunkel ist es aber auch nicht: „Es ist heller als am Tag. Alles ist ausgeleuchtet, man steht ständig im Scheinwerferlicht“, sagt Zsivkovits. Notwendig mache das die Arbeitssicherheit. Eine Stollenlampe sollte man für den Notfall trotzdem immer dabei haben. „Das Handy reicht im Falle eines Stromausfalls nicht. Wenn es so richtig dunkel ist, kann es im Tunnel schon entrisch werden.“
Zumindest alle zwei Tage versucht Zsivkovits, auf der Baustelle vorbeizuschauen. „Es ist einfach wichtig, zu wissen, wie es den Leuten geht. Sie sind die wahren Helden. Die verdienen sich ihr Geld wirklich“. Den restlichen Teil ihrer Arbeitszeit, der unter anderem aus 24-Stunden-Schichten besteht, verbringt sie vor allem mit administrativen Arbeiten. Kostenabrechnungen und Planungs- und Abstimmungsarbeit. „Ein Baustellenrundgang ist da richtig erfrischend. Sonst kommt man vom Computer eh nie weg.“
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