"Todesfall war leider nur eine Frage der Zeit"
Sie wollte nur ihren Durst löschen und bezahlte dafür mit ihrem Leben: Die junge Natalie D. wurde nach einer Partynacht in Wien vermutlich mit der Droge "Liquid Ecstasy" vergiftet. Die Hintergründe der Tat sind noch Gegenstand von Ermittlungen, doch es scheint traurige Gewissheit, dass der Tod der gebürtigen Polin der erste Todesfall in Österreich in Zusammenhang mit K.o.-Tropfen ist. Der KURIER sprach mit zwei Expertinnen über die Gefahren und Risiken der Substanz - und mit welchen Folgen Opfer zu kämpfen haben.
KURIER: Hat sich das Problem der K.o.-Tropfen in den letzten Jahren verschärft?
Ursula Kussyk: Zumindest kann man sagen, dass es bis vor ein paar Jahren noch gar kein Thema war. Wir registrieren jedes Jahr einige Fälle, wo Frauen unbewusst K.o.-Tropfen zu sich genommen haben und danach vergewaltigt werden (Anm. offizielle Statistiken liegen keine vor, mehr dazu hier). So tragisch es klingen mag: Dass es nun einen Todesfall gibt, war leider nur eine Frage der Zeit.
KURIER: Wie gefährlich ist Liquid Ecstasy?
Sonja Grabenhofer: Liquid Ecstasy ist in der Drogenszene als GBL, GHB und noch zahlreichen anderen Namen bekannt. Wir beobachten in den letzten Jahren, dass GBL vermehrt von Vergewaltigern als K.o.-Mittel und weniger als Partydroge eingesetzt wird. Schon wenige Tropfen reichen für eine sehr starke, berauschende Wirkung aus. Man fühlt sich, als hätte man sehr schnell sehr viel Alkohol getrunken. Eine Nebenwirkung ist der mögliche "Filmriss" danach. Besonders in Zusammenspiel mit Alkohol kann GBL eine äußerst gefährliche Wirkung haben. Mit Ecstasy hat es übrigens nichts gemeinsam, außer dass es ebenfalls berauschend wirkt.
Hat Liquid Ecstasy einen besonderen Geschmack?
Grabenhofer: GHB hat einen leicht üblen Geruch und einen seifig-salzigen Geschmack. Wenn man die farblose Flüssigkeit in ein Getränk tropft, wird der Geschmack jedoch meist überdeckt und das Opfer merkt nichts. Generell ist die Gefahr einer Überdosierung bei Liquid Ecstasy sehr hoch. Die Folgen sind Übelkeit, stark verlangsamte Atmung bis hin zu Bewusstlosigkeit und Tod.
Worauf muss man beim Ausgehen achten?
Grabenhofer: Man sollte immer auf sein Glas aufpassen. Und sollte man den Verdacht haben, K.o.-Tropfen zu sich genommen zu haben, sofort medizinische Hilfe aufsuchen. In Fällen von Drogenmissbrauch beobachten wir leider, dass viele Betroffene nicht ins Krankenhaus wollen, weil sie Angst vor Strafverfolgung bzw. vor den hohen Kosten haben.
Mit welchen Problemen kämpfen betroffene Frauen?
Kussyk: Für die meisten Vergewaltigungsopfer bricht eine Welt zusammen. Es kommt häufig zu Ängsten und Schlafstörungen, viele fragen sich "Kann ich jetzt niemandem mehr trauen?". Oft treten auch Scham- und Schuldgefühle auf: Hätte ich nur nicht so viel Alkohol getrunken und gefeiert... Die Folgesymptome nach einer Vergewaltigung reichen von psychischen Problemen über körperliche Verletzungen bis hin zu psychosomatischen Beschwerden.
Raten Sie Ihren Klientinnen zur Anzeige bei der Polizei?
Kussyk: Ja. Wenn sich eine betroffene Frau dazu entscheidet, unterstützen wir sie auch bis zum Ende des Strafverfahrens mit psychosozialer Beratung und kostenloser anwaltlicher Vertretung. Leider werden aber sehr viele Verfahren eingestellt, weil oft die Beweise fehlen. K.o.-Tropfen lassen sich nur wenige Stunden lang im Körper des Opfers nachweisen.
Ursula Kussyk ist Sozialarbeiterin beim Verein "Notruf. Beratung für vergewaltigte Frauen und Mädchen", Wien (frauenberatung.at).
Sonja Grabenhofer ist Leiterin der Wiener Drogenberatungsstelle "ChEckiT" (checkyourdrugs.at)
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