K.o.-Tropfen: Die unsichtbare Gefahr

K.o.-Tropfen: Die unsichtbare Gefahr
Ohnmacht, Aggression, Erinnerungslücken - die Opfer Sarah, 22, und David, 26, schildern die Attacken und die Folgen.

Eigentlich wollte Sarah G. am 4. März 2010 nur tanzen gehen. Was tatsächlich passierte, wird sie vermutlich ihr Leben lang verfolgen. Die Psychologiestudentin trifft sich am Abend mit einer Freundin, sie trinken eine Flasche Sekt und besuchen den Wiener Praterdome. An der Bar bestellen die beiden ein Corona, trinken davon und gehen auf die Tanzfläche. Zwei Stunden später wacht Sarah in einem Sanitätsraum des Clubs auf, voll mit ihrem eigenen Erbrochenem. Per Handy versucht sie mehrmals vergeblich, ihre Freundin zu erreichen. Sie macht sich völlig benommen auf den Weg zum Ausgang und trifft auf einen jungen Mann, der sie in ein Gespräch verwickelt.

"Ich habe immer wieder gesagt, dass ich einfach nur nach Hause will. Als er meinte, er bringt mich dorthin, hab' ich mich einfach nur gefreut. Ich war völlig neben mir", erinnert sie sich. Zu zweit verlassen sie den Club und steigen ins Taxi. Sarah wird ein zweites Mal ohnmächtig und kommt erst am nächsten Vormittag wieder zu sich.

Mann in der Wohnung

K.o.-Tropfen: Die unsichtbare Gefahr

Sie liegt im Bett ihrer eigenen Wohnung, merkt aber bald, dass sie nicht alleine ist. "Ich bekam Panik, war plötzlich hellwach, wie gelähmt. Ich hatte keine Ahnung, wie er in die Wohnung gekommen war." Als der Mann bemerkt, dass Sarah aufwacht, legt er sich auf sie und versucht immer wieder, sie zu küssen und mit ihr zu schlafen. "Ich habe versucht, ihn wegzudrücken und ihn angeschrien, er solle aufhören und sofort meine Wohnung verlassen. Nach einer halben Stunde ist er dann endlich gegangen."

Mit dem sofortigen Besuch bei der Polizei beginnt für Sarah ein langer Hürdenlauf, im Versuch ihr Recht geltend zu machen. Sie macht ihre Aussage, und die Spurensicherung durchsiebt die Wohnung. Sarah lässt etliche Untersuchungen über sich ergehen, bei denen auch Sperma und Speichel des Mannes, sowie Diphenhydramin, ein bekanntes Knock-out-Mittel, in ihrem Körper gefunden werden.

Zwei Monate später wird der Beschuldigte gefasst, seine DNS ist aufgrund von Drogendelikten bereits bekannt. Es stellt sich heraus, dass der 21-Jährige aus Gambia stammt und seit 2007 in Österreich lebt. Der Akt wird an die Staatsanwaltschaft weitergegeben, zur Hauptverhandlung im Februar 2011 bekommt Sarah aber keine Vorladung. Erst durch ihre Freundin, die auch aussagen muss, erfährt sie davon. "Zuerst schien bei der Verhandlung alles eindeutig, die Aussagen von mir und der Zeugen waren glaubhaft. Betreffend der Vorfälle in meiner Wohnung stand mein Wort gegen seines."

Aber kurz vor Verhandlungsende lässt der Pflichtverteidiger des Gambiers eine Bombe platzen: Der Beschuldigte sei seit einigen Monaten in einer psychiatrischen Anstalt. Die Verhandlung wird bis zum Erhalt eines Gutachtens vertagt und im April fortgesetzt. In dubio pro reo - "Freispruch, im Zweifel für den Angeklagten", lautete das Urteil. "Er hatte unbemerkt mein Handy und meinen Laptop aus meiner Wohnung gestohlen, einzig für diesen Diebstahl wurde er verurteilt."

Fehlende Erinnerung

Der Medizinstudent David E. hat bereits zwei Mal Erfahrungen mit K.o.-Tropfen gemacht. Mit seiner Freundin besucht er 2007 um Weihnachten den Grazer Nachtclub P.P.C. "Ein Typ an der Bar sah extrem oft zu uns rüber, das ging eine Stunde so. Nachdem ich einen Spritzer getrunken habe, fehlt mir die Erinnerung. Von meiner Exfreundin weiß ich, dass sie es extrem schwer hatte, mich nach Hause zu bringen." David hat am nächsten Tag keine Ahnung, was passiert war.

Im April darauf besucht er den Kulturhauskeller im Grazer Univiertel, wo nach kurzer Zeit ein Mann mit seiner Freundin zu reden beginnt und dem Paar Getränke bringt. "Sie hat sich immer seltsamer und aggressiver verhalten, nach einer Stunde mussten wir heimfahren", erinnert er sich. Dass es K.o.-Tropfen waren, realisierten die beiden erst Monate später, als sie die Abende übereinander legen. "Nie hätte ich gedacht, dass mir so etwas passiert. Anfangs dachten wir, wir hätten einfach zu viel getrunken."

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