Im Vorfeld gibt es Untersuchungen und Vorgespräche, auch eine Risikoprognose wird erstellt. Denn gefährliche Gewalttäter oder auch Suchterkrankte eignen sich nicht für das Programm.
Empathie und Impulskontrolle
Dann beginnt die Gruppentherapie: Jede Woche trifft eine Gruppe Männer für zwei Stunden zusammen, geleitet werden die Sitzungen von einer Expertin und einem Experten. „Eine Frau ist immer dabei, denn in reinen Männergruppen würde ein anderer Ton herrschen“, so Haydn. „Wichtig ist: Das ist keine Kuschel-Wohlfühl-Gruppe. Da geht es zur Sache, man muss etwa über seinen gewalttätigsten Vorfall erzählen.“
Das Ziel ist eine Verhaltensänderung: Die Männer lernen Empathie und Impulskontrolle – vor allem, Aggression nicht mehr in Gewalt münden zu lassen. Das Programm dauert rund ein Jahr.
Neu ist, dass Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser nun auch aktiv die (Ex-)Partnerinnen der Männer kontaktieren, die an diesem Programm teilnehmen.
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Das bringt zum einen mehr Transparenz: „Früher hat man ja nur mit dem Täter gearbeitet – der konnte bei den Sitzungen im Prinzip alles erzählen. Jetzt kennen wir auch die Sicht der Frauen“, erklärt Andrea Brem, Leiterin der Wiener Frauenhäuser.
„So ist alles glasklar: Kommt es zu Hause wieder zu einem gewalttätigen Vorfall, erfahren wir davon“, ergänzt Haydn. Dann werde in der nächsten Therapiesitzung sofort darüber gesprochen.
"Beraten, stärken, unterstützen"
Zum anderen erhalten die Frauen nun gezielte Unterstützung: Sie werden telefonisch kontaktiert, die meisten freuen sich über das Hilfsangebot. „Eine Frau hat zum Beispiel gesagt: ‚Ich finde es so schön, dass auch mich endlich jemand fragt, wie es mir bei der ganzen Sache geht‘“, erzählt Brem. Man wolle „beraten, stärken, unterstützen“, in telefonischen oder persönlichen Beratungen.
In manchen Fällen berichten die Frauen von positiven Veränderungen: etwa, dass ihre Männer respektvoller mit ihnen umgehen. „Was auch häufig passiert, ist, dass es die Männer nach Absolvierung des Programms schaffen, sich gewaltfrei zu trennen“, erzählt Haydn. Und das sei enorm wichtig: „Denn gerade bei Trennungen kann es zu den schwersten Verletzungen oder gar zur Tötung kommen“, erklärt Brem. Diese Zeit sei für Frauen die gefährlichste.
Klar sei aber auch, betont Brem: Die Arbeit mit dem Täter ersetze nicht dessen Strafe. Und eine „flächendeckende Lösung“, räumt Haydn ein, sei es freilich auch nicht. 200 bis 250 Männer absolvieren so ein Programm pro Jahr.
Doch beide sind sich einig: Jede Tat, die damit verhindert werden kann, ist viel wert. „Ein Mann hat zu mir gesagt, wenn er nicht bei der Gruppentherapie dabei gewesen wäre, hätte er seine Frau wahrscheinlich getötet“, erzählt Haydn.
Noch mehr Hilfe für Frauen
Dennoch möchte man speziell für die Opfer künftig noch mehr tun. „Unser Wunsch wäre, auch Gruppensitzungen für die Frauen zu organisieren“, sagt Brem. „Damit sie lernen, wie sie sich besser schützen können. Aber auch, um sich auszutauschen. Denn viele glauben, sie sind die Einzigen, denen so etwas passiert – aber sie sind mit ihrem Problem nicht allein.“
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