Es ist nur eine Unterschrift, die fehlt. Genug für ein Knirschen in der türkis-grünen Regierungskoalition. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hat das aktuelle Straßenbauprogramm der Asfinag noch nicht unterschrieben, obwohl es ihm bereits im Dezember 2021 übermittelt worden war. Die Konsequenz: Der von Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) verkündete Baustopp für Projekte wie die Wien-Umfahrung S1, den Lobautunnel oder die Marchfeldschnellstraße S8 ist noch nicht rechtsgültig.
Warum Gewessler Brunners Zustimmung braucht, liegt in einem Vertrag zwischen der Straßenbaugesellschaft Asfinag und dem Finanzministerium begründet: Demnach darf die Asfinag, die ja eigentlich dem Verkehrs- und Klimaschutzministerium zugeordnet ist, die Maut einheben, und muss im Gegenzug die Bundesstraßen selbst finanzieren, planen, bauen und erhalten. Ganz freie Hand hat sie dabei aber nicht.
Das Finanzministerium ist per Gesetz dazu verpflichtet, die Liquidität der Straßenbaugesellschaft sicherzustellen. Deswegen darf das Finanzministerium das Straßenbauprogramm nur dann absegnen, wenn die Gewinn-und-Verlust-Rechnung stimmt.
Zweifel
Beim aktuellen Straßenbauprogramm hat man in der Johannesgasse aber so seine Zweifel. Dort fehlen auf Wunsch von Ministerin Leonore Gewessler besagte Straßenbauprojekte. Vom Aufsichtsrat der Asfinag wurde dieses Programm auch nur mehrheitlich beschlossen. Dazu kommen mehrere Gutachten, die die Vorgangsweise des Ministeriums und der Asfinag mehr als infrage stellen, teilweise sogar als rechtswidrig einstufen.
Fragen an Ministerin
All das lässt das Finanzministerium zögern. Deswegen wurde auch ein Fragenkatalog an die Verkehrsministerin übermittelt, die all diese heiklen Punkte enthalten. Aus dem Büro von Leonore Gewessler heißt es dazu: „Im Zusammenhang mit der gesetzlich vorgesehenen Einvernehmensherstellung hat das Finanzministerium Rückfragen zum Asfinag-Bauprogramm gestellt. Diese Rückfragen wurden durch das Klimaschutzministerium beantwortet. Die Antworten wurden bereits vor einiger Zeit an das Finanzministerium übermittelt.“
„Es gibt aber noch immer verschiedene Fragen, die aktuell geprüft werden müssen.“ So der Konter aus dem Büro von Magnus Brunner. Außerdem gehe es nicht nur um eine Unterschrift, sondern darum, „dass Einvernehmen hergestellt wird“.
Im Hintergrund spielt auch noch Ministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) eine entscheidende Rolle, weil sich mittlerweile auch der Verfassungsdienst mit dem Baustopp beschäftigt, da die betroffenen Straßenprojekte Teil eines Bundesgesetzes sind. Initiiert wurde das Ganze von der Wiener Wirtschaftskammer. „Es wird noch geprüft“, heißt es dazu aus dem Edtstadler-Ressort.
Das Pikante an diesem koalitionären Konflikt: Ohne Einvernehmen gilt weiter das alte Straßenbauprogramm. Inklusive jener Projekte, die Leonore Gewessler eigentlich verhindern will.
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