Lobautunnel: Die Weisung der Klima-Ministerin an die Asfinag

Klima-Ministerin Leonore Gewessler
Seit Monaten wird im Konflikt um den Bau des Lobautunnels darüber gestritten und gerätselt, ob Klimaministerin Leonore Gewessler eine rechtswidrige Weisung über einen Baustopp veranlasst hat. Eine schriftliche Weisung hätte eine andere rechtliche Qualität als Aussagen der grünen Politikerin gegenüber Medien, den Tunnel nicht weiter zu verfolgen.
Die Weisung gibt es tatsächlich, das Schreiben mit Datum vom 1. Dezember 2021 an den Vorstand der staatlichen Asfinag liegt dem KURIER vor. Auf dem Briefkopf scheinen fünf hochrangige Mitarbeiter des Ministeriums auf, darunter Judith Engel, die wenige Wochen später Vorständin der ÖBB-Infrastruktur wurde, eines Teilkonzerns der Staatsbahn.
Die Evaluierung des Bauprogramms sei inhaltlich abgeschlossen, heißt es in dem sechsseitigen Schreiben.
Die zwei Projekte für den Schnellstraßen-Lückenschluss S1 rund um Wien (inklusive Lobautunnel) werden „ruhend gestellt“ – siehe Faksimiles.

Schreiben an den Vorstand der Asfinag vom 1. Dezember 2021
Nicht nur Mayer, auch andere Gutachter haben bereits konstatiert, dass eine Weisung gegen Vorstände oder Aufsichtsräte gesetzwidrig sei. Noch haben die Manager eine kleine Schonfrist, da Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes in Sachen Naturschutz offen sind. Sollten diese positiv für das Straßenbauprojekt ausfallen und es werde daran nicht weiter gearbeitet, müsste gegen Vorstand und Aufsichtsrat der Vorwurf der Untreue und gegen Gewessler der Verdacht auf Beitragstäterschaft geprüft werden, meint Mayer. Dann sei auch eine Ministerklage möglich.
Die FPÖ Niederösterreich hat bereits bei der Staatsanwaltschaft Wien eine Sachverhaltsdarstellung gegen Gewessler eingebracht.
Das Klimaministerium habe die Aufgabe, mit der Asfinag jährlich ein Bauprogramm abzustimmen. Dort würden auch die Projekte für die nächsten sechs Jahre festgelegt, heißt es dazu aus dem Ministerium. Genau das habe man auf Basis der Evaluierung getan, das Ministerium habe „natürlich auch umfassende Gutachten eingeholt, die bestätigen, dass diese Vorgehensweise rechtskonform ist“. Es handle sich um keine aktienrechtliche Weisung, sondern um einen Vorgang, der im Asfinag-Gesetz und im Fruchtgenussvertrag vorgesehen sei, wird betont.
Interessant allerdings, dass der Aufsichtsrat glaubt, den Lobautunnel gar nicht absagen zu müssen, sondern verschieben zu können. Die Vorstände und Kasser hielten laut Protokoll der Sitzung am 14. Dezember fest, dass es sich nur um eine „Ruhendstellung“ und keine Absage handle.
Den Aufsichtsräten dürfte aber klar sein, dass angesichts des Fortschritts der S1 kein Spielraum mehr für lange Verschiebungen vorhanden ist. Der Anwalt der Asfinag sprach von ein paar Monaten, siehe Faksimile.

Protokoll der Asfinag-Aufsichtsratssitzung vom 14. Dezember 2021
Wertberichtigung
Die Asfinag wird für die bisherigen Planungs- und Projektkosten für den „Verwirklichungsabschnitt 2“ der S1, das ist der Lobautunnel, vorläufig 70 Millionen wertberichtigen, bestätigt Unternehmenssprecherin Petra Mödlhammer. Der Tunnelabschnitt hätte ein Investitionsvolumen von 1,5 Milliarden Euro. Zehn weitere Millionen an Wertberichtigungen betreffen andere Projekte.
Milliarden-Verbindlichkeiten
Ein interessanter Aspekt wurde bisher noch gar nicht diskutiert, meint Mayer. Der Konflikt könnte sogar Konsequenzen für die Staatsverschuldung Österreichs haben. Die Verbindlichkeiten von ausgegliederten Unternehmen, die unabhängig von einem Ministerium oder einer Behörde sind, müssen nicht in die Staatsschulden eingerechnet werden.
„Wenn aber staatliche Organe durchgreifen, zählen die Verbindlichkeiten zu den Staatsschulden. Dann müssen die Asfinag-Schulden eingerechnet werden“, erklärt Mayer. Was die Schuldenquote deutlich erhöhen würde. Die Verbindlichkeiten der Autostraßen-Finanzierer belaufen sich immerhin auf knapp elf Milliarden Euro.
andrea.hodoschek@kurier.at
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