Es könne darum nicht sein, dass der „gesamte Transitverkehr vom Baltikum bis zur Adria weiter über die Tangente mitten durch Wien geführt“ werden solle, sagt Sima. Die Stadt legt nun bei der Europäischen Kommission eine Beschwerde ein. Außerdem wolle man eine Verschärfung des Lkw-Fahrverbots prüfen, so Sima.
Schadenersatz vom Bund gefordert
Die komplette Stadtentwicklung Wiens sei darauf ausgerichtet, dass die S1 realisiert werde, sagt Sima. Das sei auch mit dem Bund schriftlich vereinbart gewesen, außerdem habe man „im Vertrauen in die Grundfeste unserer Demokratie“ auf das Bundesstraßengesetz vertraut. Laut Onz sei Gewessler nicht befugt gewesen, den S1-Ausbau zu kippen.
Schon die Evaluierung des Projekts sei rechtswidrig, so der Experte. „Es gibt das Vorurteil, dass zwei Juristen immer zwei unterschiedliche Meinungen haben“, sagt Onz. In diesem Fall sei die Rechtslage aber eindeutig. Etwa so, als würde man „ein Gutachten machen, ob es gerade hell draußen ist“.
Im Klimaschutzministerium hingegen hat man schon bei den zuvor publik gewordenen Rechtsmeinungen erklärt, selbst „umfassende Gutachten eingeholt zu haben, die die rechtskonforme Vorgehensweise bestätigen“. Die Stadt Wien will nun den entstandenen Schaden ermitteln und Bund in die Pflicht nehmen. Das sei aber komplex, so Sima.
Prüfung durch den Verfassungsdienst
Die Wirtschaftskammer hat über das Ministerium von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) eine Prüfung des Verfassungsdiensts veranlasst. Sollte das Verhalten Gewesslers hier als rechtswidrig eingestuft werden, hätte das weit mehr politische Brisanz als die zahlreichen Rechtsgutachten davor.
Noch fehlt nämlich die Unterschrift des ebenfalls türkisen Finanzministers Magnus Brunner unter Gewesslers Bauprogramm. Dass Brunner gegen die Meinung des Verfassungsdiensts deren Vorgehen mit einer Unterschrift legitimiert, könne man sich nicht vorstellen, heißt es bei der Kammer. Die Konsequenz: Es gilt dann das alte Bauprogramm inklusive S1 – und die Asfinag müsste mit dem Bau beginnen.
Ministerinnenanklage steht im Raum
Wiens Wirtschaftskammerpräsident Walter Ruck fand angesichts des Gutachtens von Onz und den vorhergehenden – wie etwa jenes des Verfassungsrechtsexperte Heinz Mayer – harte Worte: „Ein Land, in dem ein Rechtsbruch einer Ministerin hingenommen wird, kann nicht als lupenreine Demokratie bezeichnet werden.“
Möglich wäre nun ein Misstrauensvotum – da man dafür aber einen mehrheitlichen Parlamentsbeschluss braucht, halte Ruck das für „realpolitisch unwahrscheinlich“. Er plädiert für eine Ministerinnenanklage. Diese ist auch für die FPÖ denkbar. Die Blauen aus Niederösterreich haben bereits eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft geschickt.
Tunnelgegner kündigen Proteste an
Die Umweltschutzbewegung „LobauBleibt“ übte Kritik an dem Vorgehen der Stadt. Rund um den Parteitag der SPÖ Wien am 28. Mai soll nun eine Protest-Aktionswoche stattfinden.
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